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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Orchéstes; Orchéstik; Orchestrāl; Orchestrieren; Orchestrĭon; Orchideen

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Orchestes - Orchideen.

kleine O. begreift sämtliche Hauptgattungen der Musikinstrumente in sich: Streichinstrumente, Holz- und Blechblasinstrumente und Schlaginstrumente (Pauken); nur in der Stärke der Besetzung sowie besonders in der Anzahl der angewendeten Arten von Blasinstrumenten unterscheiden sie sich. Das kleine O. besteht außer dem Streichquintett (ersten und zweiten Violinen, Bratschen, Cellos und Bässen) aus 2 Flöten, 2 Oboen, 2 Klarinetten (die sogar manchmal fehlen, z. B. in der G moll-Symphonie von Mozart), 2 Fagotten, 2 Hörnern, 2 Trompeten und 2 Pauken (die auch manchmal fehlen). Welche Fülle verschiedener Klangfarben mit diesen bescheidenen Mitteln erzielt werden kann, beweisen die Symphonien von Haydn, Mozart und Beethoven hinlänglich. Treten zu den genannten noch 2 weitere Hörner und 3 Posaunen hinzu, so heißt das O. schon das große; es ist (mit oder ohne Pickelflöte) das eigentliche Symphonieorchester, wie es nicht nur Beethoven in seinen größern Symphonien, sondern auch die nachbeethovenschen Symphoniker (Schubert, Mendelsohn, Schumann, Gade, Brahms, Volkmann, Raff, Dietrich u. a.) bis auf den heutigen Tag festgehalten haben. Erheblich erweitert ist dagegen das große O. der neuern Oper, der neuern Messe, überhaupt der neuern Chormusik mit O. und der Programmsymphonien. Das Streben nach Charakteristik des Ausdrucks, nach Individualisierung verschiedenartiger Personen, nach täuschender Tonmalerei etc. hat die Komponisten veranlaßt, für alle diese Arten illustrierender Instrumentalmusik immer neue Klangfarben aufzusuchen, und so finden wir denn neben den bereits genannten Instrumenten noch: Englisch Horn, Baßklarinette, Kontrafagott, Baßtuba, Harfe, große und kleine Trommel, Becken, Triangel, Glockenspiel (Stahlharmonika, Lyra) etc. Auch eine besonders starke Besetzung der einzelnen Arten von Instrumenten fordert manchmal der Komponist zur Erzielung eines außergewöhnlichen Effekts. Hector Berlioz verlangt für das Tuba mirum seines riesengroßen "Requiem" folgende Besetzung: 4 Flöten, 2 Oboen, 2 C-Klarinetten, 8 Fagotte, 4 Hörner in Es, 4 Hörner in F, 4 Hörner in G, 4 Cornets à pistons in B, 2 F-Trompeten, 6 Es-Trompeten, 4 B-Trompeten, 16 Tenorposaunen, 2 C-Ophikleiden, 2 B-Ophikleiden, eine Monster-Ophikleide à pistons, 8 Paar Pauken, 2 große Trommeln und ein sehr stark besetztes Streichorchester (18 Kontrabässe). Diese ungeheuerliche Anforderung steht allerdings einzig in ihrer Art da. Das großartigste Opernorchester ist das Wagners in den "Nibelungen"; er verlangt außer dem Streichorchester: 3 große Flöten, eine Pickelflöte, 3 Oboen, ein Englisch Horn, 3 Klarinetten, eine Baßklarinette, 3 Fagotte, 8 Hörner, eine Tenortuba, 2 Baßtubas, eine Kontrabaßtuba, 3 Trompeten, eine Baßtrompete, 2 Tenorposaunen, eine Baßposaune, eine Kontrabaßposaune, 2 Paar Becken, Triangel, große und kleine Trommel. In den frühern Opern beschränkt sich Wagner in der Vergrößerung des Symphonieorchesters auf die dreifache Besetzung der Holzbläser und Trompeter sowie die Einführung von Englisch Horn, Baßklarinette, Baßtuba, Harfe und Schlaginstrumenten. Bei den andern Opernkomponisten fällt auch noch die dreifache Besetzung der Holzbläser und Trompeten fort. Das O., für welches Haydn und Mozart ihre symphonischen Werke schrieben, wies nur wenig Blasinstrumente auf (das oben spezifizierte kleine O.); doch wußte gerade Haydn dieselben so zu individualisieren und ihre besondere Klangfarbe so geschickt zu verwerten, daß er zuerst der reinen Instrumentalmusik rechtes Leben gab und das O. zu einem Wettstreit verschieden redender und empfindender Einzelwesen umschuf. Mozart und Beethoven gingen nun seinen Weg weiter, jeder nach seiner Eigenart andern Empfindungen und Stimmungen Ausdruck gebend. Heute verrät das deutsche O. (wenn wir das Wagners, Liszts und ihrer Jünger so nennen dürfen) wieder die Vorliebe der Deutschen für die Blasinstrumente; wir sind nach der richtigen Bemerkung des Franzosen H. Lavoix, der die erste Geschichte der Instrumentation geschrieben hat (1878), auf dem Weg zur Wiederherstellung (mutatis mutandis) der Verhältnisse des 16. und 17. Jahrh., wo jedes Instrument in drei oder vier verschiedenen Großen existierte, in Sopran- (Alt-), Tenor- und Baßlage. Wir haben heute die Flöte in zweierlei Größe, die Oboe in Sopran- und Altlage (Englisch Horn), die Klarinette in Sopran-, Alt- und Baßlage, das Fagott in Baß- und Kontrabaßlage, neben der Trompete die Baßtrompete, neben der Baßtuba die Tenortuba etc. Der Unterschied ist nur, daß wir alle diese Instrumente zu einem kolossalen Instrumentalkörper vereinigen, während man im 16. Jahrh. fast nur vierstimmig mit Instrumenten derselben Familie musizierte. Vgl. Instrumentalmusik.

