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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Racine

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Racine (Stadt) - Racine (Dichter).

Knochen; da jedoch der erstere keinen Zuwachs von fester Knochensubstanz an seinem Umfang gewinnt, wie dies beim gesunden Knochen der Fall ist, so wird er sich leichter biegen und knicken lassen als vor Eintritt der R. Die weichen Gelenkenden der Knochen sind bei der R. plump und verdickt (doppelte Glieder), die Röhrenteile der Knochen durch die Last des auf sie drückenden Körpers und durch den Muskelzug gekrümmt und gebogen. Am auffallendsten ist diese Krümmung nicht etwa an der Wirbelsäule, wie die Schreibart Rhachitis andeutet, sondern an den Beinen, indem die Kniee weit voneinander entfernt stehen. Oft werden die Verbindungsstellen der vordern Rippenenden mit den Rippenknorpeln nach innen eingebogen, während das Brustbein nach vorn geschoben wird. Diese Verunstaltung (Hühnerbrust) erklärt sich aus der weichen Beschaffenheit der erwähnten Stellen, durch welche sie die Fähigkeit verloren haben, dem äußern Luftdruck bei der inspiratorischen Erweiterung des Brustkorbs Widerstand zu leisten. Die Verbindungsstelle der Rippen mit ihren Knorpeln ist beträchtlich angeschwollen, und die Summe dieser Anschwellungen bildet einen halbkreisartigen Bogen, dessen Konvexität nach oben sieht (rachitischer Rosenkranz). An der Wirbelsäule können sich infolge der R. Verkrümmungen ausbilden. Das Becken wird häufig und manchmal in hohem Grad in der Art verunstaltet, daß sein gerader Durchmesser sich verkürzt und das Promontorium sich der Schambeinfuge nähert (rachitisches Becken, welches späterhin als Geburtshindernis auftreten kann). Knickungen und Brüche der Knochen sind bei R. nichts Seltenes, pflegen aber ohne Zerreißung des Periosts abzulaufen. Die Fontanellen des Schädels schließen sich bei R. auffallend spät, die Gesichtsknochen erscheinen manchmal in hohem Maß verdickt und aufgetrieben. Wenn die R., wie in der Regel, heilt, so schwellen die Gelenkenden ab, die Knochen werden fest; die Verkrümmungen der Glieder werden aber nur zum Teil wieder ausgeglichen. Individuen, welche die R. in sehr intensivem Grad gehabt haben, bleiben gewöhnlich klein, und da zugleich der Schädel bei ihnen im Verhältnis zum Gesicht sehr groß ist, so gewähren solche Menschen einen eigentümlichen Anblick. Über die Ursachen der R. ist man nicht genügend unterrichtet. Einige glauben, daß der chronische Darmkatarrh, welcher der R. so häufig vorausgeht, zur Bildung von Milchsäure im Blut führe, welche die Kalksalze gelöst erhält. Andre meinen, daß die verminderte Zufuhr von Kalksalzen in das Blut die Ursache der verzögerten Verknöcherung sei. Wenn sich die R. in den ersten Lebensmonaten entwickelt, so leiden die Kinder vorher fast immer an Darmkatarrhen mit dünnen, grünlichen Stuhlentleerungen. Die Kinder magern ab und geben Zeichen von Schmerz von sich, wenn sie den Versuch machen, ihre Glieder zu bewegen, oder wenn dieselben von andern bewegt werden. Dann treten die Anschwellung der Gelenkenden und der rachitische Rosenkranz hervor. Fällt der Anfang der Krankheit in eine Zeit, wo das Kind noch keine Gehversuche gemacht hat, so bleiben die Glieder selbst bei jahrelanger Dauer der Krankheit oft von jeder Verkrümmung frei. Die Zähne brechen bei den rachitischen Kindern spät und unregelmäßig hervor. Die R. hat gewöhnlich eine Dauer von 2-3 Jahren. Geht die Krankheit in Genesung über, so verliert sich zunächst die hochgradige Magerkeit des Körpers, die Kinder werden voller, sie fangen wieder an, sich zu bewegen. Aber gerade jetzt, wo die Knochen noch nicht fest sind, ist die Gefahr von Knochenverkrümmungen am größten. Wenn die Kinder erst im zweiten oder dritten Lebensjahr oder noch später erkranken, so fehlen der chronische Darmkatarrh und die Magerkeit, oft sogar die Schmerzen, und die Krankheit zeigt sich durch die allmählich zunehmende Verkrümmung der Knochen, welche, vom Unterschenkel anfangend, nach oben fortschreitet, wobei die Kinder einen unbeholfenen und watscheligen Gang bekommen. Die Behandlung der R. hat sich mit der Beseitigung des ihr vorausgehenden Darmkatarrhs und Herstellung eines möglichst guten Ernährungszustandes zu befassen. Wenn dies gelingt, so kann der beginnende rachitische Prozeß ganz abgeschnitten werden. Durch bloße Einführung von kohlensaurem oder phosphorsaurem Kalk in den Körper kann man die R. nicht kurieren; dagegen können der Aufenthalt in gesunder Luft, eine kräftige Nahrung (Fleisch und kleine Portionen von Wein), warme Bäder (auch Solbäder) und dergleichen diätetische Mittel die Heilung unterstützen. Die Kinder müssen so lange ruhig auf dem Rücken liegen, bis die Knochen sich vollständig konsolidiert haben. Aufsitzen im Bett, zu frühzeitiges Aufstehen und Herumgehen begünstigen die Verkrümmung und Knickung der Knochen. Vielfach kann die Verunstaltung an den untern Extremitäten, wo sie durch den Druck der Körperlast die augenfälligsten und schwersten Effekte macht, durch Anwendung passender Stützmaschinen ganz verhindert oder wenigstens vermindert werden. Zurückbleibende Verkrümmungen können auf operativem Wege gebessert werden. Vgl. Kassowitz, Die Symptome der R. (Leipz. 1886).

