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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Papst

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Papst (Geschichte des Papsttums bis 604).

Erwerb. Endlich begünstigten die politischen sowie die kirchlichen Zerwürfnisse im spätern Römerreich die Erhöhung Roms. Die morgenländischen Prälaten waren untereinander durch Eifersucht und Jahrhunderte währenden Ketzerstreit entzweit. In solchen Fehden gab der römische Bischof als mächtiger Alliierter oder als Schiedsrichter oft die Entscheidung.

Die Geschichte des Papsttums läßt sich in acht Perioden zerlegen. Die erste Periode umfaßt die drei ersten Jahrhunderte der Kirche. Hier ist die Succession bis in die Hälfte des 2. Jahrh. nicht mehr ganz bestimmt zu ermitteln. Die Papstkataloge gehen von dem angeblichen Primat des Apostels Petrus aus, schwanken dann in der Reihenfolge der drei Namen Linus, Anacletus (Anencletus oder Cletus) und Clemens I. und zählen dann folgendermaßen weiter:

^[Liste]

Euaristus (bis 109),

Alexander I. (bis 119),

Sixtus (bis 128),

Telesphorus (bis 139),

Hyginus (bis 142),

Pius I. (bis 157),

Anicetus (bis 168),

Soter (bis 176),

Eleutherus (bis 190),

Viktor I. (bis 202),

Zephyrinus (bis 218),

Calixtus I. (bis 223),

Urban I. (bis 230),

Pontianus (bis 235),

Anterius (bis 236),

Fabianus (bis 250),

Cornelius (251-252),

Lucius I. (bis 253),

Stephan I. (bis 257),

Sixtus II. (bis 258),

Dionysius (bis 269),

Felix I. (bis 274),

Eutychianus (275-283),

Cajus (bis 296),

Marcellinus (bis 304),

Marcellus I. (bis 310),

Eusebius (April bis Sept. 310),

Melchiades (311-314).

Vgl. hierüber Lipsius, Chronologie der römischen Bischöfe (Kiel 1869). Im ganzen windet sich die Geschichte der römischen Bischöfe ziemlich dürftig durch diese Jahrhunderte des Druckes; indes erhoben doch einige unter ihnen, wie namentlich Viktor I., schon jetzt mit mehr oder minder Glück Ansprüche auf einen kirchlichen Primat, und die zentrale Bedeutung Roms ward schon von Irenäus im Abendland anerkannt.

