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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Paraguay

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Paraguay (Landwirtschaft, Industrie, Handel, staatliche Verhältnisse; Geschichte).

bündeten aufs glänzendste bewährt. Die zivilisierten Indianer sind fast alle Guarani, und die Guaranisprache wurde noch bis in die jüngste Zeit ganz allgemein gesprochen. Die "wilden" Indianer im Chaco gehören zu den Stämmen der Lengua, Toba, Enimanga und Guaycuru. Sie sind kühne Reiter und ziehen Jagd und Raub der Viehzucht und dem Landbau vor. Auch im N. des eigentlichen P. leben noch wilde Indianer, nämlich die aus dem Chaco eingewanderten Mbaya und Guana. Die Zahl der Neger und Mulatten (die Kinder von Sklaven wurden bereits 1843 für frei erklärt) war nie bedeutend. Die in neuerer Zeit gemachten Versuche, europäische Kolonisten ins Land zu ziehen, haben keinen sonderlichen Erfolg gehabt (s. San Bernardino). Die Bildungsanstalten beschränken sich auf eine höhere Schule (Colegio) zu Asuncion und auf (1885) 149 Schulen mit 5100 Schülern.

[Erwerbszweige.] Landbau und Viehzucht bilden die Hauptbeschäftigung. Im J. 1881 waren etwa 162,800 Hektar angebaut, vornehmlich mit Mais, dem Hauptnahrungsmittel, ferner mit Maniok und Bataten, Mani (einer Ölfrucht), Zuckerrohr, Weizen, Reis, Kürbissen, Melonen und Wassermelonen. Auch viel Tabak wird gebaut sowie Baumwolle. Eins der wichtigsten Produkte ist das Yerba-Maté (Paraguaythee, s. Ilex), und die Yerbales oder Wälder, in denen er vorkommt, sollen sich über 1¼ Mill. Hektar erstrecken. Die Yerbales des Südens werden verpachtet gegen Abgabe von 1 Peso per Tonne; im N. aber steht die Ausbeute jedermann frei, der einen Erlaubnisschein von der Regierung löste. Der Feldbau wird noch in der primitivsten Weise getrieben, und weder von Fruchtwechsel noch Dünger ist die Rede. Der Viehzucht thun Überschwemmungen und Insekten viel Eintrag, doch schätzte man die Zahl der Rinder 1886 auf 634,606 Stück. Die Pferde (62,286) sind gut und haben Form und Naturell ihrer andalusischen Voreltern wohl erhalten. Von Bergbau kann kaum die Rede sein, doch wird bei Ibicuy etwas Eisen gewonnen, und Kupfer und Gold sind gefunden worden. Die Industrie liefert mancherlei Baumwollgewebe, Ponchos, Mantas, Pferdedecken, Leder und Sattlerarbeiten; auch gibt es einige Zuckermühlen, Zigarrenfabriken, Seifensiedereien und Ziegelbrennereien.

Der Handel ist in Hinsicht auf die Hilfsquellen des Landes noch wenig entwickelt, und bei den hohen Zöllen kann das kaum wundernehmen. Die Ausfuhr (1881: 1,928,545, 1886: 1,571,000 Pesos) besteht vorwiegend aus Yerba-Maté und Tabak, ferner aus Zigarren, Orangen, Häuten, Maniokmehl, Orangenblütenessenz, Holz, Leder etc., während bei der Einfuhr (1881: 1,204,465, 1886: 1,621,000 Pesos) Textilstoffe vorwiegen. Drei Viertel der Einfuhr kommen aus England. Im J. 1882 liefen 696 Schiffe von 104,819 Ton. Gehalt von paraguayischen Häfen aus. Die einzige Eisenbahn (72 km lang) verbindet Asuncion mit Villarica. P. ist seit 1881 auch Mitglied des Weltpostvereins, und 1886 beförderten seine Postanstalten 304,617 Gegenstände.

