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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Mohl

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Mohl.

schen den Franzosen unter Davoût und den Russen unter Bagration, in welchem letztere geschlagen wurden. Unweit der Stadt liegt der schöne Jantschinsche Park mit Schloß, worin 1780 die Kaiserin Katharina II. mit dem Kaiser Joseph II. eine Zusammenkunft hielt.

2) (poln. Mogílow) Kreisstadt im russ. Gouvernement Podolien, am Dnjestr, hat 4 griechisch-katholische und eine armen. Kirche, eine Synagoge und 16 jüdische Bethäuser, Gerbereien und (1884) 18,421 Einw. Während die christliche Bevölkerung sich mit Gärtnerei, Böttcher- und Schuhmacherarbeiten, auch etwas Weinbau und Seidenzucht beschäftigt, treiben die Juden lebhaften Handel mit Cerealien, Branntwein, Mais, Holz und Manufakturwaren, besonders nach Galizien und Odessa.

Mohl, 1) Robert von, ausgezeichneter deutscher Staatsrechtslehrer und Staatsmann, geb. 17. Aug. 1799 zu Stuttgart, Sohn des Oberkonsistorialpräsidenten und Staatsrats Ferdinand Benjamin v. M. (geb. 4. Jan. 1766, gestorben 5. Aug. 1845), studierte in Heidelberg, Göttingen und Tübingen die Rechte und Staatswissenschaften, ward 1824 außerordentlicher und 1827 ordentlicher Professor der Staatswissenschaften zu Tübingen, 1836 zugleich Oberbibliothekar. Als er 1845 als Wahlkandidat für die Stadt Balingen auftrat, legte er in einem Schreiben an seine Wähler, welches durch den Druck veröffentlicht ward, sein politisches Glaubensbekenntnis dar, gab aber darin zugleich eine schonungslose Kritik damaliger Regierungsmaßregeln, weshalb er von seinem Lehrstuhl entfernt und als Regierungsrat nach Ulm versetzt werden sollte. Er zog es vor, aus dem Staatsdienst auszuscheiden, und wurde bald nachher in die württembergische Kammer gewählt. 1847 folgte er einem Ruf als Professor der Rechte nach Heidelberg. Nachdem er 1848 dem Vorparlament beigewohnt, ward er von den Oberämtern Mergentheim und Gerabronn in die Nationalversammlung gewählt, wo er seinen Sitz im linken Zentrum nahm und mit Eifer für Reformbestrebungen weise Mäßigung und politischen Takt verband. Am 25. Sept. 1848 übernahm er im Reichsministerium das Portefeuille der Justiz, trat aber 17. Mai 1849 zurück und widmete sich wieder seinem Lehramt zu Heidelberg. Seit 1857 Vertreter der Universität in der badischen Ersten Kammer, seit 1863 deren Mitglied durch allerhöchstes Vertrauen, 1861-66 Bundestagsgesandter in Frankfurt, 1867-71 Gesandter in München, war er der berufenste Vertreter der nationalen Reformpolitik der großherzoglichen Regierung. 1871 erhielt er den Posten eines Präsidenten der Oberrechnungskammer in Karlsruhe. An den Verhandlungen des deutschen Reichstags nahm er für den zweiten badischen Wahlkreis in bundesfreundlichem Sinn teil und starb in der Nacht vom 4. zum 5. Nov. 1875 in Berlin. Von seinen Schriften sind hervorzuheben: "Staatsrecht des Königreichs Württemberg" (Tübing. 1829-31, 2 Tle.; 2. Aufl. 1840); "Die deutsche Polizeiwissenschaft nach den Grundsätzen des Rechtsstaats" (das. 1832-34, 3 Bde.; 3. Aufl. 1866); "Die Verantwortlichkeit der Minister" (das. 1837); "Geschichte und Litteratur der Staatswissenschaften" (Erlang. 1855-58, 3 Bde.); "Encyklopädie der Staatswissenschaften" (Tübing. 1859, 2. Aufl. 1872, und Freib. i. Br. 1881); "Staatsrecht, Völkerrecht und Politik" (Tübing. 1860-69, 3 Bde.); "Das deutsche Reichsstaatsrecht" (das. 1873). Auch gab er mit andern seit 1844 die "Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft" heraus. Vgl. H. Schulze, Robert von M. Ein Erinnerungsblatt (Heidelb. 1886).

