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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Peru

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Peru (Geschichte).

auch unter den dortigen spanischen Offizieren zwei Parteien bildeten. Die eine verwarf jeden Vergleich mit den Patrioten, die andre riet im Geiste der spanischen Cortes zu Unterhandlungen und war bereit, den Amerikanern das Recht selbständiger innerer Verwaltung zu gewähren. Infolge davon brach zwischen dem Vizekönig Laserna und General Olañeta ein offener Kampf aus. Die Kunde hiervon bewog Bolivar, der am 10. Febr. 1824 vom peruanischen Kongreß zum Diktator ernannt worden war, an der Spitze von wohl disziplinierten 11,000 Mann zu einem Einfall in P. Er schlug die Spanier 6. Aug. bei Junin auf der Hochebene der Andes und 9. Dez. in der Ebene von Ayacucho. Der Vizekönig fiel verwundet in Gefangenschaft, und Canterac kapitulierte 10. Dez. 1824 mit dem Reste des Heers. Nur Callao blieb bis 22. Jan. 1826 im Besitz der Spanier. 6. Aug. 1825 erfolgte die Unabhängigkeitserklärung Oberperus, dessen Provinzen Charcas, La Paz, Cochabamba, Potosi und Santa Cruz sich unter dem Namen Bolivia zu einer besondern Republik vereinigten. Bolivar strebte danach, P. wie Bolivia mit Kolumbien zu einem Staat zu vereinigen, und oktroyierte P. wie schon früher Bolivia 9. Dez. 1826 eine antidemokratische Konstitution. Doch empörte sich P. dagegen, wählte Lamar an Stelle Bolivars zum Präsidenten und begann 1829 mit einem Einfall in Ecuador den Krieg gegen den Befreier, welcher nach dessen Tod mit der Sicherung der Selbständigkeit Perus endete.

Seit der Befreiung bietet die Geschichte Perus bis in die neueste Zeit das Bild einer immer steigenden Anarchie, unzähliger Erhebungen ehrgeiziger Offiziere, schnell beendeter und im ganzen nicht sehr blutiger, aber in allen Provinzen und jährlich wiederholter Bürgerkriege, moralischer Verwilderung, Verarmung und Entvölkerung, wie sie, mit Ausnahme von Bolivia, keiner der Freistaaten Südamerikas erlebt hat. Lamar war 1829 durch Gamarra, dieser 1833 durch General Orbegoso gestürzt worden, gegen welchen aber schon 1835 eine Revolution unter Salaverry ausbrach. Orbegoso rief die Hilfe Bolivias an, dessen Präsident Santa Cruz Salaverry im Februar 1836 besiegte und erschießen ließ. Als er aber darauf P. mit Bolivia zu einer Confederacion Bolivio-Peruana vereinigen und in ihr eine monarchische Gewalt ausüben wollte, ja nach der Kaiserkrone strebte, erklärten ihm Chile und Argentinien 1837 den Krieg, in welchem Santa Cruz 1839 völlig geschlagen und Gamarra wieder als Präsident von P. eingesetzt wurde. Im August 1842 trat General Vidal mit dem Titel eines provisorischen Präsidenten an die Spitze der Verwaltung von P. Er unterdrückte 17. Okt. 1842 durch die Schlacht bei Pasco die Empörung des Generals Torrico, konnte sich aber gegen die Föderalisten nicht länger halten und legte nebst seinem Vizepräsidenten La Fuente 15. März 1843 die Präsidentschaft nieder, um sich nach Chile zurückzugehen. Don Justo Figuerola, der bisherige Vizepräsident des Staatsrats, folgte ihm als provisorische Präsident; aber schon 18. März sprengte das Haupt der Zentralisten, Oberst Ortiz, den Staatsrat und ließ Don Manuel Ignacio Vivanco zum Directore supremo ausrufen.

