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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pairsschub; Pais; Paisiello; Paisley

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Pairsschub - Paisley.

namentlich für die Lehnsgerichte streng daran festgehalten, daß nur Standesgleiche (Pares curiae) den Standesgenossen richteten. Die dem Thron zunächst stehenden Kronvasallen (Pares regni) aber bildeten die engste und höchste Rechtsgenossenschaft. Während nun in Deutschland aus dem ursprünglichen Vasallentum der Großen des Reichs sich mit der Zeit die Landeshoheit der deutschen Reichsfürsten entwickelte, verblieb der englische hohe Adel, welcher sich teils aus angelsächsischen, teils aus normännischen Elementen zusammensetzte, der Krone gegenüber in dem Unterthanenverhältnis. Dafür erlangten aber die Barone als die Ratgeber der Könige wesentliche politische Vorrechte, welche sie auf den Reichstagen geltend machten, aus welch letztern das englische Parlament hervorging. Die dem König Johann ohne Land von dem siegreichen Adel abgerungene Magna charta von 1215, welche bis auf den heutigen Tag die Grundlage der englischen Verfassung bildet, hatte nicht umsonst bestimmt, daß nur mit Zustimmung des Adels neue Steuern erhoben werden dürften, und daß die Erzbischöfe, Bischöfe, Äbte, die Grafen und die großen Barone persönlich durch königliche Briefe zu dem Parlament geladen, während alle übrigen Vasallen des Königs durch dessen Beamte dazu insgesamt berufen werden sollten. Aus den letztern ging das spätere Unterhaus hervor, während sich aus den erstern Elementen das jetzige Oberhaus entwickelte (s. Großbritannien, S. 776). Übrigens kommen den englischen Peers, welche die Erbstände des Reichs bilden, deren Würde aber auch von der Krone verliehen werden kann, außer dem Rechte der Mitgliedschaft im Oberhaus noch verschiedene sonstige Vorrechte von hoher Bedeutung zu (s. Adel, S. 110 f.). In Frankreich wurden im Mittelalter zwölf Große des Reichs P. (Pairs de France) genannt, nämlich außer dem König selbst die Herzöge von Burgund, Aquitanien und von der Normandie, die Grafen von Flandern, Toulouse und Champagne und fünf geistliche Herren (der Erzbischof von Reims und die Bischöfe von Beauvais, Châlons, Laon und Noyon). Die P. trugen bei den Krönungsfeierlichkeiten die Insignien der königlichen Gewalt; sie hatten jederzeit Zutritt zu dem König, auch Sitz und Stimme in dem Parlament, d. h. dem königlichen Gerichtshof zu Paris, vor welchem sie auch allein zur Rechenschaft gezogen werden konnten. Später wurde die Zahl der P. erheblich vermehrt, namentlich durch Verleihung der Pairswürde an Prinzen des königlichen Hauses und an sonstige Große des Reichs, ohne daß jedoch diese Pairie eigentliche politische Vorrechte hatte. Die Revolution von 1789, bei deren Ausbruch es 38 weltliche P. gab, die zumeist den Herzogstitel führten, zerstörte wie den französischen Adel überhaupt, so namentlich die Pairie. Allerdings schuf nachmals die Charte constitutionelle vom 4. Juni 1814 eine Pairskammer, welche, abgesehen von der Teilnahme an der Gesetzgebung, zugleich der Gerichtshof für etwanige Vergehen der Minister und für Staatsverbrechen sein sollte. Allein dieselbe konnte bei der Armut und dem geringen Ansehen des Adels zu wirklichem Ansehen und zu wesentlicher politischer Bedeutung und Wirksamkeit nicht gelangen, zumal da die Krone von ihrem Recht zur Ernennung der P. den ausgiebigsten Gebrauch machte und sich durch wiederholten Pairsschub, d. h. eine massenweise Ernennung gefügiger P., die Möglichkeit der Beeinflussung sicherte. Die Februarrevolution von 1848 beseitigte dieses Institut, an dessen Stelle alsdann der Senat trat. Die gegenwärtig französische Republik hat zwar in dem Senat eine Erste Kammer beibehalten, ohne jedoch die Mitgliedschaft mit dem Grundbesitz zu verbinden und die alte Pairswürde wieder aufleben zu lassen. Dagegen wird zuweilen in Deutschland, ebenso wie in Österreich, der Ausdruck P. zur Bezeichnung derjenigen Mitglieder der Ersten Kammern gebraucht, welche entweder von der Krone ernannt werden, oder, wie die deutschen Standesherren, mit dem Besitz gewisser Güter auch das Recht der Mitgliedschaft in der Ersten Kammer (Herrenhaus) haben.

