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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Planeten

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Planeten (Allgemeines, Anzahl, Entdeckung, Übersicht der P.).

Planeten (v. griech. planetes, umherwandelnd; Wandel- oder Irrsterne), diejenigen Himmelskörper, welche in nahezu kreisförmigen Bahnen um die Sonne laufen und, an sich dunkel, von dieser beleuchtet werden. Ihren Namen verdanken sie dem Umstand, daß sie, von der Erde aus gesehen, unter den in ihren relativen Stellungen verharrenden Fixsternen verhältnismäßig rasche und ziemlich verwickelte Bewegungen zu machen scheinen. An Helligkeit lassen sich die dem bloßen Auge sichtbaren P. nur den hellsten Fixsternen vergleichen; nach Zöllner erreicht Venus die 18fache Helligkeit des Sirius, Jupiter die dreifache und Mars in mittlerer Opposition die 2⅓fache; selbst Merkur kann unter günstigen Umständen fast ebenso hell erscheinen wie dieser hellste Fixstern, während das bleiche Licht des Saturn nur etwa ein Achtel der Intensität des Sirius erreicht. Mit Ausnahme von Merkur und Venus zeigen die P. nicht den funkelnden Glanz der Fixsterne, sondern ein ruhiges Licht. Dasselbe ist polarisiert infolge der Reflexion. Im Spektroskop zeigt das Licht der P. die charakteristischen dunkeln Linien des Sonnenspektrums; außerdem aber treten in den Spektren des Mars, Jupiter und Saturn, besonders aber in denen des Uranus und Neptun, noch andre dunkle Streifen auf, welche für die Anwesenheit einer Atmosphäre auf diesen Himmelskörper sprechen. Auch auf der Venus wird durch Refraktionserscheinungen eine Atmosphäre nachgewiesen. Im Fernrohr erscheinen die größern P. nicht, wie die Fixsterne, als bloße Lichtpunkte, sondern als bestimmt begrenzte kreisförmige Scheiben mit meßbaren Durchmessern, deren scheinbare Größe mit ihrer Entfernung von uns zum Teil innerhalb ziemlich weiter Grenzen schwankt (beim Merkur zwischen 4,4 und 12''; bei Venus von 9,5 bis 62'', beim Mars von 3,3 bis 23'', beim Jupiter von 30 bis 46'', beim Saturn von 15 bis 20''). Auf einigen derselben nimmt man Flecke oder Streifen wahr, aus deren regelmäßiger Bewegung man die Rotation dieser Körper um bestimmte Achsen erkennt; zum Teil wird diese Rotation auch durch eine Abplattung an den Polen angedeutet. Ferner bemerkt man bei Merkur und Venus und in geringerm Grad auch beim Mars einen Wechsel der Lichtgestalt, ähnlich wie beim Mond (s. Phasen). Mehrere P. werden auch von kleinern Weltkörpern umkreist, welche man Nebenplaneten im Gegensatz zu den Hauptplaneten, auch Monde, Trabanten oder Satelliten nennt. Es haben nämlich Erde und Neptun je 1, Mars 2, Jupiter und Uranus je 4, Saturn 8 Monde; der letztgenannte wird außerdem noch von einem Ringsystem umgeben. Vgl. beifolgende Karte "Planetensystem".