Orchéstes, s. Rüsselkäfer.

Orchéstik (griech.), die griech. Tanzkunst, jetzt besonders die höhere theatralische Tanzkunst (s. Tanz).

Orchestrāl, orchestermäßig (in der Kompositionslehre Gegensatz zum Kammerstil).

Orchestrieren, für Orchestermusik einrichten, instrumentieren (s. Instrumentation).

Orchestrĭon, ein mechanische Musikwerk (1851 erfunden von Fr. Th. Kaufmann) mit starken Zungenstimmen, welche mit Hilfe verschieden gestalteter blecherner Aufsätze den Klang der Blasinstrumente des Orchesters ziemlich täuschend nachahmen. Auch nannte so Abt Vogler seine um 1785 erfundene, vereinfacht erbaute Orgel, mit drei Klavieren von je 63 Tasten und 39 Pedaltasten nebst einem Schweller zum Crescendo und Diminuendo, und Kunz in Prag sein 1791 konstruiertes mit einem Orgelwerk verbundenes Pianoforte, das aus einem flügelförmigen Kasten mit zwei Manualklavieren von je 65 Tasten und einem Pedalklavier von 25 Tasten bestand und im ganzen 230 Saiten und 21 Register umfaßte.

Orchideen (Kuckucksblütler, hierzu Tafel "Orchideen"), monokotyle Familie aus der Ordnung Gynandrae, perennierende Kräuter, von denen die auf der Erde wachsenden meist einen aufrechten, einfachen Stengel mit wechselständigen, seltener gegenständigen, oft am Grund mehr zusammengedrängten, einfachen, an der Basis scheidenförmigen, ganzen, parallel-nervigen Blättern und entweder ein kriechendes Rhizom oder statt dessen zwei Wurzelknollen besitzen, welche der Stengel an seinem in der Erde verborgenen Ende trägt, und die entweder ganz, und zwar rund oder länglich, oder handförmig geteilt und stets um ein Jahr im Alter verschieden sind, weil jedes Jahr eine neue Wurzelknolle gebildet wird, welche die Knospe des für das folgende Jahr bestimmten Stengels trägt. Wenige O. haben einen auf der Erde lang hinkriechenden, seiner ganzen Länge nach mit Blättern besetzten Stengel, welcher durch Seitenwurzeln sich befestigt. Viele tropische O. wachsen auf Bäumen (Epiphyten) und haben meist einen verkürzten, mit fleischig verdickten, grünen Blattbasen besetzten, daher mehr eine zwiebelähnliche Verdickung bildenden Stengel, aus welchem die Blütenschäfte getrieben werden, und welcher gewöhnlich Luftwurzeln entwickelt, die in der Luft herniederhängen und zum Teil die Pflanzen an