2) Julius von, berühmter Orientalist, Bruder des vorigen, geb. 25. Okt. 1800 zu Stuttgart, studierte in Tübingen erst Theologie, sodann in England und zu Paris unter Silvestre de Sacy und Rémusat orientalische Sprachen (namentlich Persisch, Arabisch und Chinesisch) und erhielt 1826 eine außerordentliche Professur der orientalischen Litteratur zu Tübingen, verbrachte aber die nächsten Jahre meist in Paris, London und Oxford mit gelehrten Forschungen, als deren Früchte die mit Olshausen bearbeiteten "Fragments relatifs à la religion de Zoroastre" (Par. 1829) erschienen. Dann veröffentlichte er zwei ältere lateinische, von gelehrten Jesuiten herrührende Übersetzungen chinesischer Religionsbücher: "Confucii Chi-king, sive liber carminum, ex latina P. Lacharme interpretatione" (Stuttg. 1830) und "Y-king, antiquissimus Sinarum liber, ex interpretatione P. Regis" (das. 1834-39, 2 Bde.), wendete sich aber von nun an ausschließlich dem Studium des Persischen zu. Von der französischen Regierung mit der Herausgabe und Übersetzung des "Shâhnâme" von Firdusi für die "Collection orientale" beauftragt, nahm er 1834 in Tübingen seine Entlassung und siedelte ganz nach Paris über, wo er sich naturalisieren ließ. Jenes Prachtwerk erschien in sechs Foliobänden (Par. 1838-66), wozu nach Mohls Tod noch ein siebenter (von Meynard vollendet, das. 1878) kam. Die französische Übersetzung wurde 1876 in sieben Duodezbänden von seiner Witwe besonders herausgegeben. Als Sekretär, später Präsident der Asiatischen Gesellschaft in Paris hat M. eine große Thätigkeit entwickelt. Besonders geschätzt waren seine "Jahresberichte"; auch das "Journal asiatique" verdankt ihm viele vorzügliche Aufsätze. 1844 wurde er an Burnoufs Stelle zum Mitglied der Akademie der Inschriften, 1847 zum Professor des Persischen am Collège de France und 1852 zum Inspektor des orientalischen Druckes in der kaiserlichen Druckerei ernannt. Die Ausgrabungen Bottas in Ninive wurden auf seine Veranlassung und nach seinem Plan unternommen; in Beziehung darauf veröffentlichte er: "Lettres de Mr. Botta sur les découvertes à Khorsabad" (1845). Überhaupt war M. unermüdlich in der Förderung wissenschaftlicher Bestrebungen, und sein Salon bildete während des zweiten Kaiserreichs einen Sammelpunkt der Gelehrten und litterarischen Berühmtheiten. Er starb 3. Jan. 1876. Seine Berichte an die Asiatische Gesellschaft erschienen nach seinem Tod gesammelt unter dem Titel: "Vingt-sept ans d'histoire des études orientales" (hrsg. von seiner Witwe, 1879-80, 2 Bde.). Vgl. Simpson, Julius and Mary M., letters and recollections (Lond. 1887).

3) Moritz, Nationalökonom, Bruder der vorigen, geb. 1802 zu Stuttgart, studierte Staatswirtschaft in Tübingen, besuchte darauf die landwirtschaftliche Anstalt in Hohenheim, ward 1826 Referendar im Finanzministerium, dann Assessor bei der Oberzollverwaltung zu Stuttgart und 1831 Assessor der Finanzkammer zu Reutlingen. Nachdem er sich darauf fünf Jahre lang in Frankreich der Erforschung der staatswirtschaftlichen Zustände und des Schulwesens dieses Landes gewidmet, ward er 1841 zum Obersteuerrat in Stuttgart ernannt. Er wohnte 1848 dem Vorparlament bei, wurde von dem Wahlbezirk Heidenheim-Aalen in die Nationalversammlung gewählt, wo er zu der gemäßigten Linken gehörte, und gab seine Anstellung sowie seinen Geburtsadel auf.