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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Osservatore Romano; Osseten; Osseter; Ossett; Ossiach; Ossian

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Osservatore Romano - Ossian.

2315 Einw., eine Bierbrauerei, Wollwaren- und Hutfabrik, Brettsäge und bedeutende Braunkohlengruben. Westlich von O. die von den Hussiten zerstörte Riesenburg.

Osservatore Romano (ital., "Römischer Beobachter"), Titel der päpstlichen Staatszeitung.

Osseten, ein zum indogerman. Stamm (und zwar zur iranischen Gruppe desselben) gehörendes Volk im Kaukasus, bewohnt (1873: 110,914 Köpfe stark) verschiedene Thalschluchten und Bergwände nördlich und südlich von der Zentralkette des Gebirges, da, wo der Paß von Dariel als einzige natürliche Straße dasselbe spaltet, im N. vorzugsweise im Thal des Terek, im S. bis zu den Quellen des Rion sich ausdehnend. Westlich von Wladikawkas bewohnen sie eine Ebene, welche von der Kabarda durch eine Reihe von Bergen getrennt wird. Sie selbst nennen sich Iron (gleichbedeutend mit Iran); der Name O. stammt vom georgischen Ossethi, womit das von den Os oder Osen bewohnte Land bezeichnet wird. Über ihren Ursprung und ihre Verwandtschaft mit andern Stämmen sind viele Theorien aufgestellt worden. Nach einigen hängen sie mit den Osiliern des Ptolemäos zusammen, welche an der Mündung des Tanais (Don) ihre Sitze hatten, nach andern (Klaproth, Kohl, Koch) mit den Alanen, nach Vivien Saint-Martin mit den Asen, die nach Skandinavien auswanderten; nach noch andern sollen sie die reinsten Repräsentanten der Arier und nächste Verwandte der Germanen oder auch der Perser sein, wogegen Pfaff behauptet, daß sie mit Semiten vermischt seien. Daß vielfache Mischungen stattgefunden haben, zeigt das Auftreten brauner und schwarzer Augen und Haare unter der meist blondhaarigen und blauäugigen Bevölkerung. Doch stehen die O. ihrem Äußern nach weit hinter andern Völkern des Kaukasus zurück; namentlich sind die Frauen, auf denen alle Last der häuslichen Arbeiten ruht, meist klein und von grobem und stumpfem Gesichtsausdruck. Die Kleidung besteht in einem kurzen Hemd, mitunter Beinkleider und einem tscherkessischen Überrock von grobem Tuch. Als Fußbekleidung dienen Schuhe, die aus Bindfaden und Riemen geflochten sind, im Winter Filzstiefel; den Kopf bedeckt eine einfache Filzmütze. Sie bereiten aus Gerste ein bierähnliches Getränk, das sie aus Steinkrügen trinken. Ihre Wohnungen sind entweder aus Holz gebaut, deren Dächer mit. Steinen beschwert sind, oder in den Hochthälern steinerne Türme. Die höchsten geschätzten Bauten sind die alten 4-5 m hohen achteckigen Gräber, Sappads, die zuweilen förmliche Nekropolen bilden. Ihre Religion, die sie je nach den Verhältnissen wechselten, ist ein seltsames Gemisch von Mohammedanismus, Christentum, zu dem sie sich früher bekannten, und heidnischen Gebrauchen. Tempel und öffentlichen Gottesdienst haben sie nicht. Die Sprache der O. zeichnet sich durch altertümliche Anlage aus, indem sie sich an das Persische und andre iranische Sprachen anschließt, und zerfällt in mehrere Mundarten, von denen die von Südossetien (Dsauscher Dialekt) durch v. Rosen (Lemgo 1846) und die beiden wichtigsten von Nordossetien, die tagaurische und digorische Mundart, von Sjögren (Petersb. 1844) grammatisch behandelt worden sind. Vgl. auch Hübschmann, Etymologie und Lautlehre der ossetischen Sprache (Straßb. 1886). Die O. waren in älterer Zeit ein mächtiges Volk, welches unter Einem Oberhaupt einen großen Teil des Kaukasus und die ebenen Steppengegenden bis zum Don und zur Wolga innehatte. Batuchan trieb im 13. Jahrh. die O. aus den Ebenen der jetzigen Kabarda in das hohe Gebirge des Kaukasus, wo sie sich in den Felsenthälern anbauten. Timur besiegte die O. und setzte einen Emir über sie. Später wurden sie noch mehr aus den niedrigen Gebirgen verdrängt, besonders durch die Tscherkessen, die sich an ihrer Statt in den beiden Kabardas niederließen. Den erobernden Russen haben sie niemals irgend welchen Widerstand entgegengesetzt, obwohl sie im Besitz der wichtigsten Paßübergänge über den Kaukasus waren. Früher liebten sie es, als Söldner in den Dienst der Byzantiner, Georgier und Perser zu treten.

