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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Nitrokörper; Nitroleum; Nitromannit; Nitrophosphat; Nitroprusside; Nitrose; Nitrotoluole; Nitrum; Nittenau; Nitz.; Nitzsch

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Nitrokörper - Nitzsch.

Schießpulver bei weitem, weil seine Zersetzung in weit kürzerer Zeit verläuft. Das Verhältnis der größten Pressungen bei Explosionen im geschlossenen Raum verhält sich etwa wie 100:8, und diesem Verhältnis ist etwa die Sprengwirkung gegen sehr feste Substanzen proportional, während sich in weichen Substanzen (Erde) das Kraftverhältnis zu gunsten des Schießpulver ändert. Am auffälligsten aber ist das Übergewicht des Nitroglycerins bei Sprengungen mit offen liegenden Ladungen. N. wurde 1847 von Sobrero entdeckt und 1862 von dem Schweden E. Nobel als Sprengmittel empfohlen (Nobelsches Sprengöl) und fand bald weite Verbreitung. Vielfache Unglücksfälle bei der Darstellung und Handhabung des Öls führten zu verschiedenen Vorschlägen, das Präparat für den Transport und die Aufbewahrung unexplodierbar zu machen; auch wurde empfohlen, es am Gebrauchsort jedesmal frisch in kleinen, nur für einen Tag ausreichenden Quantitäten herzustellen. Es wurde aber vollständig aufgegeben, als Nobel 1864 entdeckte, daß es, mit porösen Körpern gemischt, Explosivstoffe gibt, welche alle Vorzüge des Nitroglycerins besitzen, aber viel weniger gefährlich sind. Diese neuen Explosivstoffe sind die Dynamite. Man benutzt zur Herstellung des Dynamits gewöhnlich Kieselgur, welche 3 Teile N. aufnimmt. Es bildet eine graubraune, geruchlose, fette, teigartige Masse vom spez. Gew. 1,6, explodiert nicht durch Stoß, verbrennt im offenen Raum oder in der üblichen Verpackung ohne Explosion und zeichnet sich vor Schießpulver durch große Arbeitsersparnis, große Beschleunigung der Arbeit und Ersparnis von Sprengmaterialkosten aus. Dynamit ist viermal teurer, leistet aber achtmal mehr als Schießpulver. Man benutzt es in geleimten Papierpatronen und entzündet es mittels Zündschnur und eines auf diese aufgeschobenen und festgekniffenen Patentzündhütchens. Dies versenkt man 3 cm tief in das Dynamit, drückt dann letzteres fest an und schließt die Patrone mit einem Papierstöpsel. Der Besatz wird aus losem Sand hergestellt. Gefrorne Dynamitpatronen sind in der Handhabung sehr gefährlich und explodieren oft beim Herabfallen. Indem man die Kieselgur durch andre poröse Körper ersetzte, hat man mehrere Sorten von Dynamit hergestellt und unter Zusatz andrer Substanzen zahlreiche Sprengmaterialien erhalten. So ist der Lithofrakteur dem Dynamit ähnlich zusammengesetzt; Dualin enthält Holzstoff, welcher mit Salpeter getränkt oder durch Behandeln mit konzentrierter Salpeter- und Schwefelsäure nitriert worden war; Coloniapulver besteht aus N. und gewöhnlichem Sprengpulver, Fulminatin soll statt Kieselgur Scherwolle enthalten; Sebastin, Serranin scheinen dualinähnliche Mischungen zu sein etc. Eine eigentümlich zubereitete Kollodiumwolle (in Äther lösliche Schießbaumwolle) löst sich in N. und bildet eine gelatine- oder gummiartige Masse, welche gegen Wasser und mechanische Impulse sehr unempfindlich ist und eine Sprengkraft besitzt, welche die des besten Dynamits und der komprimierten Schießbaumwolle sehr bedeutend übertrifft. Dies Präparat kommt als Sprenggelatine zur Anwendung. Löst man weniger als 7-8 Proz. Schießbaumwolle in N., so entsteht ein Sirup, der viel weniger poröses Pulver braucht, um eine pulverige Masse zu liefern. Auf diese Weise kann man Dynamite herstellen, die das N. im Wasser und unter Druck fester halten als das Kieselgurdynamit und in ihrer Wirkungsart sich beliebig modifizieren lassen, so daß man neben der starken brisanten auch eine schiebende Wirkung erreichen kann. Die Gelatinedynamite dürften daher das Kieselgurdynamit mehr und mehr verdrängen. N. dient auch als Arzneimittel gegen Migräne, hysterische Krämpfe, Schwindel, manche Herzkrankheiten, Nierenleiden etc. Vgl. Sprengstoffe und die dort angegebene Litteratur.