Pairsschub, die gleichzeitige Ernennung einer größern Anzahl von Pairs (s. d.), oder von Mitgliedern der Ersten Kammer, um dadurch eine der Regierung günstige Majorität in der letztern zu erzielen.

Pais, die langen Hängelocken der orientalische Juden.

Paisiello, Giovanni, ital. Komponist, geb. 9. Mai 1741 zu Tarent (Taranto), machte, zum Studium der Rechtswissenschaft bestimmt, die Vorstudien im Jesuitenkollegium daselbst, trat aber in seinem 13. Jahr in das Konservatorium Sant' Onofrio zu Neapel, wo er sich unter Leitung Durantes zum Musiker ausbildete. Nachdem er 1763 in der genannten Anstalt ein dramatische Intermezzo zur Aufführung gebracht und bald darauf in Bologna mit der komischen Oper "La pupilla" in die Öffentlichkeit getreten war, begann er eine so fruchtbare Thätigkeit als Opernkomponist zu entfalten, daß er in wenigen Jahren außer Piccini keinen Nebenbuhler in Europa hatte. 1776 folgte er einem Ruf als Kapellmeister nach Petersburg, wo er neun Jahre blieb. Während seiner Rückreise schrieb er auf den Wunsch des Königs von Polen in Warschau ein Tedeum und das Oratorium "La passione di Gesù Cristo" sowie zu Wien im Auftrag Josephs II. zwölf Symphonien (Ouvertüren) und die Oper "Il rè Teodoro in Venezia". Nach Italien zurückgekehrt, ließ er sich in Neapel nieder und leitete die Kapelle König Ferdinands IV. bis 1802, wo er, teils durch die politischen Verhältnisse veranlaßt, teils infolge einer Aufforderung Napoleons, der ihn schon fünf Jahre zuvor für eine in Konkurrenz mit Cherubini komponierte "Trauerkantate zur Gedächtnisfeier des Generals Hoche" ausgezeichnet hatte, nach Paris übersiedelte. Da jedoch seine Opern hier wenig Anklang fanden, so wendete er sich, nachdem er eine Menge von Kirchenmusiken für die Kapelle des Ersten Konsuls geschrieben, wieder nach Neapel, wo er zwar anfangs unter günstigen Verhältnissen (als Direktor des nach französischem Muster an Stelle der frühern Musikschulen eingerichteten Konservatoriums und der königlichen Kapelle) lebte, nach der Rückkehr der Bourbonen aber seine Anhänglichkeit an das Haus Bonaparte durch den Verlust aller Nebeneinkünfte büßen mußte und endlich 5. Juni 1816 in dürftigen Verhältnissen starb. Von seinen 94 Opern, welche den Melodienzauber und die dramatische Schlagkraft der neapolitanischen Schule in reichem Maß offenbaren, haben sich am längsten in der Gunst des Publikums erhalten: "La molinara" ("Die schöne Müllerin") und "Der Barbier von Sevilla", welcher unter anderm in Rom so beliebt war, daß man es Rossini als Anmaßung auslegte, als er dort 1816 mit seiner Komposition derselben Dichtung auftrat.

Paisley (spr. pasli), Fabrikstadt in Renfrewshire (Schottland), am schiffbaren Cart, 5 km oberhalb dessen Mündung in den Clyde und 10 km westlich von Glasgow, mit dem es durch Kanal verbunden ist. Bemerkenswert sind die Ruinen der 1163 von Walter Fitz-Alan, dem Ahnen der Stuarts, gegründeten Abteikirche. Die Bewohner (1881: 55,638) beschäf-^[folgende Seite]