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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Protozoisch - Provençalische Sprache und Litteratur.

metern. Viele aber treten in erstaunlicher Individuenzahl auf, und ihre unverweslichen Überreste, wie die Kieselschalen der Radiolarien, die Kalkschalen der Foraminiferen, setzen oft ganze Gebirgsschichten zusammen. Vgl. Häckel, Das Protistenreich (Leipz. 1878); Bütschli, Die P. (das. 1880-87).

Protozōisch (griech.), Bezeichnung derjenigen Organismen, die, vermöge des Vorkommens ihrer fossilen Reste in den untersten Sedimentgesteinen, am frühsten in der Urzeit die Erdoberfläche bevölkert haben müssen. Die Zeit ihres Daseins heißt protozoische Periode, daher auch die bergenden Gesteine protozoische Gesteine genannt werden.

Protrusion (lat.), die Hervortreibung, z. B. des Augapfels.

Protuberánzen (lat.), s. Sonne.

Protutēla (lat.), Nebenvormundschaft; Protutor, Nebenvormund (s. Vormundschaft).

Protypisch (griech.), vorgebildet, vorbildlich.

Protze, der Vorderwagen der Geschütze und Munitionswagen, trägt hinter der Achse auf dieser oder auf den Protzarmen einen Protzhaken oder Protznagel, über welchen die Lafette oder der Hinterwagen mit der Protzöse oder dem Protzloch des Schwanzriegels gehängt, "aufgeprotzt", wird (s. Lafette). Protzen, über deren Achse ein Kasten zur Aufnahme von Munition steht, heißen Kastenprotzen, ohne einen solchen Sattelprotzen; zu erstern gehören die Feld-, zu letztern die Belagerungs- und Festungsprotzen.

Proudhon (spr. prudóng), Pierre Joseph, franz. Sozialist, geb. 15. Juli 1809 zu Besançon als Sohn eines armen Handwerkers. Ursprünglich Schriftsetzer, bildete er sich autodidaktisch weiter. Nachdem er 1837 für eine Schrift: "Essai de grammaire générale", von der Akademie zu Besançon ein Stipendium auf drei Jahre erhalten, gründete er 1839 in seiner Vaterstadt eine eigne Druckerei. Doch wurde ihm das Stipendium wieder entzogen, als er in der Schrift "Qu'est-ce que la propriété?" (Besanç. 1840; deutsch, Bern 1844) diese Frage mit dem bereits von Brissot 1780 ausgesprochenen Gedanken "Eigentum ist Diebstahl" beantwortete. Von da ab veröffentlichte P. eine große Anzahl von Schriften über soziale Gegenstände. Die wichtigste derselben ist das "Système des contradictions économiques, ou Philosophie de la misère" (Par. 1846 u. öfter, 2 Bde.; deutsch von K. Grün, Darmst. 1847). In dieser Schrift liefert P., welcher vorzüglich Kant und Hegel studiert hatte und sich die Hegelsche Dialektik anzueignen versuchte, eine Kritik rechtsphilosophischer und nationalökonomischer Grundbegriffe. Er bekämpft den Sozialismus und insbesondere den Kommunismus ebensowohl wie die herrschende Volkswirtschaftslehre, ohne jedoch selbst eine Lösung der Widersprüche zu bieten. Die Gesellschaft sollte nach P. auf dem System der Gerechtigkeit und der billigen Gegenseitigkeit (daher Mutualismus, s. d.) aufgebaut werden, an Stelle der Zwangsgewalt des Staats sollte eine einfache staatenlose Regierung der Vernunft (Anarchie) treten. Bei einer allzu bizarren Darstellungsweise ergeht sich P. gern in sophistischen Schlußfolgerungen, indem er unter anderm häufig ein und dasselbe Wort zur Bezeichnung verschiedener Begriffe verwendet. Die erwähnte Schrift gab K. Marx (s. d.) Veranlassung zur Veröffentlichung einer Schrift, betitelt: "Das Elend der Philosophie" (1847). Im J. 1848 wurde P., der sich eifrig der Politik zugewandt hatte, zum Abgeordneten des Seinedepartements gewählt, ohne jedoch den von ihm gehegten Erwartungen zu entsprechen. Er widmete sich deshalb wieder mehr der schriftstellerischen Thätigkeit, gab je für kurze Zeit hintereinander vier verschiedene Journale heraus, gründete 1849 eine Volksbank, durch welche der Kredit unter Beseitigung des Zinses und mit Ausgabe von Kreditscheinen auf Gegenseitigkeit organisiert werden sollte, ein Ziel, das, weil unerreichbar, auch nicht erreicht wurde. 1850 wegen Preßvergehen zu drei Jahren Gefängnis verurteilt, entzog sich P. anfänglich der Strafe durch die Flucht, stellte sich aber später wieder; bald darauf abermals verurteilt, entfloh er nach Belgien, kehrte 1860 als Amnestierter nach Paris zurück und starb 19. Jan. 1865 in Passy. Seine Werke erschienen gesammelt in 33 Bänden (Par. 1868-76), darunter 7 Bände nachgelassener Schriften; seine "Correspondance" veröffentlichte Langlois (das. 1874, 14 Bde.). Vgl. Sainte-Beuve, P., sa vie et sa correspondance 1838-48 (Par. 1872); v. Putlitz, P., sein Leben und seine positiven Ideen (Berl. 1881).

