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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ortnit; Ortolan, Ortolankönig; Ortona; Ortrand; Ortsarmenverbände; Ortsbestimmung; Ortsbewegungen der Tiere

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Ortnit - Ortsbewegungen der Tiere.

Ortnit, Held einer Dichtung aus dem Kreis der deutschen Heldensage, deren Inhalt in kurzem folgender ist. O., König von Lamparten (Lombardei), erfährt durch seinen Oheim, den Reußenkönig Elias, von der schönen Tochter des Heidenkönigs von Montabaur, der jedoch jedem Bewerber das Haupt abschlägt. O. beschließt, die Jungfrau zu erwerben. Mit Hilfe seines Vaters, des Zwergs Alberich, gelingt es ihm, die Königstochter zu entführen, die in der Taufe den Namen Sydrat empfängt. Der heidnische König sendet aus Rache den Jäger Velle mit zwei jungen Drachen in Ortnits Land, wo dieselben heranwachsen und große Verwüstungen anrichten; O. selbst zieht gegen sie aus und verliert im Kampf mit ihnen das Leben. Die Dichtung weist durch Anspielungen auf morgenländische Ereignisse auf die Zeit von 1225 bis 1226 als Abfassungszeit in ihrer ursprünglichen Gestalt, wovon wir jedoch nur spätere Umarbeitungen besitzen. Die meisten Texte verbinden den O. mit dem Wolfdietrich (s. d.), der als eine Art Fortsetzung hier angereiht wird, indem Wolfdietrich den Tod Ortnits rächt. Herausgegeben ward die Dichtung von Mone (Berl. 1821), von Ettmüller (Zürich 1838), am besten von Amelung im "Deutschen Heldenbuch", Bd. 3 (Berl. 1871). Vgl. Müllenhoff, Das Alter des O. (in Haupts "Zeitschrift", Bd. 13).

Ortolan, Ortolankönig, s. Ammer.

Ortona, Stadt in der ital. Provinz Chieti, Kreis Lanciano, am Adriatischen Meer und an der Bahnlinie Ancona-Brindisi, ist Bischofsitz, mit Kathedrale, einem in jüngster Zeit vergrößerten Hafen, in welchem 1886: 94 Schiffe mit 6697 Ton. einliefen, Weinbau, Handel und (1881) 6366 Einw. O. hat wiederholt durch Erdbeben gelitten und ward 1566 von den Türken zerstört.

Ortrand, Stadt im preuß. Regierungsbezirk Merseburg, Kreis Liebenwerda, an der Pulsnitz und der Linie Kottbus-Großenhain der Preußischen Staatsbahn, hat Tuch- und Watte-, Knochenmehl- und Leimfabrikation, Metallgießerei und (1885) 1455 fast nur evang. Einwohner.

Ortsarmenverbände, s. Armenverbände.

Ortsbestimmung, die Ermittelung der Länge und Breite eines Punktes auf der Erde, geschieht durch Messung von Gestirnshöhen und deren Abständen voneinander (Monddistanzen). Dies astronomische Besteck gibt die zuverlässigsten Resultate. Daneben wendet man zur See auch die trigonometrische Berechnung der Länge und Breite aus der seit der letzten O. zurückgelegten Distanz und dem gesteuerten Kurs (Gissen) an, erhält aber weniger sichere Ergebnisse, weil es nicht möglich ist, die Fahrt des Schiffs genau zu messen und stets in gerader Linie zu steuern. In der Nähe des Landes bestimmt man die Richtungslinien von geographisch bestimmten und auf den Seekarten bezeichneten Gegenständen (Türmen, Baken, Landspitzen) und erhält durch dies Peilen um so sicherere Resultate, je mehr sich die Richtungslinien zweier Objekte im rechten Winkel treffen. Vgl. Albrecht, Formeln und Hilfstafeln für geographische Ortsbestimmungen (2. Aufl., Leipz. 1879); Jordan, Grundzüge der astronomischen Zeit- und Ortsbestimmung (Berl. 1885).

