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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Österreichisch-Ungarische Monarchie

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Österreichisch-Ungarische Monarchie (Geschichte: 1809-1815).

daß es trotz der feierlichen Versprechungen die Tiroler wieder der Fremdherrschaft preisgab.

Der Wiener Friede hatte einen völligen Umschwung in der österreichischen Politik zur Folge, der durch den Wechsel in der Staatskanzlei bezeichnet wurde: an Stadions Stelle trat 8. Okt. 1809 Metternich. Derselbe gab zunächst jeden Gedanken an einen neuen Krieg auf und stellte ein möglichst freundschaftliches Verhältnis zu Frankreich her, indem er den Kaiser bewog, 1810 seine Tochter Marie Luise Napoleon zur Gemahlin zu geben. Österreich bedurfte dringend des Friedens, vor allem der zerrütteten Finanzen wegen. Die Schulden hatten sich unter Joseph nicht vermindert und beliefen sich bei seinem Tod auf 399, 1802 aber schon auf 680 Mill. Da die gewöhnlichen und Zwangsanleihen erschöpft waren, hatte man zu Lotterieanleihen gegriffen und hierdurch wie durch die englischen Subsidien und Anleihen sich die ersten zehn Kriegsjahre hindurchgeholfen; da erließ der neue Finanzminister, Graf Zichy, 1802 das Verbot der Geldausfuhr, fing die Prägung von geringhaltiger Silber- und Kupferscheidemünze an und sah sich endlich gedrängt, durch eine Verfügung vom 25. März 1807 Kupfermünzen im Wert von 1600 Guld. vom Zentner prägen zu lassen. Daneben waren in immer kleiner werdenden Zwischenräumen neue Bankozettel emittiert, die Emission aber wenigstens noch angekündigt worden. Selbst davon ging man 1788 ab, wiederholte den Versuch 1794 und 1796 und führte, da sich das Volk gegen die Annahme zu sträuben anfing, 7. April 1799 den Zwangskurs ein. So waren die ursprünglich angegebenen 12 Mill. 1806 bis auf 250 Mill. aufgelaufen; jetzt fing man an, an die Tilgung derselben zu denken. Eine Zwangsanleihe von 75 Mill., mit welcher die Tilgung angefangen werden sollte, wurde von den Kosten der Rüstung verschlungen, welche die Aufstellung einer Neutralitätsarmee 1806 erforderte. 1807 wurden die Bankozettel bis fast auf eine halbe Milliarde vermehrt bei einer Staatsschuld von über 700 Mill. und einem Defizit von 66 Mill. Eine Erhöhung der Bankozettel auf 729 Mill. hatte der Krieg von 1809 zur Folge, nach dessen Beendigung 19. Dez. 1809 das bekannte Silberpatent des Finanzministers O'Donnell erschien, durch welches alles für entbehrlich geltende Silber gegen Anteilscheine oder Bankozettel vom Staat eingezogen wurde. Nachdem die hierdurch gewonnenen Summen von der an Napoleon zu zahlenden Kriegsentschädigung verschlungen worden waren, sollten mit Hinweisung auf die liegenden Güter des Klerus und das unbewegliche Stammvermögen des Staats Einlösungsscheine angefertigt und im Kurs von 100 zu 300 gegen Bankozettel eingewechselt werden. Der Erfolg aber wurde vereitelt durch das allgemeine Mißtrauen, welches besonders dadurch hervorgerufen wurde, daß die Regierung die Summe der Einlösungsscheine nicht fixiert hatte. Die Anarchie in Handel und Wandel, die durch das fortwährende Sinken des Werts der Bankozettel entstand, bewog den Finanzminister Grafen Joseph Wallis (seit 15. Juli 1810) einen Hauptschlag zu führen mit dem Erlaß des Patents vom 20. Febr. 1811, welches 15. März in allen Provinzen zu derselben Stunde bekannt gemacht wurde; in Ungarn wurde es trotz des Widerspruchs des Reichstags 1. Sept. 1812 als Provisorium eingeführt. Das Volk erfuhr durch dies Patent, daß 1060 Mill. Bankozettel umliefen, daß dieselben auf den fünften Teil des Nennwerts (212 Mill.) herabgesetzt und, da es unmöglich sei, auch diese verminderte Summe in Metallgeld auszuzahlen, gegen neue Einlösungsscheine umgetauscht werden sollten, die fortan allein als Papiergeld gelten sollten. Zugleich gelobte die Regierung, nicht mehr als 212 Mill. Einlösungsscheine auszugeben. Da diese Summe aber für das Bedürfnis nicht ausreichte und neue Rüstungen neue Kosten verursachten, mußte man sich doch zur Ausgabe von neuem Papiergeld entschließen, das man Antizipationsscheine nannte, welche den künftigen Ertrag der Steuern vorwegnahmen, und die durch das Finanzpatent vom 16. April 1813 im Betrag von 45 Mill. ausgegeben wurden, welche Summe im Verlauf von drei Jahren heimlich um fast das Zehnfache vermehrt wurde.

