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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Pferde

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Pferde (Geschichte des Pferdes, Verbreitung als Haustier, Haarfärbung).

kleine Zehen und die oben erwähnten Charaktere des Unterarms und Unterschenkel, doch fehlen gewisse Eigentümlichkeiten des Hipparion, durch welche letzteres sich mehr als Glied eines Seitenastes denn als direkter Ahn des Pferdes kundgibt. In den Pliocänschichten findet sich ferner noch der Pliohippus, bei welchem schon die kleinen Hufe der beiden seitlichen Zehen abgeworfen sind und auch in andrer Beziehung die Pferdeähnlichkeit gesteigert ist. Aber erst in den obersten Pliocänschichten tritt die Gattung Equus selbst auf den Schauplatz, um sich in der posttertiären Zeit über ganz Nord- und Südamerika zu verbreiten und bald nachher, lange vor der Entdeckung der Neuen Welt durch die Europäer, auszusterben. Die ganze Reihe der Vorfahren des Pferdes kennzeichnet noch eine stetige und so starke Erweiterung der Gehirnhöhle, daß das Gehirn in bedeutend stärkerm Maß als der Körper an Größe zunahm. Europa wurde seit dem Beginn der Diluvialperiode von wilden Pferden bewohnt, welche von den heutigen gezähmten Pferden spezifisch nicht zu trennen sind. Namentlich für Mitteleuropa läßt sich das Pferd für die ganze Zeit vom Beginn der Diluvialperiode bis zur Gegenwart kontinuierlich nachweisen. Bei der steppenartigen Beschaffenheit Mitteleuropas nach der Eiszeit fand es hier günstigste Existenzbedingungen, und erst mit dem Vordringen des Waldes zog es sich nach Osten zurück, während die zurückbleibenden Tiere degenerierten. Das diluviale Steppenpferd war starkknochig, dickköpfig, 1,5 m hoch, während das Pferd der spätern Periode nur 1,35 m erreichte und dünne Knochen besaß. Diese Degeneration hängt offenbar mit der beginnenden Ausnutzung des Pferdes durch Menschen, die noch auf sehr niedriger Kulturstufe sich befanden, zusammen und zeigt sich in ähnlicher Weise überall in der Geschichte der Haustiere. Wurde nun das diluviale Pferd Mitteleuropas ganz allgemein gezähmt, so gelangten doch auch durch den Handelsverkehr fremde P., namentlich aus Mittelasien, nach Europa, und von diesen fremden Pferden hat man sogar die jetzigen P., jedenfalls mit Unrecht, ausschließlich ableiten wollen. Alle diese alten P. waren nur klein, und erst nach der Zeit Karls d. Gr., mit dem geschichtlichen Auftreten der Normannen scheint ein größerer Pferdeschlag gezogen worden zu sein, der dann allmählich bis zu dem Londoner Brauerpferd herangewachsen ist. Man kann deshalb seit der angegebenen Zeit den ältern orientalische Typus von dem jüngern norischen unterscheiden, und es lassen diese beiden Typen, die allerdings selten ganz rein auftreten, charakteristische Verschiedenheiten besonders im Bau des Schädels und Beckens erkennen. Außerdem sind die Horngebilde, wie Haare u. Hornwarzen, dicker, dichter, erstere auch gekräuselt beim norischen Pferd, während bei dem orientalische Pferde das Haar dünn, fein und schlicht ist und die Hornwarzen klein sind. Eine Einteilung in zwei Klassen läßt sich indessen auf diese Unterschiede hin deshalb nicht gut durchführen, weil eben der norische Typus sich kaum ganz unvermischt erhalten hat u. vielfach mit dem orientalische durchkreuzt worden ist, seitdem mit dem Aufhören des Rittertums das schwerere norische Pferd seine erlangte Bedeutung wieder verloren hatte. Damals, zur Zeit des Rittertums, war der Streithengst, welcher bis 400 Pfd. Gewicht zu tragen hatte, Existenzbedingung und Mittel zur Standesbevorzugung; mit der Erfindung des Pulvers u. dem Aufhören der Turniere fanden schwere P. keine Verwendung mehr, da die Kutschen noch nicht in allgemeine Aufnahme gekommen waren, der Ackerbau nur den Boden ritzte und auch der Reiter nun schnell und gewandt sein mußte. Es macht sich deshalb der Einfluß des orientalischen Pferdes in allen Züchtungen mehr oder weniger geltend.

Der Verbreitungsbezirk des Pferdes als Haustier erstreckt sich jetzt fast über die ganze von Menschen bewohnte Erdoberfläche. Merkwürdigerweise haben gerade die Erdteile, die das Pferd erst von Europa erhalten haben, wie Amerika und Australien, in der Vermehrung desselben sehr große Fortschritte gemacht, so daß Humboldt die Zahl der auf den Pampas Südamerikas frei umherschweifenden P. auf 3 Mill. angeben konnte. In Australien sind verwilderte P. zu einer Landplage für den Farmer geworden.

Haar und Alter des Pferdes.

Man unterscheidet das braune, rote (Fuchs), falbe (Isabelle), schwarze und weiße Haar (bei weiß gebornen Schimmeln) und von gemischten Haaren das Stichelhaar, das unveränderte und veränderliche Schimmelhaar, das Tigerhaar und das gescheckte Haar. Die Haarfärbung verändert sich periodisch beim jährlich wiederkehrenden Haarwechsel und all-^[folgende Seite]

^[Abb.: Benennung der äußern Teile des Pferdes.]