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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Pneumatische Fundation - Pneumatologie.

Pneumatische Fundation, s. Grundbau, S. 860.

Pneumatische Klingel, s. Telegraph.

Pneumatische Kuren (Atmungskuren). Die Atmung der Menschen geht normal vor sich bei einer Dichtigkeit der äußern Luft von einer Atmosphäre Druck; dieselbe wird sofort verändert, wenn die Spannung der Luft verändert wird. Nimmt die Dichtigkeit der Luft ab, so müssen die Respirationen, um das notwendige Quantum Sauerstoff in den Brustraum eintreten zu lassen, proportional der Verdünnung der Luft häufiger und mühsamer werden, die Muskelanstrengung nimmt zu, das Herz muß stärker arbeiten; gleichzeitig treten Blutüberfüllungen des Kopfes und andrer Organe mit sehr übeln Folgen ein. Umgekehrt werden beim Einatmen verdichteter Luft die Atemzüge seltener und leichter, allgemeines Wohlbefinden tritt ein, die Erregbarkeit des Nervensystems wird herabgesetzt, Disposition zu Schlaf tritt ein. Man hat frühzeitig daran gedacht, von einer natürlich vorhandenen oder künstlich herzustellenden Modifikation der Luftdichtigkeit bei der Behandlung der Lungenkrankheiten Gebrauch zu machen. Gestützt auf frühere irrtümliche Angaben über das Nichtvorkommen von Lungenschwindsucht an sehr hoch gelegenen Orten, glaubte man dieselbe zu heilen, zu verhüten oder zu bessern dadurch, daß man die Patienten die verdünnte Luft sehr hoch gelegener Orte dauernd einatmen ließ. Man ist heute davon zurückgekommen und hat im Gegenteil die schädliche Einwirkung sehr verdünnter Luft erkannt. Wenn man Schwindsüchtige nach mäßig hoch gelegenen Orten schickt, z. B. nach Montreux, Lausanne, St.-Maurice, Davos etc., so beruht der Erfolg hier nicht darauf, daß die Kranken verdünnte Luft einatmen, sondern eine Luft, rein von allen schlechten Beimengungen der Tiefebene, von trockner Beschaffenheit und namentlich von einer sehr gleichmäßigen Temperatur. Dagegen wird die pneumatische Kur vermittelst verdichteter Luft mit großem Vorteil angewendet gegen Emphysem, chronische Bronchialkatarrhe, Asthma etc. Die Kranken erfahren nicht allein während der Zeit, wo sie verdichtete Luft einatmen, eine augenblickliche Besserung ihres Zustandes, sondern nicht selten werden ihre Beschwerden für längere Zeit gemindert, ihre Krankheit positiv geheilt. Man hat festgestellt, daß die Lungen beim Atmen komprimierter Luft erweitert, die Atemzüge minder häufig, aber tiefer werden, daß die Ausscheidung von Harn und Kohlensäure wächst, der ganze Stoffwechsel also sich hebt, und daß infolgedessen die Ernährung gefördert wird. Die Füllung der feinsten Blutgefäße vermindert sich, die Aufsaugung der Lymphe wird beschleunigt, und das sauerstoffreichere Blut erzeugt erhöhtes Kraftgefühl. Die Einatmung der verdichteten Luft geschieht vermittelst der pneumatischen Apparate. Die gewöhnliche Art derselben, die pneumatischen Kabinette, sind nach Tabarié (1864) von dicken Platten aus Schmiedeeisen umgrenzte, hermetisch abgeschlossene Räume von der Gestalt eines oben und unten mit einer Kuppel versehenen Cylinders, in dem eine oder zwei oder mehrere Personen Platz haben. Die untere Kuppel befindet sich unter dem Fußboden des Zimmers, in welchem der Apparat aufgestellt ist; der Apparat erscheint danach von der Gestalt einer Glocke (pneumatische Glocke). Die Grenze zwischen unterer Kuppel und Cylinder bildet eine hölzerne Diele, auf welcher Sessel für die Kranken stehen. Licht erhält der Apparat durch luftdichte Fenster, der Eingang ist ebenso durch eine hermetisch schließende Thür. Durch eine Öffnung in der untern Kuppel wird vermittelst einer Dampfmaschine beständig bis zu etwa 1,5 Atmosphären Druck verdichtet frische Luft in den Raum hineingeleitet, welche auf der andern Seite durch ein Rohr an der obern Kuppel wieder entweicht. In neuerer Zeit sind auch pneumatische Kabinette aus Stein konstruiert worden. Die pneumatischen Kuren gewinnen immer größere Verbreitung, und man findet jetzt in allen größern Städten pneumatische Apparate. Von Waldenburg wurde 1873 ein tragbarer pneumatischer Apparat angegeben, der sich von dem pneumatischen Kabinett dadurch unterscheidet, daß der Kranke die verdichtet Luft nur einatmet, während sein übriger Körper sich unter dem gewöhnlichen Atmosphärendruck befindet. Gleichzeitig kann bei diesem Apparat je nach Wunsch und Notwendigkeit Einatmung und Ausatmung in verdünnter Luft geschehen. Diesen und ähnliche Apparate hat man mit großem Vorteil bei allen Erkrankungen des Herzens, bei welchen der Abfluß des Bluts aus dem Herzen gehemmt ist, bei Lungenschwindsucht mit Bluthusten, bei Luftröhrenkatarrhen und namentlich bei Lungenemphysem angewandt. Der einmalige Aufenthalt des Kranken in verdichteter Luft oder die sogen. Sitzung (pneumatisches Bad) dauert in der Regel zwei Stunden; die Zahl der Sitzungen ist je nach dem Grad und der Beschaffenheit des Leidens eine verschiedene, bis 60 und 80. Vgl. Lange, Über komprimierte Luft, ihre physiologische Wirkung und therapeutische Bedeutung (Götting. 1864); Vivenot, Zur Kenntnis der physiologischen Wirkungen und der therapeutischen Anwendung der verdichteten Luft (Erlang. 1868); Knauthe, Handbuch der pneumatischen Therapie (Leipz. 1876); Waldenburg, Die pneumatische Behandlung der Respirations- und Zirkulationskrankheiten (2. Aufl., Berl. 1880); Simonoff, Aerotherapie (Gieß. 1876); Örtel, Respiratorische Therapie (Leipz. 1882).

