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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Prag

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Prag (Bevölkerung, Industrie und Handel).

ten etc., die Residenz des Friedländers, im Garten eine heitere, prächtige Loggia, im Innern einen großen Festsaal enthaltend, mit Fresken u. Stuckornamenten an der Decke und großem welschen Kamin von der ursprünglichen Ausstattung des Saals und neuer Marmorverkleidung; endlich das hoch ragende fürstlich Schwarzenbergsche Majoratshaus am Hradschin, im altflorentinischen Stil, mit Sgraffitobemalung. An die von den Jesuiten in P. mit außerordentlichem Eifer und großen Mitteln betriebene Bauthätigkeit mahnen: das gewaltige Clementinum mit den drei oben erwähnten Kirchen (jetzt eins der Universitätsgebäude, in dessen Hof sich seit 1868 das von Joseph Max ausgeführt Denkmal des Prager Studenten in der Kriegstracht des Dreißigjährigen Kriegs erhebt); ferner das ebenfalls schon genannte ungeheure ehemalige Ordenshaus am Karlsplatz (jetzt Militärhospital) mit der Ignatiuskirche; das sich an die Nikolauskirche anschließende sogen. Landhaus (ehemaliges Profeßhaus, jetzt Sitz des Oberlandesgerichts) auf der Kleinseite u. a. Die Paläste der böhmischen Adelsgeschlechter aus dem 17. und 18. Jahrh. zeigen meist einen gemäßigten, edlen und imposanten Stil. Dahin gehören: die Paläste Morzin und Thun in der Kleinseitener Spornergasse, der Palast Toscana am Hradschin, Nostitz am Kleinseitener Malteserplatz, Lobkowitz am Fuß des Laurentiusbergs, Nostitz am Graben, Kinsky am Altstädter Ring, der erzbischöfliche Palast, dann als Perle der Prager Paläste der Palast Clam-Gallas von Fischer von Erlach u. a. Nennenswerte Gebäude aus neuerer Zeit sind: das frühere Gebäude des Museums, das Neustädter Rathaus (jetzt Strafgerichtsgebäude) mit altem Turm, das Hauptzollamt (ehemals Kloster und Kirche des Hibernerordens), das Generalkommando, die Statthalterei, das Landtagsgebäude, das Gendarmeriekommando- und das Landesgerichtsgebäude, das deutsche Landestheater, das allgemeine Krankenhaus, das Provinzialstrafhaus, welches gegenwärtig aufgelassen und in einen nach dem Pavillonsystem angelegten Neubau in dem nahen Pankraz verlegt wird, das Gebäude der Irrenanstalt mit der Katharinenkirche u. a. Aus jüngster Zeit stammen und zwar in der Altstadt: das Altstädter Wasserwerk (mit altem Turm), das gräflich Lazanskysche Palais, die Gebäude der böhmischen Sparkasse und der Polizeidirektion, das für Kunstzwecke erbaute, 1884 vollendete Rudolfinum am Kai und mehrere Schulgebäude; in der Neustadt: das tschechische Landestheater (1881 vollendet, in demselben Jahr durch Brand zerstört, im Wiederaufbau 1883 vollendet), ein schöner Bau im Renaissancestil, im Innern elektrisch beleuchtet, mit Raum für 2200 Personen, das neue Saalgebäude auf der Sophieninsel, das Gebäude der tschechischen technischen Hochschule am Karlsplatz, die Landesgebäranstalt, die neuen anatomischen und chemischen Universitätsinstitute, der Neubau des böhmischen Landesmuseums am Wenzelsplatz, das neue (zweite) deutsche Theater in der Nähe des Stadtparks, das deutsche Kasino am Graben, das Gebäude der Postdirektion etc. Größere Projekte sind: der Bau eines Zentralschlachthauses und eines Moldauhafens in Holleschowitz, die Anlage einer Trinkwasserleitung, der Neubau der Josephstadt, die Regulierung der Moldau. Die öffentliche Beleuchtung der Stadt geschieht durch zwei städtische Gasanstalten.

[Bevölkerung, Industrie und Handel.]

