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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Periklīn; Periklitieren; Perikōpen

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Periklin - Perikopen.

welcher allein das Volk zur größten Macht und zur höchsten Blüte seiner geistigen und sittlichen Entwickelung gelangen könne. Die notwendige einheitliche Leitung des Staatswesens, welche eine Volksversammlung nicht ausüben konnte, sollte den Männern zufallen, welche sich durch ihre geistige Überlegenheit und durch Thatkraft zu Führern desselben emporgeschwungen hatten und diese bevorzugte Stellung durch hervorragende Leistungen behaupteten und rechtfertigten. P. verband sich daher mit andern Parteiführern, um die reine Demokratie in Athen zu verwirklichen. Er unterstützte des Ephialtes Antrag auf Beschränkung der Macht des Areopags und ermöglichte durch Einführung des Krieger- und Richtersoldes, durch Geldspenden, Fürsorge für wohlfeile Lebensmittel, öffentliche Speisungen u. dgl. dem ärmern Teil des Volkes ein behaglicheres Leben und volle Beteiligung an den Staatsgeschäften. In der auswärtigen Politik strebte er nach der Hegemonie Athens über ganz Griechenland. Deshalb trat er gegen den Sparta geneigten Kimon auf, bewirkte 460 v. Chr. dessen Verbannung und verstärkte Athens Herrschaft über den Seebund durch Verlegung der Bundeskasse nach Athen und Erhöhung des Tributs. Er nahm daher auch 457 den Kampf mit Sparta auf und focht selbst bei Tanagra mit, schlug 454 die Sikyonier, verhinderte jedoch, daß Athen sich vorzeitig in dem Kampf erschöpfte, und beantragte Kimons Zurückberufung, damit dieser einen Frieden mit Sparta zu stande bringe. Ebenso machte er 445 dem von neuem ausgebrochenen und mit der Niederlage von Koroneia unglücklich begonnenen Krieg mit Sparta durch den 30jährigen sogen. Perikleischen Frieden ein Ende, in welchem er zeitweilig auf die Hegemonie Athens zu Lande verzichtete, um die Seeherrschaft desto mehr zu befestigen. Nach Kimons Tod (449) und des Thukydides, des Führers der Konservativen, Verbannung (444) erreichte P. sein Ziel, die höchste Leitung des Staats bei völlig entwickelter Volksherrschaft ohne Gewalt und Verfassungsbruch nur durch die Macht seines Geistes zu besitzen, und behauptete sich in dieser Stellung 15 Jahre lang, bis zu seinem Tod. Meist bekleidete er das mit außerordentlichen Vollmachten ausgerüstete Amt eines Strategen, ferner das eines Finanzvorstehers und eines Vorstehers der öffentlichen Bauten; die Wahlen zu den übrigen einflußreichen Ämtern lenkte er nach seinem Wunsch. Durch die einfachste, nüchternste Lebensweise und unermüdliche Arbeit und Selbstverleugnung hielt er den Neid und die Mißgunst der Mitbürger fern. Die öffentlichen Gelder verwaltete er auf das gewissenhafteste und war ebenso uneigennützig wie unbestechlich. In den Volksversammlungen trat er nicht oft als Redner auf und redete kurz und klar. Er schmeichelte dem Volk nicht, wußte es aber zu überzeugen, in seinen edlen Gesinnungen und Gefühlen zu bestärken und es für eine würdige, vernünftige Politik zu gewinnen. Die Seeherrschaft wurde durch Unterhaltung einer starken Flotte und strengere Unterordnung der Bundesgenossen befestigt; Samos, das sich empörte, unterwarf P. selbst mit erfolgreicher Energie (440-439). Wissenschaft und Kunst wurden befördert und zu solcher Blüte gebracht, daß Athen der geistige Mittelpunkt des ganzen Hellenenvolkes wurde und das Perikleische Zeitalter die höchste Entwickelung der griechischen Kultur bezeichnete. Vor allem hat sich P. durch die unter seiner Leitung vollendeten herrlichen Werke des Pheidias, Iktinos und Mnesikles (das Odeon, der Parthenon und die Propyläen) ein ewiges Andenken gestiftet. Zwar hatte P. auch in Athen viele Widersacher, welche ihre Angriffe, weil P. selbst zu hoch in der Gunst des Volkes stand, das ihm sogar die Auszeichnung eines Olivenkranzes verliehen hatte, gegen seine Umgebung, Pheidias, Anaxagoras und Aspasia, richteten. Der erstere starb im Gefängnis, Anaxagoras verließ Athen, und seine Freundin Aspasia rettete P. nur durch Bitten und Thränen. 