Pneumatische Maschine (pneumatischer Hebel), in der Orgel eine sinnreiche, von dem englischen Orgelbauer Barker etwa 1832 erfundene Vorrichtung, welcher die Spielart großer Orgeln dadurch erleichtert, daß kleine Bälge, zu denen durch Niederdruck der Tasten dem Orgelwind der Zugang gestattet wird, das Aufziehen der häufig sehr zahlreichen und einen erheblichen Druck erfordernden Spielventile übernehmen, indem der eintretende Wind die Oberplatte in die Höhe treibt und durch dieselbe die weitere Traktur in Bewegung setzt.

Pneumatischer Telegraph, s. Telegraph.

Pneumatisches Bett, s. v. w. Luftkissen.

Pneumatische Wanne, s. Gase, S. 934.

Pneumatismus (griech., Spiritualismus), die dogmatische Annahme, daß nur unkörperliche, denkende Substanzen existieren, die Materie dagegen Erscheinung oder Schein sei. Die Anhänger dieser Lehre heißen Pneumatisten.

Pneumatizität, die Lufthaltigkeit gewisser Vogelknochen, s. Vögel.

Pneumatocele (griech.), umschriebene Erfüllung subkutaner Räume mit Luft infolge einer krankhaften Verbindung derselben mit den Atmungswegen oder mit der Paukenhöhle; auch s. v. w. Lungenbruch, angeborne Hervorragung eines Teils der Lungensubstanz durch eine Öffnung des Brustraums.

Pneumatochórd (griech.), s. v. w. Äolsharfe.

Pneumatologie (griech.), überhaupt Lehre von dem Geist; in der ältern Metaphysik, z. B. der Wolfschen Schule, gleichbedeutend mit Psychologie; in der theologischen Dogmatik die Engel- und Dämonenlehre (Angelo- und Dämonologie).