Die Bevölkerung von P. im jetzigen Umfang belief sich 1880 auf 170,521 Seelen, wozu noch die Garnison mit 6505 Mann kommt. Mit Einschluß der vier Vorstädte Karolinenthal, Zizkow, Weinberge und Smichow dagegen zählte P. samt Garnison 255,303 und mit Einbeziehung der oben aufgeführten Vororte 293,822 Einw. Der Religion nach waren von der Zivilbevölkerung der eigentlichen Stadt 88 Proz. Katholiken, 2 Proz. Protestanten und 10 Proz. Juden. Der Umgangssprache nach wurden 1880 über 81 Proz. Tschechen und mehr als 18 Proz. Deutsche gezählt. In gewerblicher und kommerzieller Beziehung ist P. gleichfalls die wichtigste Stadt Böhmens. Doch hat sich infolge der örtlichen Verhältnisse der Stadt die Großindustrie überwiegend in den vier Vorstädten und in mehreren der Vororte angesiedelt, mit denen P. ein großartiges Industriezentrum bildet. Insbesondere bestanden 1885 in P. und den Vororten hervorragende Fabriketablissements für folgende Industriezweige: Fabrikation von Motoren aller Art, von Werkzeug- und Nähmaschinen, Löschrequisiten, Maschinen, Eisengußwaren, Waggonbau (großes Etablissement in Smichow), Fabrikation von Zement- und Asphaltwaren (6), Thon- und Schamottewaren (3), Porzellan (2), Dampfbrettsägen (3), Parkett- und Möbelfabriken (4), Fabrikation von Gummi- und Guttaperchawaren (2), Lederfabriken (8), Baumwollspinnereien und -Webereien (2), Kattundruckereien (4), Hutfabriken (2), Wäscheerzeugung (33), Papierfabriken (2), Tapetenfabriken (2). Sehr entwickelt ist ferner die Mühlenindustrie (45), Bierbrauerei (38), Schokolade- und Kanditenfabrikation (7); außerdem gibt es Rollgerste- und Malzfabriken (4), Spiritus und Pottaschefabriken (3), zahlreiche Likörfabriken (50) u. a. Schwunghaft ist auch die chemische Industrie, insbesondere gibt es Fabriken chemischer Produkte überhaupt (6), Stärkefabriken (3), Fabriken für Albumin (2), Farben (8), eine großartige Zündhütchen- und Patronenfabrik (in Zizkow), Fabriken für Kerzen, Seifen und Parfümerien (3), ätherische Öle und Essenzen (6). Neben der Großindustrie hat sich auch das Kleingewerbe zu erhalten gewußt; besondere Erwähnung verdienen die Gold-, Silber-, und Juwelenarbeiter (146 Unternehmer), die Wagenbauer (25), die Ateliers für Instrumente und Apparate aller Art (90), das blühende Handschuhmachergewerbe (116), welches meist für den Export arbeitet, das Baugewerbe etc. Das Kunstgewerbe ist unter anderm durch 24 Buch- und 57 Steindruckereien, 3 Metall- und 3 Kupferdruckereien vertreten. Als Knotenpunkt eines reichverzweigten Eisenbahnnetzes ist P. der Hauptsitz des böhmischen Handels. Außer der nördlichen Linie der Österreichisch-Ungarischen Staatseisenbahn (Wien-P.-Bodenbach) nehmen von hier ihren Ausgangspunkt: die Österreichische Nordwestbahn mit der Anschlußlinie nach Lissa, die Staatsbahnlinie P.-Wien (Franz Josephsbahn), die Buschtiehrader Bahn, die Böhmische Nordbahn, die Böhmische Westbahn, die P.-Duxer Bahn und die P.-Modrzaner Lokalbahn. Geld- und Kreditinstitute sind: die Börse, welche in Bezug auf das Warengeschäft, namentlich in Zucker, von Bedeutung ist, die Böhmische Sparkasse (mit einem Einlagenstand von 100 Mill. Gulden), die Städtische Sparkasse, 10 Vorschußkassen, eine Filiale der Österreichisch-Ungarischen Bank, die Hypothekenbank des Königreichs Böhmen (87 Mill. Guld. Kapital), die Landwirtschaftliche Kreditbank, 4 andre Bankinstitute, schließlich (ungerechnet die Filialen andrer auswärtige Institute) 8 Versicherungsanstalten. Verkehrsmittel bilden für den Lokalverkehr die Pferdebahn (18 km Länge), 6 Dampfboote der Prager Moldau-Dampfschiffahrtsgesellschaft für den Personenverkehr oberhalb P., ein