Ortsbewegungen der Tiere treten uns in ihren Hauptformen als Gehen, Schwimmen und Fliegen entgegen und sind entweder dem Lande, dem Wasser oder der Luft angepaßt. Auf dem Land erfahren die Gliedmaßen den größten Widerstand und verursachen die geringste Verschiebung; in der Luft erleiden die Flügel den geringsten Widerstand und verursachen die größte Verschiebung; das Wasser steht in Bezug auf den Widerstand, den es bietet, und auf die Verschiebung seiner Teilchen, die es erfährt, in der Mitte. Dem entsprechend sind die Werkzeuge, welche die Ortsbewegungen vermitteln, eingerichtet. Landbewohnende Tiere besitzen kleinere Bewegungsflächen als Amphibien, letztere kleinere als Fische und diese wieder kleinere als Insekten, Fledermäuse und Vögel. Die Mittel, deren sich die Tiere bei der Ortsbewegung bedienen, sind im wesentlichen dieselben, deren wir uns bei der künstlichen Fortbewegung von Lasten bedienen; es sind deshalb lauter mechanische Fragen, welche bei der Ortsbewegung in Betracht kommen, und dieselben haben Bezug auf die verschiedenen Klassen von Hebeln, die Schwerkraft, die Rolle, das Pendel, das spezifische Gewicht, den Widerstand fester, halbfester und flüssiger Körper etc. Weiteres s. unter Gehen, Laufen, Schwimmen und Fliegen.

Die Methoden zum Studium der Ortsbewegung sind in der Neuzeit sehr vervollkommt worden. Zunächst hat J. ^[Etienne Jules] Marey (s. d.) ein Verfahren gebracht, welches selbst die schnellsten Gangarten exakt und völlig unabhängig von der Individualität des Beobachters zu verfolgen gestattet. Dieses Verfahren ist ein graphisches und schildert uns die Bewegung in ihrer Abhängigkeit von der Zeit. Jede Bewegung bedarf einer bestimmten Zeit, um alle Phasen ihres Geschehens zu durchwandern. Teilt man diese Zeit in Intervalle, so wird jedem Intervall eine gewisse Intensität der Bewegung entsprechen. Ist auf einem in regelmäßige kleine Quadrate geteilten Bogen jeder Abschnitt auf der horizontalen Grundlinie ein bestimmtes kleines Zeitintervall, während jeder Abschnitt auf der Vertikalen einer gewissen Intensität der Bewegung entspricht, so kann man durch Punkte die Höhe, welche die Bewegungsintensität in jedem Zeitintervall anzeigt, bezeichnen, und man erhält dann durch Verbindung der so gewonnenen Punkte eine Kurve, welche die Abhängigkeit der Bewegung von der Zeit graphisch darstellt. Mareys graphischer Apparat stellt einen mit einem Papiermantel versehenen stehenden Cylinder dar, der durch ein Uhrwerk in gleichmäßige Rotation gebracht wird. Dem Cylinder liegen in verschiedenen Höhen vier besonders konstruierte Schreibstifte an, welche Hebel darstellen, die mittels des zur Übertragung von Bewegungen vielfach in der Physiologie benutzten Tambour enregistreur in Thätigkeit gesetzt werden. Die Vorrichtung besteht aus einem mit einer Kautschukmembran verschlossenen Kästchen, welches einen Luftbehälter bildet, der mit einem zweiten elastischen Luftbehälter mittels flexibler Kommunikationsröhren in Verbindung steht. Dieser zweite Behälter wird derartig befestigt, daß sein Inhalt durch die Bewegung des zu untersuchenden Teils komprimiert wird. Hat sich aber in diesem Behälter die Spannung der eingeschlossenen Luft vermehrt, so wird sich auch die Spannung der Kautschukmembran des ersten Behälters erhöhen, diese treibt hierbei den mittels einer Schraube genau eingestellten Schreibstift in die Höhe, und es werden die so erfolgenden Exkursionen des Stifts auf den mit gleichmäßiger Geschwindigkeit vorbeigeführten Papiermantel aufgezeichnet. Bei seinen Untersuchungen über die Ortsbewegungen des Pferdes ließ Marey einen Reiter die mit den Schreibstiften versehene Trommel tragen (vgl. Abbildung), während sich an den Enden der Extremitäten Apparate befanden, welche die Aufgabe hatten, in gegebenen Momenten den Inhalt der Röhren zu komprimieren und auf diese Weise ein Heben der Schreibfedern zu veranlassen.