Die zweite Periode begreift die drei folgenden Jahrhunderte (300-600), von Silvester I. bis Gregor I.; sie ist die Zeit der weitern Durchbildung der hierarchischen Ideen und ihrer praktischen Verwirklichung in einem großen Teil des Römerreichs und bei mehreren germanischen Völkern. Wie der Übertritt des kaiserlichen Weltbeherrschers zur christlichen Kirche, so kam auch die gleichzeitige Verlegung der kaiserlichen Residenz nach Konstantinopel dem römischen Patriarchen sehr zu statten, indem sie ihn aus der dem Aufblühen seiner Macht nicht günstigen Atmosphäre der Hofluft befreite. Rom blieb doch in den Augen der Völker die erste Stadt der Welt und ihr Patriarch demnach der erste Bischof der Christenheit, wenngleich die Konzile von Konstantinopel (381) und Chalcedon (451) den Patriarchen von Konstantinopel dem römischen unmittelbar zur Seite stellten. Allerdings aber waren und blieben die römischen Bischöfe trotz mancher Privilegien, womit sie von den ersten christlichen Kaisern ausgestattet wurden, durchaus deren Unterthanen. Dagegen bezeichnete es einen Fortschritt in der kirchlichen Machtstellung der römischen Bischöfe, als Julius I. auf der Athanasianischen Parteisynode zu Sardica 343 von dem Präsidenten derselben, Bischof Hosius von Corduba, als Schiedsrichter in Sachen appellierender Bischöfe proklamiert wurde. Bald war das Urteil des römischen Bischofs auch in Glaubensstreitigkeiten kaum mehr zu umgehen. Unter den römischen Bischöfen finden wir keine spekulativen Köpfe, selbst nur wenige Gelehrte; desto mehr praktischen Takt und strenge Konsequenz besaßen sie. Rom kehrte sich nie an Theorien, sondern hielt sich an das Bewährte, Sichere; was auf einer allgemeinen Synode entschieden war, das war für Rom fast ausnahmslos Glaubensnorm, und es hatte dabei fast immer den Ruhm der Orthodoxie für sich. Bei dem Eindringen der germanischen Stämme wußte der römische Bischof das ganze Gewicht geltend zu machen, wodurch jemals geistliche Würde der Unkultur imponiert hat. Attilas Abzug von Rom, durch Leos d. Gr. Zureden bewirkt, galt bald als Wunderbeweis für die päpstliche Macht. Den Goten gegenüber schloß sich das italienische Volk nur noch enger an den einheimischen Machthaber an, der am sichersten gegen die fremden, dazu arianischen Eroberer Schutz verhieß. Eine Einbuße an Ansehen erlitt der römische Stuhl erst infolge der Unterwerfung Italiens unter die oströmische Herrschaft durch Belisar, so daß zu Ende des 6. Jahrh. der P. seiner politischen Bedeutung nach in der That nur Vasall des griechischen Kaisers und seines Stellvertreters, des Exarchen zu Ravenna, war. Mehr als einmal haben byzantinische Kaiser, wie Justinian, über römische Bischöfe Gericht gehalten, Absetzungsurteile, Verbannungen und andre Strafen ausgesprochen. Trotzdem blieb man im Abendland daran gewöhnt, von Rom aus den ersten Rang in Anspruch nehmen zu hören; schon ein Dekret Valentinians III. vom Jahr 445 hatte den dortigen Bischof für die letzte Instanz der Bischöfe erklärt und ihm den unbedingten Primat zuerkannt. Ließ sich derselbe auch noch lange nicht faktisch durchführen, erhoben namentlich auch unter den abendländischen Bischofsitzen die wichtigsten, wie Mailand, Ravenna, Aquileja, von Zeit zu Zeit gegen die Einmischung des Papstes in ihre Angelegenheiten Protest, so überzeugte man sich doch immer allgemeiner davon, daß, wenn die Kirche eine Einheit bilden solle, das dieselbe repräsentierende Oberhaupt in Rom residieren müsse (s. Hierarchie). Manche Einzelheiten der Praxis verraten, zu welcher Bedeutsamkeit der apostolische Stuhl in dieser Periode nach und nach gelangte. So drückt die Anstellung von Vikaren des römischen Bischofs in entlegenen Ländern die Idee aus, daß dort, wohin das päpstliche Auge selbst nicht blicken könne, ein Vertreter dafür gehalten werden müsse. Ebenso wurde es jetzt schon als notwendig angesehen, das bischöfliche Pallium von Rom zu holen. Die Päpste der zweiten Periode umfassen die folgenden 33 Namen:

^[Liste]

Silvester I. (314-335),

Markus (Jan. bis Okt. 336),

Julius I. (bis 352),

Felix II. (bis 358),

Liberius (bis 366),

Damasus (bis 384),

Siricius (bis 398),

Anastasius I. (bis 402),

Innocenz I. (bis 417),

Zosimus (bis 418),

Bonifacius I. (bis 422),

Cölestin I. (bis 432),

Sixtus III. (bis 440),

Leo I. (bis 461),

Hilarius (bis 468),

Simplicius (bis 483),

Felix III. (bis 492),

Gelasius I. (bis 496),

Anastasius II. (bis 498),

Symmachus (bis 514),

Hormisdas (bis 523),

Johann I. (bis 526),

Felix IV. (bis 530),

Bonifacius II. (bis 532),

Johann II. (bis 535),

Agapetus (bis 536),

Sylverius (bis 537),

Vigilius (bis 555),

Pelagius I. (bis 560),

Johann III. (bis 573),

Benedikt I. (bis 578),

Pelagius II. (bis 590),

Gregor I. (bis 604).

Die beiden bedeutendsten Päpste in dieser Reihe sind unstreitig Leo I. (s. d.) und Gregor I. (s. d.), welche beide das Prädikat "der Große" erhalten haben. Beide übersahen mit scharfem Blick ihre Zeiten und redeten gleichsam im Vorgefühl der künftigen Papstwürde. Bezeichnend für die Praxis des christlichen Rom, welches sich als direkte Nachfolgerin der heidnischen Weltherrscherin faßte, ist, daß beide auch den Titel Pontifex maximus oder Summus pontifex