Proust (spr. pruh), Antonin, franz. Politiker, geb. 15. März 1832 zu Niort, gründete 1864 in Brüssel ein liberales Blatt: "La Semaine universelle", in welchem er das Kaiserreich heftig bekämpfte. 1870 begleitete er die Rheinarmee als Korrespondent des "Temps" und wurde nach Napoleons Sturz Sekretär Gambettas, blieb aber im Oktober in Paris zurück und ward mit der Verwaltung der Angelegenheiten der nach Paris geflüchteten Familien betraut. 1871 trat er in die Redaktion der "République française" ein. Seit 1876 ist er Mitglied der Deputiertenkammer, in welcher er wiederholt Berichterstatter über auswärtige Angelegenheiten war. Auch gründete er eine besondere Zeitschrift für auswärtige Politik, das "Avenir diplomatique". Im Kabinett Gambettas vom 14. Nov. 1881 wurde für P. ein besonderes Ministerium der schönen Künste errichtet, das mit dem Rücktritt des Kabinetts 26. Jan. 1882 indes schon wieder einging. Er schrieb: "Les beaux-arts en Angleterre" (La Rochelle 1862); "Un philosophe en voyage" (unter dem Pseudonym A. Barthélemy, Par. 1864); "Chants populaires de la Grèce moderne" (Niort 1866); "Les beaux-arts en province" (das. 1867); "Archives de l'Ouest" (eine Sammlung von Aktenstücken über die Revolution, das. 1867-69, 5 Hefte); "La division de l'impôt" (1869); "La justice révolutionnaire à Niort" (2. Aufl. 1874); "La démocratie en Allemagne" (1872); "Le prince de Bismarck, sa correspondance" (1876).

Proustīt, s. Rotgüldigerz.

Provatūra (ital.), Büffelmilchkäse, besonders in der römischen Campagna.

Proveditōre (ital.), s. Provveditore.

Provençalen (spr. -wangss-), die Bewohner der Provence (s. d.); zuweilen auch s. v. w. Troubadoure.

Provençalische Sprache und Litteratur. Die provençalische Sprache ist die am frühsten ausgebildete Sprache des romanischen Sprachenzweigs, die sich in ihren ältesten Formen näher und reiner an ihre Quelle, die römische Volkssprache, anschloß als irgend eine ihrer Schwestern. Die provençalische Sprache wurde in Limousin, Provence, Auvergne und Quercy am reinsten gesprochen, herrschte aber im ganzen südlichen Frankreich bis an die Loire und selbst in einem großen Teil des nordöstlichen Spanien. Ihr allgemeiner Name war Lingua romana; von der Bejahungsformel oc hieß sie Langue d'oc oder die occitanische (die nordfranzösische dagegen langue d'oui), von der Gegend, wo sie am reinsten gesprochen wurde, dem Limousin, die limousinische