Nitrokörper, chem. Verbindungen von Kohlenstoff mit Wasserstoff, oft auch mit Sauerstoff, in welchen ein oder mehrere Atome Wasserstoff durch die Nitrogruppe NO2 ^[NO_{2}] vertreten sind. Solche Körper entstehen bei der Einwirkung von konzentrierter Salpetersäure (oder eines Gemisches solcher mit konzentrierter Schwefelsäure) auf die sogen. aromatische Körper (Benzol, Naphthalin etc.), während die Glieder der Fettreihe bei ähnlicher Behandlung häufig Verbindungen geben, welche wohl auch N. genannt werden, aber eine wesentlich andre Konstitution besitzen und als zusammengesetzte Äther aufzufassen sind. Letztere liefern unter Einwirkung reduzierender Substanzen Alkohole und Ammoniak; in den eigentlichen Nitrokörpern dagegen wird die Gruppe NO2 ^[NO_{2}] durch NH2 ^[NH_{2}] ersetzt, und so entsteht z. B. aus Nitrobenzol C6H5NO2 ^[C_{6}H_{5}NO_{2}] das Anilin C6N5NH2 ^[C_{6}N_{5}NH_{2}]. Viele N. sind ausgezeichnet durch die Heftigkeit, mit welcher sie explodieren (Nitrocellulose oder Schießbaumwolle, Nitroglycerin, Nitromannit etc.), andre wie Nitrobenzol, Nitronaphthalin etc., haben große Bedeutung für die Farbenindustrie gewonnen.

Nitroleum, s. v. w. Nitroglycerin.

Nitromannit, s. Mannit.

Nitrophosphat, Düngerpräparate, welche neben phosphorsaurem Kalk viel Stickstoff enthalten, also Gemenge von Superphosphat mit Chilisalpeter.

Nitroprusside, kompliziert zusammengesetzte Verbindungen, welche auf verschiedene Weise aus Cyanverbindungen entstehen. Aus gelber Blutlaugensalzlösung, die mit rauchender Salpetersäure behandelt, dann mit Soda neutralisiert und durch Kristallisation von dem gebildeten salpetersauren Kali befreit wurde, kristallisiert Natriumnitroprussid in rubinroten, luftbeständigen Kristallen. Auch die daraus zu gewinnende Nitroprussidwasserstoffsäure bildet dunkelrote Kristalle. Kupfernitroprussid, aus dem Natronsalz durch Kupfervitriol gefällt, ist blaßgrün, unlöslich in Wasser und Alkohol und dient zur Prüfung der ätherischen Öle.

Nitrose, s. Schwefelsäure.

Nitrotoluole, s. Toluol.

Nitrum, s. v. w. Salpeter, bei den Alten natürliche Soda; N. cubicum, s. v. w. Chilisalpeter oder salpetersaures Natron; N. prismaticum, Kalisalpeter; N. tabulatum, geschmolzene und in Kügelchen oder Plätzchen ausgegossener Salpeter; N. flammans, s. v. w. salpetersaures Ammoniak.

Nittenau, Flecken im bayr. Regierungsbezirk Oberpfalz, Bezirksamt Roding, am Regen, mit Amtsgericht, Glasschleiferei, Eisenwerk und (1885) 1411 Einw.

Nitz., bei naturwissenschaftl. Namen Abkürzung für Christian Ludwig Nitzsch, geb. 1782 zu Beucha bei Grimma, starb 1837 als Professor der Naturgeschichte in Halle. Zoolog.

Nitzsch, 1) Karl Ludwig, protest. Theolog, geb. 6. Aug. 1751 zu Wittenberg, wurde 1781 Prediger in Beucha, 1785 Superintendent zu Borna, 1787 Stiftssuperintendent in Zeitz und 1790 Generalsuperintendent und Professor zu Wittenberg, seit 1813 Direktor des Predigerseminars daselbst, als welcher er 5. Dez. 1831 starb. Er bemühte sich, von Kant angeregt, durch Unterscheidung der Offenbarung von der Religion, d. h. der geschichtlichen Einführung der