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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Recht auf Arbeit - Rechtsanwalt.

(Personenrecht im engern Sinn), teils die Rechte, welche der Person als Glied der Familie (Familienrecht) zukommen, dar; das Familienrecht wird wiederum in Ehe-, Verwandtschafts- und Vormundschaftsrecht eingeteilt. Das Vermögen einer Person aber besteht teils in der ganzen oder teilweisen Herrschaft über Sachen, teils in dem R. auf Handlungen und Leistungen andrer Personen, und damit hängt die Einteilung des Vermögensrechts in Sachenrecht und R. der Forderungen oder Obligationenrecht zusammen, von welch letzterm das Handels- und Wechselrecht einen wichtigen Bestandteil bildet. Da die Vermögensrechte regelmäßig mit dem Tode des Berechtigten ihr Ende nicht erreichen, so kommt noch das Erbrecht hinzu, welches das Schicksal des Vermögens einer Person nach deren Tod bestimmt. Das öffentliche R. zerfällt in das Staatsrecht (öffentliches R. im engern Sinn, Verfassungs- und Verwaltungsrecht), Kirchenrecht, Strafrecht und Straf- und Zivilprozeßrecht. Entsprechend der Einteilung des Rechts im objektiven Sinn in öffentliches R. und Privatrecht, lassen sich auch die subjektiven Rechte, welche durch jenes begründet werden, in öffentliche Rechte und Privatrechte klassifizieren. Letztere sind der Zahl nach die bedeutendsten, während jene, die sogen. politischen Rechte, dieselben an Wichtigkeit überragen. Nach seinem geographischen Geltungsgebiet endlich ist das R. in gemeines (Jus universale) und partikuläres (Partikularrecht, Jus particulare) einzuteilen, je nachdem es für ein ganzes Land oder nur für einen Teil desselben Geltung hat; ein namentlich für Deutschland wichtiger Unterschied (s. Deutsches Recht).

Recht auf Arbeit bedeutet im weitern Sinn, wie der Ausdruck von den Sozialisten aufgefaßt wird, das Recht eines jeden arbeitsfähigen Mitgliedes der Gesellschaft, jederzeit Arbeit und damit auch einen Anspruch auf Unterhalt zu erlangen. Nach V. Considérant (s. d.) sollte es für diejenigen, welche von dem bereits von andern in Besitz genommenen Grund und Boden ausgeschlossen sind, ein Entgelt für diese Ausschließung sein. Natürlich könnte ein solches R. (droit au travail) mit Erfolg nur geltend gemacht werden, wenn die ganze Gesellschaft sozialistisch eingerichtet würde. Eine einfache Folgerichtigkeit des Rechts auf Arbeit ist demgemäß die Forderung der Organisation der Arbeit, wie sie denn auch von L. Blanc und andern gestellt wurde. In einem viel beschränktern Sinn wird der Begriff in der Armengesetzgebung, insbesondere des preußischen Landrechts, genommen, indem nur möglichst den erwerbsfähigen Armen statt des demütigenden Geschenks ein Verdienst durch Arbeit verschafft werden soll. Gleichzeitig erscheint aber hier auch das R. als eine Pflicht, indem die Arbeitsverrichtung auch als eine Bedingung der Unterstützung hingestellt wird.

Recht der ersten Nacht, s. Jus primae noctis.

Rechte (rechte Seite, franz. la Droite), politische Parteibezeichnung; vgl. Linke.

Rechteck (lat. Rectangulum, auch Oblongum), ein rechtwinkeliges Parallelogramm (s. d.).

Rechte Gerichtsfrühe, s. Frühe Gerichtszeit.

Rechte Mitte, s. v. w. Juste-milieu.

Rechter Winkel, s. Winkel.