Die Alten kannten nur die fünf dem bloßen Auge sichtbaren P. Merkur, Venus, Mars, Jupiter und Saturn; außer diesen sternartigen Körpern findet man vereinzelt auch Sonne und Mond als P. bezeichnet, die mit jenen die scheinbare Bewegung am Fixsternhimmel gemein haben. Die planetarische Natur der Erde war noch unbekannt. Erst Kopernikus ordnete sie der Reihe der P. ein. Die Erfindung des Fernrohrs führte zunächst auf die Entdeckung der Jupitermonde durch Simon Marius in Ansbach 29. Dez. 1609 und Galilei in Padua 7.-10. Jan. 1610. Galilei erblickte auch im November 1610 den Saturn "dreifach", aber erst Huygens erkannte 17. Dez. 1657 die wahre Gestalt des Saturnrings. Der letztere entdeckte auch 25. März 1655 den 6. Saturnmond (Titan); Dom. Cassini fand nachher den äußersten (Japetus) im Oktober 1671, den 5. (Rhea) 23. Dez. 1672, den 3. und 4. (Tethys und Dione) Ende März 1684. Fast ein Jahrhundert verging noch bis zur Auffindung eines neuen Hauptplaneten; erst 13. März 1781 entdeckte Wilh. Herschel in Bath den Uranus. Ihm verdanken wir auch die Auffindung der beiden äußersten Uranusmonde (Titania und Oberon) 11. Jan. 1786 sowie des 1. und 2. Saturntrabanten (Mimas und Enceladus) 28. Aug. und 17. Sept. 1789, während der 7. Saturnmond (Hyperion) erst im September 1848 von W. Lassell zu Starfield bei Liverpool und Bond in Cambridge (Vereinigte Staaten) entdeckt wurde. Lassell hat auch durch die 1851 mit seinem großen Reflektor auf Malta angestellten Beobachtungen die Zahl der Uranusmonde auf vier festgestellt, während W. Herschel außer den zwei bereits oben erwähnten in den Jahren 1790-94 noch vier beobachtet zu haben glaubte, deren Umlaufszeit er aber nicht bestimmen konnte. Auch mit dem großen Refraktor der Sternwarte in Washington haben Newcomb und Holden nur vier Uranusmonde gesehen. Eine neue Periode planetarischer Entdeckungen beginnt mit der Auffindung der Ceres 1. Jan. 1801 durch Piazzi in Palermo; es folgte dann die Entdeckung der Pallas durch Olbers in Bremen 28. März 1802, der Juno durch Harding in Lilienthal 1. Sept. 1804 und der Vesta durch Olbers 29. März 1807. Damit waren die ersten Glieder aus der Gruppe der kleinen P., Planetoiden oder Asteroiden, zwischen Mars und Jupiter gefunden; aber erst 8. Dez. 1845 fand Hencke in Driesen einen neuen Planetoiden, die Asträa. Seitdem hat sich die Zahl dieser Himmelskörper bis Mitte 1888 auf 279 vergrößert. Aus den Unregelmäßigkeiten der Uranusbewegung hatten die Astronomen schon längere Zeit auf die Existenz eines noch unbekannten P. jenseit des Uranus geschlossen; durch eine umgekehrte Störungsrechnung (s. Störungen) gelang es Leverrier in Paris, den Ort desselben zu bestimmen, und auf Grund dieser Angabe fand Galle in Berlin 23. Sept. 1846 den äußersten P., Neptun. Lassell hat im November 1846 und August 1850 zwei Monde desselben beobachtet, von denen aber nur der eine konstatiert worden ist. Durch das Studium der Merkurbewegung ist Leverrier auch auf die Vermutung gekommen, daß es innerhalb der Merkurbahn noch einen oder mehrere P. gibt. Doch konnte bis jetzt die Existenz eines intermerkurialen P. noch nicht nachgewiesen werden. Dagegen wurden 11. und 16. Aug. 1877 durch Hall in Washington zwei Marsmonde entdeckt. Es betrug hiernach Mitte 1888 die Zahl der Hauptplaneten nebst den Planetoiden 287, die der Nebenplaneten 20. Über die herkömmlichen Bezeichnungen dieser Himmelskörper vgl. unten (S. 110).

Übersicht des Planetensystems.

In umstehender Tabelle ist die mittlere Entfernung der P. von der Sonne in Erdbahnhalbmessern angegeben; will man diese Entfernung in Millionen geographische Meilen oder in Millionen Kilometer wissen, so hat man die gegebenen Zahlen mit der mittlern Entfernung der Erde von der Sonne zu multipliziert. Nimmt man die Parallaxe (s. d.) der Sonne zu 8,85 Sekunden an, so ist diese Entfernung = 20,036 Mill. geogr. Meilen oder 148,67 Mill. km. Für die größern P. ergeben sich also folgende mittlere Abstände von der Sonne:

Mill. geogr. M. Mill. Kilom.

Merkur 7,7 57,5

Venus 14,5 107,5

Erde 20,0 148,7

Mars 30,5 226,5

Jupiter 104,0 778,5

Saturn 190,7 1418,1

Uranus 383,6 2851,8

Neptun 600,1 4468,3