Die erste Periode der Ruhe, die der Freistaat P. seit seinem Bestehen erfuhr, war die Zeit der Präsidentschaft des Generals Don Ramon Castilla, eines Mestizen, welcher, nachdem er Vivanco, der nach der Diktatur gestrebt, gestürzt hatte, 19. April 1845 das Ruder in die Hand nahm. Regulierung des Finanzwesens, bessere Organisierung der Armee, Vermehrung der Marine, Anlage einer Eisenbahn zwischen Lima und dem Hafen von Callao, Förderung der Industrie und Eröffnung neuer Hilfsquellen waren die Hauptresultate seiner Regierung, welche 20. März 1851 ablief. Zum erstenmal seit dem Bestehen der Republik ging die ausübende Gewalt an den gesetzlich gewählten Nachfolgenden General Don José Rufino Echénique, über. Dieser behauptete 1852 die guanoreichen Lobosinseln gegen die Ansprüche der nordamerikanischen Union und schloß mit Brasilien einen Handels- und Freundschaftsvertrag. Aber die von ihm befohlene Herabsetzung des Zinsfußes der Nationalschuld veranlaßte 1853 große Mißstimmung, und obwohl der Kongreß von 1853 jene billigte und den Präsidenten mit außerordentlicher Gewalt bekleidete, ward die Ruhe doch durch einen Einfall des Generals Belzú an der Spitze der bolivianischen Truppen ins Gebiet von P. sowie durch Aufstände in Tumbos und Ica unterbrochen. Am 13. Jan. 1854 erklärte sich auch General Castilla für die Bewegung. Um sich zu stärken, versprach Echénique allen Sklaven, die in sein Heer eintreten würden, die Freiheit, wurde aber von Castilla überboten, welcher die völlige Emanzipation der Sklaven und die Aufhebung der Kopfsteuer der Indianer verkündigte. Nach verschiedenen Wechselfällen schlug endlich Castilla 5. Jan. 1855 an der Palma vor Lima die Regierungstruppen, und die 1855 berufene Nationalversammlung bestätigte Castilla in seiner Macht. Am 18. Okt. 1856 ward eine neue Verfassung als Grundgesetz veröffentlicht. Dieselbe suchte die Macht der Zentralregierung gegenüber den partikularistischen Tendenzen zu stärken, beschränkte aber auch mehrfach die Rechte der katholischen Kirche und fand daher Widerspruch bei der Geistlichkeit, die im Bund mit ehrgeizigen Offizieren wiederholt Aufstände erregte. Um zu festen Zuständen zu gelangen, ordnete Castilla für den August 1858 die Wahl eines Präsidenten und eines Kongresses an. Erstere Wahl fiel auf ihn selbst. Ein Militäraufstand und eine Landung Echéniques in Callao vermochten ihn nicht zu stürzen. Am 25. Nov. 1860 proklamierte er eine neue Verfassung, durch die allgemeines Stimmrecht und das Verbot jedes andern Kultus als des römisch-katholischen eingeführt ward. Sein Nachfolger wurde 1862 San Ramon, der aber bald darauf starb. Ihm folgte der zweite Vizepräsident, General Pezet.

1864 drohte eine Verwickelung mit Spanien zum Krieg zu führen. Die peruanische Regierung hatte nämlich die von seiten Spaniens wegen gewaltthätiger Angriffe auf baskische Kolonisten in Talambo erhobenen Beschwerden und die Erneuerung alter Schuldforderungen unbeachtet gelassen. Infolge davon hatte ein zu Pisco befindliches spanisches Geschwader unter dem Konteradmiral Pinzon 14. April 1864 Besitz von den Chinchainseln ergriffen, um dieselben als Pfand zu behalten. Da weder Spanien noch Pezet einen wirklichen Krieg wollten, kam 28. Jan. 1865 ein Friedenstraktat zu stande, worin P. die spanische Schuldforderung anerkannte, dagegen die Chinchainseln zurückerhielt. Indes diese Lösung befriedigte das künstlich gesteigert Nationalgefühl nicht. Der Präfekt von Arequipa, Oberst Mariano Prado, erklärte sich gegen Pezet, eroberte den ganzen Süden und rückte 6. Nov. 1865 in Lima ein, worauf er 26. Nov. zum Diktator ausgerufen wurde. Nunmehr trat P. gegen Spanien energisch auf. Am 5. Dez. schloß es mit Chile zu Lima einen Allianzvertrag, dem im Januar 1866 Ecuador, Ende Fe-^[folgende Seite]