Osseter, Fisch s. Stör.

Ossett, Stadt in Yorkshire (England), westlich von Wakefield, hat Fabrikation von Koltern und Kunstwollwaren, Kohlengruben und (1881) 10,957 Einw.

Ossiach, Dorf in Kärnten, Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt, an dem 11 km langen, einsamen Ossiacher See, Station der Staatsbahnlinie St. Michael-Villach, mit ehemaliger, 750 gegründeter Benediktinerabtei u. (1880) 277 Einw. An der Südspitze des Sees die neuangelegte Seebadeanstalt Annenheim.

Ossian (gäl. Oisian, irisch Oissin oder Oisein), keltischer Barde des 3. Jahrh., Sohn eines Königs Fingal (Finnghal) von Alba (Hochschottland), in seinem Alter erblindet: so erscheint er in den Gedichten, die seinen Namen tragen. Die Frage nach der Echtheit dieser Gedichte ist eine sehr strittige. Richtiger müßte man nach ihrem Alter fragen, denn zwischen der Meinung, daß sie von jenem O. des 3. Jahrh. herrühren, und der Ansicht, daß sie um 1760 von ihrem Herausgeber Macpherson gemacht worden seien, liegt eine dritte Ansicht in der Mitte, nämlich daß sie im 11. Jahrh. am Hof der schottischen Könige entstanden oder wenigstens in die Form, welche der gälische Text darstellt, gebracht worden seien. Ein Blick auf die Geschichte ihres Bekanntwerdens ist hier unerläßlich. Einen gälischen Dichter O. erwähnt schon der mit keltischer Sitte und Litteratur gründlich bekannte Giraldus Cambrensis (gest. 1220); der Humanist Johnston (um 1520) sprach von größern epischen Gedichten der Gälen, und Buchanan (1582) redet ebenfalls von der Existenz solcher Gedichte. Seit der jakobitischen Erhebung gegen das Haus Hannover waren die keltischen Hochschotten für das englisch redende Publikum ein Gegenstand des Argwohns und der Verachtung geworden, ein heruntergekommenes Geschlecht; ihre Litteratur wurde völlig vergessen. Erst der Rektor Hieronymus Scone (1756) wurde auf die Schönheit gälischer Bardenpoesie aufmerksam und veröffentlicht einige Proben. Durch die Dichter und Gelehrten John Home und Hugh Blair angeregt, sammelte dann James Macpherson (s. d.) diese gälischen, den Namen Ossians tragenden Gesänge, indem er sie sich mündlich vorsagen ließ und sie niederschrieb, und um sie dem mit der schwierigen gälischen Sprache unbekannten großbritannischen Publikum zugänglich zu machen, übersetzte er sie in englische Prosa. Eine erste Probe gab er unter dem Titel: "Remains of ancient poetry, collected in the highland of Scotland and translated from the Galic or Erse language" (Edinb. 1760) heraus; 1762 ließ er das Epos "Fingal", 1763 das Epos "Tighmora" (engl. "Temora") und 1765 die Gesamtausgabe der "Works of O." folgen. Diese Gedichte erregten durch ihre eigentümliche Schönheit das größte Aufsehen und die Bewunderung eines Home, Hume, Robertson, Herder, Goethe und wurden bald in die verschiedensten Sprachen Europas übersetzt. Als