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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Niederlande

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Niederlande (Fischerei, Forstwirtschaft, Industrie, Handel).

gemein verbreitet. Bienenzucht, auf dem Buchweizen- und Heideboden betrieben, bildet zwar nirgends einen Haupterwerbszweig, doch schätzt man den Wert der gesamten Bienenstöcke auf 1,541,257 Gulden.

Fischerei und Forstwirtschaft.

Die Fischerei beschäftigte und ernährte früher ca. 100,000 Menschen. Wiewohl jetzt andre Nationen, namentlich die Schotten und Norweger, bedeutende Konkurrenz machen, so behauptet doch der holländische Hering noch seinen alten Ruhm. Die große oder Salzheringsfischerei wurde 1886 mit 190 Schiffen und 272 Booten betrieben, von denen die größere Hälfte von Vlaardingen aus bemannt wurde, und lieferte einen Ertrag von 374,000 Ton. Salzheringen und 74 Mill. geräucherten Heringen. Sie beginnt Ende Juni und endigt im November oder Dezember. Die kleine oder frische Heringsfischerei wird an der Küste der Nordsee von Scheveningen, Katwijk, Noordwijk und Egmond am See aus von August bis November oder Dezember betrieben. Der Wert der in der Nordsee gefangenen Heringe belief sich 1886 auf 4 Mill. Guld. Die Fischerei mit Schleppnetzen, die besonders auf Schollen, Thunfische und Steinbutten gerichtet ist, brachte 1886: 321,104 Guld. ein. Die Fischerei mit Kabeljaunetzen und Angelschnuren auf Kabeljaus, Schell-, Kohl-, Kehl- und Lappfische etc. gab 1882 einen Ertrag von 30,011 Ton. im Wert von 30,124 Guld. Die Zuiderseefischerei bringt vornehmlich Bratheringe (1885: 13 Mill. Stück), Anchovis (85,000 Anker), Butten (2 Mill.), Aale und Garneelen ein. Die Muschelfischerei wird vornehmlich auf Texel und zu Egmond am See, der Austernfang (1886: 28 Mill. Stück, wovon die Hälfte nach England ausgeführt wurde) auf Texel und in Zeeland getrieben. Die binnenländische Süßwasserfischerei hat in den letzten drei Jahrzehnten infolge der vielen Austrocknungen zwar an Bedeutung verloren, liefert jedoch noch viele Lachse, Aale, Hechte, Barsche, Plötzen etc. Die Ausfuhr von Fischen nach Deutschland und Belgien hat infolge des Eisenbahnverkehrs bedeutend zugenommen.

Was die Forstwirtschaft betrifft, so ist Gelderland diejenige Provinz, welche am meisten Bau- und Brennholz liefert, und wo sich auch einige Waldungen finden. Das meiste Schiffbauholz kommt teils von den Ostseeländern, teils auf großen Flößen den Rhein herab. 1884 betrug die Einfuhr an Schiffbau- und Zimmerholz 707,925 Ton., die Ausfuhr 198,054 T. Der Holzbestand nimmt in denjenigen Provinzen, wo, wie in Nord- und Südholland, infolge des steigenden Wertes der Produkte des Landbaues und der Viehzucht der Wald mehr und mehr in Ackerland und Wiesen verwandelt wird, mit jedem Jahr ab, während in andern Provinzen, wo, wie in Nordbrabant, Gelderland, Drenthe und Limburg, viel Heideboden kultiviert wird, die Holzanpflanzungen zunehmen. Die Jagd ist wegen den geringen Waldungen unbedeutend und beschränkt sich auf Hasen, Kaninchen, Rebhühner, Schnepfen, Haselhühner, Enten, Gänse etc. Rehe und Hirsche finden sich noch in Gelderland und Overyssel, Fasanen ebendaselbst und in der Provinz Utrecht, Kaninchen hauptsächlich in den Dünen.

Bergbau und Industrie.