[Staatliche Verhältnisse.] Die jetzige Verfassung wurde nach dem Tode des Diktators Lopez 25. Nov. 1870 proklamiert. Sie legte die gesetzgebende Gewalt in die Hände eines Kongresses, die vollziehende in die eines auf vier Jahre gewählten Präsidenten, dem ein Vizepräsident und fünf verantwortliche Minister zur Seite stehen. Der Kongreß besteht aus einem Senat und aus einem doppelt so zahlreichen Abgeordnetenhaus, beide vom Volke gewählt. Der Präsident bezieht einen Gehalt von 6000 Pesos, die Minister von 1600 und die Kongreßmitglieder von 500 Pesos. Staatskirche ist die römisch-katholische, aber allen andern Konfessionen ist die freie Ausübung ihrer Religion gestattet. Hauptstadt und Sitz des obersten Gerichtshofs ist Asuncion (s. d.). Für die innere Verwaltung bestehen 23 Partidos. Bis zum Ausbruch des unglücklichen Kriegs mit den Nachbarstaaten waren die Finanzen in geordnetem Zustand, aber 1871 machte P. die erste auswärtige Anleihe im Betrag von 1 Mill. Pfd. Sterl. und gleich im folgenden Jahr eine zweite von 2 Mill. Pfd. Sterl. Auf diese Anleihen, von denen indes nur ein kleiner Teil wirklich in die Staatskasse floß, sind seit 1874 keine Zinsen gezahlt worden. Außerdem aber verpflichtete sich P., den verbündeten Staaten Brasilien, Argentinien und Uruguay eine Kriegsentschädigung von 236 Mill. Pesos zu zahlen. Indes ist bis 4886 die innere Schuld durch Verkauf von Staatsländereien etc. auf 331,730 Pesos reduziert worden, und die englischen Gläubiger begnügen sich infolge eines im Dezember 1885 getroffenen Übereinkommen mit 4,250,000 Pesos. Abgesehen von dieser Schuldenlast, sind die Finanzen jetzt wieder in geordnetem Zustand, indem die Einnahmen 1886-87: 873,241 Pesos betrugen, die Ausgaben nur 823,580 Pesos. Zölle und die Pacht für Yerbales liefern den Hauptertrag der Einnahmen. Im Krieg mit den verbündeten südamerikanischen Staaten stellte P. eine Armee von 60,000 Mann ins Feld. Jetzt beschränkt sich die bewaffnete Macht auf 57 Offiziere und 550 Mann, im Kriegsfall aber kann die Nationalgarde aufgeboten werden. - Das Wappen besteht aus einem weißen Schild mit goldenem Horn, umgeben von einem Lorbeer- und einem Palmenzweig und mit der Devise: "República del Paraguay - Paz y justicia". Die Flagge besteht aus drei horizontalen Streifen (blau, weiß, blau) mit einem Löwen und dem Wappen auf dem weißen Streifen (s. Tafel "Flaggen I").

Geschichte.

P. wurde durch die Spanier unter Don Juan Diaz de Solis entdeckt, der 1515 die Mündung des La Plata-Stroms erreichte, aber hier durch die Eingebornen seinen Tod fand. Die weitere Verfolgung seiner Entdeckung geschah 1525 durch Diego Garcia, sodann durch Sebastian Caboto (Cabot). Juan de Ayolas gründete 15. Aug. 1536 Asuncion und drang mit 200 Spaniern zu Lande bis nach Peru vor; wurde aber auf seiner Rückkehr am Paraguay mit seiner ganzen Mannschaft von den Indianern erschlagen. Asuncion ward nun der Mittelpunkt für die ganze fernere Kolonisation. Zur Zeit der Eroberung dieses Teils von Südamerika begriff man unter dem Namen P. auch einen Teil des spätern Vizekönigreichs Rio de La Plata und selbst einige Provinzen Brasiliens, welch letztere mit dem Namen des portugiesischen P. bezeichnet wurden. Der erste Generalkapitän von P. war Alvaro Nuñez Cabeza de Vaca (1542-44). Während der trefflichen Verwaltung des Hernandez Arias de Saavedra (um 1608) erschienen die ersten Jesuiten in P. Dieselben erwarben sich bald das Vertrauen der Indianer und unterrichteten dieselben im Ackerbau, in Handwerken und Viehzucht. Ihr Bestreben, die Bedrückungen und Willkürlichkeiten zu verhindern, welche das System der Encomiendas trotz aller Verordnungen zu gunsten der Eingebornen stets mit sich führte, hatte Reibungen mit den Besitzern jener Ländereien, den Gebietern der leibeignen Indianer, den Encomenderos, zur Folge, und mehrere Missionäre wurden verjagt. Philipp III. erließ zwar ein Dekret zu gunsten der