431 wurde sogar gegen ihn selbst eine allerdings erfolglose Anklage wegen Unterschlagung öffentlicher Gelder gerichtet. Als nun auf Anstiften der neidischen Korinther 432 die Spartaner beschlossen, gegen Athens wachsende Macht einschreiten, nahm er den Kampf an im Bewußtsein, ihn siegreich durchführen zu können, und traf alle Vorkehrungen gegen den feindlichen Angriff mit kluger Vorsicht. 430 unternahm er mit 150 Schiffen einen Rachezug nach dem Peloponnes, dessen Küsten er verwüstete; aber das Unglück der Pest und andres Mißgeschick ermutigten die Gegner zu einer neuen Anklage gegen P., welche mit seiner Verurteilung zu einer hohen Geldstrafe endete, die er nicht aufbringen konnte. Er trat von allen seinen Ämtern zurück; zwar wurde er kurz darauf von dem reuigen Volk in dieselben wieder eingesetzt, starb aber schon 429 an der Pest. Der Tod dieses Mannes war für Athen ein schwerer Schlag, denn nur er hatte das seinen selbstherrlichen Willen eifersüchtig wahrende Volk in freiwillige Unterwürfigkeit zu erhalten und dessen unruhige Beweglichkeit zu zügeln vermocht. Die Zügel der Herrschaft fielen bald leidenschaftlichen Demagogen zu, welche durch ihren eigennützigen Parteigeist den Staat zerrütteten und seinen Untergang herbeiführen. P.' Bildnis ist uns in mehreren Statuen und Büsten erhalten. Außer der erhaltenen Biographie des Plutarch vgl. Böckh, Oratio de Pericle (Berl. 1821); Kutzen, P. als Staatsmann während der gefahrvollsten Zeit seines Wirkens (Grimma 1834); Filleul, Histoire du siècle de Périclès (Par. 1872, 2 Bde.; deutsch, Leipz. 1874-75); Ad. Schmidt, Das Perikleische Zeitalter (Jena 1877-79, 2 Bde.); V. Pflugk-Harttung, P. als Feldherr (Stuttg. 1884); Lloyd, The age of P. (Lond. 1875, 2 Bde.). - P.' gleichnamiger Sohn von Aspasia, der 430 auf Bitten des Vaters nach dem Tod von dessen legitimen Söhnen Xanthippos und Paralos das Bürgerrecht erlangte, war 406 einer der Feldherren, welche zwar bei den Arginusen siegreich fochten, aber wegen Nichtbestattung der Toten in Anklagestand versetzt und hingerichtet wurden.

Periklīn, s. v. w. Albit.

Periklitieren (lat.), Gefahr laufen, in Gefahr sein; etwas wagen, riskieren.

Perikōpen (griech.), Abschnitte, besonders die biblischen Abschnitte, welche bei dem öffentlichen Gottesdienst zu Vorlesungen oder zu Predigttexten bestimmt sind. Je nachdem sie aus den Schriften der Apostel oder aus den Evangelien gewählt sind, heißen sie auch Episteln oder Evangelien. Die Lektion, welche aus der jüdischen Synagoge in die christliche Kirche überging, war in der alten Kirche zuerst eine ununterbrochen (lectio continua), seit dem 5. Jahrh. allmählich im Zusammenhang mit der Idee des Kirchenjahrs eine ausgewählte (lectio selecta). Eigne Lektionarien fixierten dieselbe, unter welchen der sogen. Comes im Abendland allgemeine Geltung erhielt. Ihm und dem Homiliarium Karls d. Gr. (s. Homiliarius liber) verdanken wir in der Hauptsache die auf alle Sonn- und Festtage im Kirchenjahr vorgeschriebenen Evangelien und Episteln, welche Luther mit einigen Abänderungen beibehielt, während Zwingli gleich bei seinem ersten reformatorischen