Wegen des Mangels an Holz sind die N. vornehmlich auf Steinkohlen und Torf als Brennmaterial angewiesen. Eigne Steinkohlen verbraucht nur Limburg, doch reicht die Produktion (in Kerkrade) für den Bedarf dieser Provinz bis jetzt bei weitem nicht aus. Die übrigen Provinzen beziehen ihren Bedarf an Steinkohlen meistens aus England (Newcastle), Preußen (von der Ruhr) und Belgien. Deshalb steht einer Einfuhr 1884 von 4¾ Mill. Ton. eine Ausfuhr von 863,211 T. gegenüber. Der Torfboden wird in regelmäßigen und unregelmäßigen eingeteilt, welch letzterer den Torf in geringerer Qualität und in kleinern Partien liefert. Es gehören hierzu die Torfmoore in Nordbrabant, Gelderland, Zeeland, in der Gegend von Amersfoort in der Provinz Utrecht, in einem Teil von Overyssel, in den Bezirken Alkmar und Hoorn in Nordholland und in einigen Teilen von Südholland. Der gesamte Torfboden lieferte 1864: 42 Mill. Ton. Seit dieser Zeit fehlen statistische Angaben, weil bald darauf die Steuer auf den Torf abgeschafft wurde. Die Produktion hat sich indessen stark vermehrt; ⅚ der ganzen Torfproduktion kommen auf die vier nördlichen Provinzen des Landes, wo sich der hohe Torfboden befindet. An Metallen sind die N. sehr arm; es gibt nur vier Schmelzöfen, zu Ulft, Kappel, Wisch (Terborg) in Gelderland und zu Deventer in Overyssel, die aus der Nachbarschaft bezogenes Eisenerz verarbeiten und jährlich ungefähr 3 Mill. kg Eisen zu einem Wert von 200,000 Guld. produzieren. Das aus der Nachbarschaft von Hellendoorn (Overyssel) bezogene Eisenerz wird nach den Öfen in Westfalen versandt.

Hinsichtlich der industriellen Thätigkeit sind die statistischen Angaben unvollständig. Daß die Industrie im Steigen begriffen ist, beweist die zunehmende Anwendung von Dampfmaschinen. Man zählte Ende 1853: 507 Dampfkessel, Ende 1886 aber 4126, wobei die Lokomotiven nicht mitgerechnet sind. Die "Niederländische Gesellschaft zur Beförderung der Industrie" macht sich durch Ausstellungen, Versendung von Proben, Prämienverleihungen etc. sehr verdient. Es besteht volle Gewerbefreiheit. Hauptfabrikorte sind: Amsterdam, Haarlem, Rotterdam, Schiedam, Leiden, Dordrecht, Haag, die Zaandörfer (Zaandam, Zaandijk, Wormerveer etc.), Hilversum im Gooiland (Nordholland), Utrecht, Amersfoort, die Städte und Dörfer in Twenthe (östlicher Teil von Overyssel), Tilburg, Herzogenbusch, Eindhoven und die Dörfer in der Langstraat (Nordbrabant), Maastricht, Roermonde. Von 600-700 Schiffswerften beschäftigen sich ungefähr 150 mit dem Bau von Seeschiffen; die vorzüglichsten findet man in Feyenoord (Rotterdam), am Kinderdijk (Alblasserdam), Amsterdam, Helder, Vlissingen, Harlingen, Veendam. Die große Zunahme der Anwendung von Dampfmaschinen in Fabriken und auf Schiffen hatte die Errichtung von Eisengießereien und Maschinenfabriken zur Folge, wovon die größten die in Amsterdam, Haag, Leiden, Delfshaven und die der Niederländischen Dampfschiffahrtsgesellschaft sind. Auch die Ziegelbrennerei, Papier- und Ölfabrikation, Reisschälerei, Zigarren-, Tabaks- und Krappfabrikation, Branntweinbrennerei (1885: 440 Brennereien, meist in Südholland), Likörfabrikation, Bierbrauerei (530 Etablissements, meist in Nordbrabant), Zuckerraffinerie (12) und Rübenzuckerfabrikation (27, meist in Nordbrabant), Produktion von Salz, Seife, Essig, ferner Lein- u. Baumwollweberei, Tapeten- u. Kutschenfabrikation, Gerberei u. Schuhfabrikation, Seidenmanufaktur, Gold- und Silberwarenfabrikation sind von großer Bedeutung. Besondern Ruf genießen die Niederländer auch als Mühlenbauer und Stellmacher, ja ihre hydraulischen Werkzeuge und Bauten sind die vollendetsten der Welt.

Handel und Schiffahrt.

In betreff des Handels wurde seit 1850 eine liberale Politik befolgt. Nach dem am 1. Nov. 1862 in Kraft getretenen Gesetz betrugen die Eingangszölle