1812 war Österreich Napoleons Bundesgenosse, und ein österreichisches Hilfskorps von 30,000 Mann unter Schwarzenberg bildete den rechten Flügel der Großen Armee im russischen Feldzug. Die Katastrophe von 1812 gab dem Wiener Kabinett seine Unabhängigkeit zurück, ja der Ausbruch des Kriegs in Deutschland (s. Deutscher Befreiungskrieg) 1813 und der für die Verbündeten, Rußland und Preußen, anfangs ungünstige Verlauf desselben verschaffen Österreich eine ausschlaggebend Stellung, die Metternich mit großem Geschick zu verwerten wußte. Nachdem Napoleon Metternichs Anerbietungen abgelehnt, schloß sich Österreich den Verbündeten an und erklärte 12. Aug. an Frankreich den Krieg. Es spielte fortan sowohl bei der Führung des Kriegs, dessen oberste Leitung dem Fürsten Schwarzenberg übertragen wurde, als bei den Unterhandlungen eine bedeutende Rolle, obwohl die Leistungen weder der österreichischen Generale noch der Truppen bedeutend waren und sich mit denen der Preußen nicht vergleichen ließen. Der patriotische Aufschwung, der 1809 zu bemerken gewesen, war 1813 völlig erloschen. Für Österreich war der Krieg von 1813 bis 1814 kein Volkskrieg, sondern nur ein Kabinettskrieg. Aber Metternich wußte die Lage der Dinge zum Vorteil des Hauses Österreich vortrefflich auszubeuten. Der Kongreß, der die europäischen Verhältnisse neu regeln sollte, fand 1814-1815 in Wien statt (s. Wiener Kongreß), und durch ein geschicktes Ränkespiel erreichte Metternich alles, was er erstrebt hatte. Österreich wurde nicht nur in seinen alten Grenzen hergestellt, sondern erhielt auch noch einen Gebietszuwachs, so daß es 670,000 qkm zählte. Belgien und der Breisgau wurden abgetreten, dagegen in Italien das Lombardisch-Venezianische Königreich erworben, Galizien zum größern Teil behauptet. In Italien hatte es durch seinen Besitz und durch die Verträge mit den Dynastien der übrigen italienischen Staaten, von denen die von Toscana und Modena dem Haus Habsburg-Lothringen angehörten, die herrschende Stellung. In Deutschland beanspruchte es eine solche scheinbar nicht, hatte den Rheinbundstaaten sofort Integrität ihres Gebiets und ihrer Souveränität garantiert und zeigte keine Lust, die Kaiserkrone wieder anzunehmen. Es begnügte sich mit dem Präsidium des deutschen Bundestags, welches ihm durch die Bundesakte vom 8. Juni 1815 zugesprochen wurde. Dasselbe genügte, um jede andre Macht, besonders Preußen, an der Erringung einer herrschenden Stellung in Deutschland zu hindern und indirekt die deutschen Mittel- und Kleinstaaten sich dienstbar zu machen.

Die Herrschaft des Metternichschen Systems.

Die europäische Machtstellung, die Österreich auf dem Wiener Kongreß erlangt hatte, nicht nur unvermindert zu behaupten, sondern noch zu erhöhen, war das Ziel der Politik Metternichs, der als Staatskanzler bis 1848 an der Spitze der österreichischen