Rechtfertigung, in der Theologie (justificatio) nach der protestantischen Kirchenlehre der göttliche Gerichtsakt (actus forensis), welcher den Sünder durch Zurechnung der im Glauben von ihm ergriffenen Gerechtigkeit Christi für gerecht annimmt, ihm zugleich auch die Kindschaft und Seligkeit zuspricht, obwohl er noch keinesweg gerecht ist, und zwar thut dies Gott lediglich wegen des Verdienstes Christi, immer aber unter der Voraussetzung des Glaubens auf seiten des Menschen. Die R. steht demnach in unmittelbarem Zusammenhang mit dem dogmatischen Begriff der Versöhnung (s. d.). Mit dieser Lehre, welche wesentlich auf Erneuerung gewisser Paulinischer Gedankengänge beruht, trat die Reformation der katholischen Werkgerechtigkeit und priesterlichen Heilsvermittelung gegenüber; denn die protestantische R. ist so beschaffen, daß man an ihr nicht zweifeln kann, und daß, wer den lebendigen Glauben hat, durch das Zeugnis des Heiligen Geistes der göttlichen Gnade gewiß sein darf. So, als Gewißheit der zur ewigen Seligkeit Erwählten von ihrer Versöhnung mit Gott, die sich in einem heiligen Wandel bewähren wird, faßte die reformierte Rechtgläubigkeit die R., während die lutherische strenger darauf bestand, daß durch die R. nicht unmittelbar in der sittlichen Beschaffenheit des Menschen, sondern nur in der göttlichen Anschauung und im Verhältnis des Menschen zu Gott eine Änderung vorgehen soll. Die katholische Kirchenlehre schließt dagegen die R. mit der Heiligung zusammen und beschreibt sie nach Augustins Vorgang als Eingießung der göttlichen Gnade, durch welche der Mensch allmählich aus einem Ungerechten zu einem Gerechten gemacht werde. Der neuere Protestantismus gibt in der Regel die Form des Dogmas preis, indem er sich an das religiöse Motiv hält, welches in derselben nach einem sinnbildlichen Ausdruck strebt; diese praktische Bedeutung aber findet man in der Sicherung des persönlichen Selbst- und Wertgefühls, unter deren Voraussetzung allein der protestantische Christ in treuer Erfüllung des weltlichen Berufs diejenige Vollkommenheit anstreben kann, welche nach katholischem Rezept auf dem Weg des kirchlichen Mechanismus oder mönchischen Abenteuers, nach separatistisch-schwärmerischer Vorschrift vermittelst eines unruhigen und schließlich wieder zum Katholizismus zurückführenden Heiligungseifers erreichbar sein soll. Vgl. Ritschl, Die christliche Lehre von der R. und Versöhnung (2. Aufl., Bonn 1882-83, 3 Bde.).

Rechtgläubigkeit, s. v. w. Orthodoxie.

Rechtläufig (direkt) heißt die Bewegung eines Gestirns, wenn sie nach der Ordnung der Zeichen stattfindet, wenn also mit der Zeit auch seine Länge wächst; die entgegengesetzt Bewegung heißt rückläufig (retrograd). Von der Erde aus gesehen erscheint die Bewegung der Planeten manchmal r., manchmal rückläufig, auf die Sonne bezogen, ist die Bewegung der Planeten stets r., wogegen gewisse Kometen auch von der Sonne gesehen bisweilen rückläufig erscheinen.

Rechtlosigkeit, Zustand, in welchem kein festes und gesichertes Rechtsgebiet für jemand vorhanden ist, wie bei völliger Unkultur oder Anarchie, oder worin einem oder wenigen Alleinberechtigten eine Klasse solcher Menschen gegenübersteht, über die jene unbedingte Gewalt haben, wie in despotisch regierten Staaten; dann Zustand, in welchem eine untergebene Person von der Willkür einer andern abhängig ist, wie der Sklave; endlich Verlust oder Schmälerung der Rechtsfähigkeit und der bürgerlichen Ehre (s. d.).

Rechtsanwalt (Advokat, Anwalt, Fürsprecher, Rechtsbeistand, Sachwalter), ein Rechtsgelehrter, welcher zur Führung von Rechtsangelegenheiten vor den zuständigen Behörden staatlich ermächtigt ist. Nach deutschem Recht ist der R. nicht nur befugt, als Rechtsbeistand (Advokat) neben einer Partei aufzutreten, sondern er kann auch, namentlich in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, für die Partei als deren