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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1463-1562).

Nach Wladislaw Posthumus' Tod hatte Friedrich III. Versuche gemacht, die Königreiche Ungarn und Böhmen an sich zu bringen. Dieselben blieben aber nicht bloß erfolglos, sondern verwickelten ihn auch in unglückliche Kriege mit den Königen Georg Podiebrad von Böhmen und Matthias Corvinus von Ungarn, und letzterer vertrieb ihn sogar 1485 aus seiner Hauptstadt Wien. Erst nach dem Tode des Matthias (1490) vertrieb des Kaisers Sohn Maximilian die Ungarn aus Österreich, zog 19. Aug. 1490 in Wien ein und drang bis nach Ungarn selbst vor, wo er nur durch die Meuterei seiner Söldnerscharen zum Rückzug gezwungen wurde. Matthias' Nachfolger, der Jagellone Wladislaw II., mußte im Frieden von Preßburg 7. Nov. 1491 dem Kaiser und dessen Haus die Nachfolge in Ungarn zusagen, falls er selbst ohne männliche Nachkommen sterben würde. Da Maximilian durch seine Heirat mit Maria von Burgund seinen Erben die burgundische Herrschaft gesichert hatte und 16. Febr. 1486 auch zum römischen König gewählt worden war, so schien sich trotz seiner eignen Unfähigkeit Friedrichs III. Traum von der Deutung der fünf Vokale A. E. I. O. U. ("Austriae Est Imperium Orbis Universi" oder "Alles Erdreich ist Österreich unterthan") zu erfüllen. Da er 1490 durch den Verzicht seines Vetters Siegmund (gest. 1496) Tirol bekommen hatte, so konnte er bei seinem Tod (19. Aug. 1493) die gesamten habsburgischen Lande, freilich meist in einem traurigen Zustand, seinem Sohn Maximilian hinterlassen.

Österreich Teil des habsburgischen Weltreichs.

Maximilian I. (1493-1519) überließ die Niederlande seinem Sohn Philipp dem Schönen, um seine ganze Thätigkeit dem Reich und seinen Erblanden zu widmen. Zwar scheiterten seine Pläne, Österreich zum Königreich zu erheben oder wenigstens für eins der Erblande die Kurwürde zu erlangen. Dagegen glückten ihm einige Gebietserwerbungen, die sein Gebiet vorteilhaft abrundeten; so fiel ihm nach dem Tode des letzten Grafen von Görz 1500 diese Grafschaft auf Grund eines Erbvertrags, den Herzog Rudolf der Stifter 5. Okt. 1361 abgeschlossen hatte, zu, und 1505 erlangte er bei der Entscheidung des Erbstreits zwischen den bayrischen Fürstenhäusern von München und Landshut auf dem Reichstag zu Köln beträchtliche bayrische Distrikte an der Tiroler Grenze, Kufstein, Kitzbühel und Rattenberg sowie das schwäbische Kirchberg und Weißenhorn. Bei der Einteilung des Reichs in Kreise 1512 wurden sämtliche habsburgischen Erblande zu einem, dem österreichischen Kreis, vereinigt, was ihre Regierung sehr erleichterte. Maximilian verstärkte die fürstliche Herrschergewalt, errichtete die obersten Verwaltungsbehörden zu Wien, Graz und Innsbruck und erließ die wichtigen Landesverordnungen oder "Libelle" und Kriminalsatzungen (Malefizordnung). Auch für Wissenschaft und Kunst sorgte er, und wie in der Blütezeit des Minnegesangs nahm Österreich einen hervorragenden Anteil an der geistigen Bewegung, die Deutschland erfüllte, dem Humanismus. Die Universität Wien, durch neue Privilegien gehoben, war eine der ersten Europas, an der die gefeierten Gelehrten wirkten; eine Gesellschaft, die "Danubische" genannt, vereinigte in Wien die Freunde des Humanismus. Hauptsächlich allerdings war die ruhelose Phantasie des geistvollen Herrschers mit der Zukunft seines Hauses beschäftigt. Durch die Heirat seines Sohns Philipp mit der Erbin des spanischen Throns, Johanna von Kastilien (1496), erwarben die Habsburger dieses Reich, welches sich gerade zu einem weltbeherrschenden Staat entwickelte. 1516 erneuerte er die Erbverträge mit dem jagellonischen König Ludwig von Ungarn und Böhmen. Diese Erfolge mochten den Kaiser dafür entschädigen, daß seine Versuche, in Oberitalien seine Macht auszubreiten und Deutschlands Kräfte der habsburgischen Hauspolitik dienstbar zu machen, nicht glückten und es ihm auch nicht gelang, seinen Enkel, König Karl von Spanien, noch bei seinen Lebzeiten zum deutschen König gewählt zu sehen. Maximilian I. starb 12. Jan. 1519.