Racine (spr. rássin), Stadt im nordamerikan. Staat Wisconsin, an der Mündung des Root River in den Michigansee, hat einen geräumigen Hafen, gerade, breite Straßen, schöne öffentliche Gebäude, ein theologisches Seminar, Fabriken für landwirtschaftliche Maschinen, Wagen, Wollwaren etc., eine Schiffswerfte, Eisenwerke und (1885) 19,636 Einw.

Racine (spr. -ssihn), 1) Jean de, der größte franz. Tragiker, geb. 21. Dez. 1639 zu La Ferté-Milon im Departement Aisne, erhielt, früh verwaist, seine Erziehung in dem von Jansenisten geleiteten Port-Royal und ward durch Lemaistre de Sacy und namentlich durch den Hellenisten Lancelot in das Studium der klassischen, besonders der griechischen Litteratur eingeführt. Nachdem er im Collège Harcourt zu Paris seine Studien vollendet hatte, wandte er sich ausschließlich der schönen Litteratur zu. Eine Ode auf die Vermählung Ludwigs XIV.: "Les nymphes de la Seine" (1660), trug ihm eine Pension von 600 Livres ein, ebensoviel eine zweite Ode auf Ludwig XIV.: "La renommée aux muses" (1663), dazu die Bekanntschaft mit Molière und Boileau, die für seine weitere Entwickelung von großem Vorteil war. Auf Molières Rat vernichtete R. sein erstes Trauerspiel: "Théagène et Chariclée", und dichtete dagegen "La Thébaïde, ou les frères ennemis", die 1664 mit Beifall aufgeführt wurde. In dieser Tragödie sowohl als im "Alexandre" (1665) zeigte er sich noch als Nachahmer Corneilles, wogegen er in der "Andromaque" (1667) die fremden Fesseln abwarf. Die innern Kämpfe und Widersprüche der Leidenschaft, in deren Darstellung Racines Eigentümlichkeit besteht, sind in dieser Tragödie, die großen Beifall fand, zum erstenmal mit Wahrheit und seltener Kraft entwickelt. 1668 entstand sein mit nur geringem Beifall aufgenommenes einziges Lustspiel: "Les plaideurs", eine geistreiche Nachbildung der "Wespen" des Aristophanes. Der darauf folgende "Britannicus" (1669)