Unter Karl V. (1519-56) bildete Österreich nur einen verhältnismäßig kleinen Teil des habsburgischen Weltreichs. Doch erhielt es eine seine Selbständigkeit wahrende Sonderstellung dadurch, daß Karl auf dem Wormser Reichstag 28. April 1521 die österreichischen Lande seinem jüngern Bruder, Ferdinand I., als erbliches Eigentum überließ, wodurch die deutsche oder österreichische Linie des habsburgischen Hauses begründet wurde. Indem Karl ferner im Januar 1531 Ferdinand zum römisch-deutschen König wählen ließ, übertrug er auch die deutsche Kaiserkrone und die herrschende Stellung in Deutschland dieser Linie seines Hauses, während er seinen direkten Nachkommen das spanisch-burgundische Erbe vorbehielt. Eine neue wichtige Machtvermehrung, aber auch schwierige Aufgaben fielen Österreich zu, als 1526 der junge König Ludwig von Ungarn bei Mohács gegen die Türken fiel, ohne Kinder zu hinterlassen, und kraft der Verträge Ungarn und Böhmen nun an den Gemahl seiner Schwester Anna, Erzherzog Ferdinand, kamen. Die böhmischen Stände bestätigten Ferdinands Erbansprüche, indem sie ihn zum König wählten. In Ungarn dagegen rief nur ein Teil der Magnaten den Habsburger zum König aus, während die Mehrzahl den Fürsten von Siebenbürgen, Johann Zápolya, zum König wählte, der sich unter türkischen Schutz stellte und 1529 nach der Eroberung von Budapest daselbst vom Sultan Soliman als Vasallenkönig eingesetzt wurde. Ferdinand blieb bloß der Königstitel und der Besitz einiger Landstriche im Westen und Norden des Reichs. Aber nicht nur diese, sondern auch seine österreichischen Lande waren nun fortwährend von den Türken bedroht, welche 1529 bis vor Wien vordrangen, allerdings 14. Okt. die Belagerung der tapfer verteidigen Stadt aufgeben mußten, aber doch das Land aufs furchtbarste verwüsteten. Als Soliman zum zweitenmal 1532 gegen Wien vorrückte, hemmte die Verteidigung von Güns durch eine kleine deutsche Besatzung das türkische Heer so lange, bis die deutschen Truppen erschienen, vor denen es zurückwich. Der erste Friedensvertrag, den darauf der Großwesir 1533 zu Konstantinopel mit Ferdinands Gesandten abschloß, sicherte diesem den Besitz der Städte und Landschaften zu, die er in Ungarn noch in Händen hatte. Während Ferdinand durch Anerbietung von Pensionen und Ehrengeschenken vergeblich die Anerkennung seiner Erbansprüche aus Ungarn von Soliman zu erwirken bemüht war, richteten die Reichsheere, welche Kurfürst Joachim von Brandenburg 1541 und 1542 nach Ungarn führte, auch nichts Entscheidendes aus. Ferdinand mußte froh sein, daß ihm 1547 gegen Zahlung einer jährlichen Pension von 30,000 Dukaten sein ungarischer Besitzstand von den Türken auf fünf Jahre zugestanden wurde. Der Grenzkrieg dauerte trotzdem fort, auch nachdem Ferdinand 1562 in einem neuen Friedensvertrag auf das 1551 für kurze Zeit erworbene Siebenbürgen verzichtet hatte.