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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reine; Reineccius; Reinecke; Reineclaude; Reineke Fuchs

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Reine - Reineke Fuchs.

Zeichnen und in der Anatomie weiterbildete. 1809 in seine Vaterstadt zurückgekehrt, zeichnete er deren Kunstwerke, stellte von 1821 bis 1824 unter Beihilfe des Architekten Heideloff und eines Steinmetzen den schönen Brunnen auf dem Markte daselbst wieder her und restaurierte 1831 die Kirche des heil. Michael zu Fürth. Auch die Synagoge wurde unter seiner Leitung umgebaut. Er bekleidete von 1811 bis 1819 die Stelle eines Direktors der Nürnberger Malerakademie, und als diese nach seinem Plan von der Regierung umgestaltet wurde, ward er Direktor der neuen Kunstschule. Er starb 19. Mai 1853 in Nürnberg. Von seinen Kupferstichen datiert ein neuer Aufschwung der graphischen Kunst in Deutschland. Seine Hauptblätter sind: die vier Apostel und Karl d. Gr. nach Dürer, das Sebaldusgrab nach P. Vischer, das Schweigen nach A. Carracci, die Predigt des Paulus nach Le Sueur, die Madonna nach einem Holzbild zu Nürnberg, die Statue Dürers nach Rauch.

Reine (franz., spr. rähn), Königin; R. de la fève, Bohnenkönigin (s. Bohnenfest).

Reineccius, Christian, verdienter Schulmann, geb. 22. Jan. 1668 zu Großmühlingen im Fürstentum Anhalt-Zerbst, studierte zu Helmstädt, Rostock und Leipzig Theologie und ward 1707 Rektor des Gymnasiums zu Weißenfels, wo er 18. Okt. 1752 starb. Seine "Janua hebraicae linguae" (Leipz. 1733; 8. Aufl. von Rehkopf, 1788) und sein "Index memorialis, quo voces hebraicae et chaldaicae veteris testamenti omnes cum significationibus latinis continentur" (das. 1730, neue Aufl. 1755) waren lange Zeit vielgebrauchte Hilfsmittel der Studierenden auf Schulen und Universitäten. Außerdem besorgte er mehrere Bibelausgaben.

Reinecke, Karl, Klavierspieler und Komponist, geb. 23. Juni 1824 zu Altona, war Schüler seines dort als Gesanglehrer wirkenden Vaters, machte 1843 seine erste Kunstreise, die ihn über Kopenhagen bis Stockholm führte, und ging dann, mit einem Stipendium des Königs von Dänemark versehen, zu weitern Studien nach Leipzig, wo er bis 1846 blieb. Dann unternahm er größere Kunstreisen, unter andern nach Kopenhagen, wo er besondern Beifall fand, auch zum Hofpianisten ernannt wurde, sowie 1851 nach Paris und erhielt in demselben Jahr einen Ruf an die rheinische Musikschule zu Köln. Von 1854 bis 1859 war er als Musikdirektor in Barmen thätig, wurde darauf Dirigent der Singakademie und Universitätsmusikdirektor in Breslau, folgte aber schon 1860 dem Ruf als Kapellmeister des Gewandhausorchesters und Lehrer am Konservatorium zu Leipzig, welche Stellung er noch gegenwärtig bekleidet. Von seinen zahlreichen Kompositionen, in denen er der Mendelsohn-Schumannschen Richtung folgt, sind zu nennen: die fünfaktige Oper "König Manfred", die einaktigen Operetten: "Der vierjährige Posten" und "Ein Abenteuer Handels" und die dreiaktige komische Oper "Auf hohen Befehl"; ferner von nicht dramatischen Chorwerken: "Belsazar", "Hakon Jarl" (für Männerchor), die Märchenkompositionen: "Schneewittchen" und "Dornröschen" (für dreistimmigen Frauenchor), zwei Symphonien, die Ouvertüren zu "Dame Kobold", "Aladdin" und "Friedensfeier", Streichquartette, Quintette, Trios und Sonaten für Klavier und Streichinstrumente, vier Klavier-, ein Violin- und ein Violoncellkonzert, zahlreiche kleinere Klavierkompositionen, ein- und mehrstimmige Lieder, Transpositionen u. a. R. gab auch die Klavierwerke von Bach und Händel sowie verschiedene Klavierkonzerte älterer und neuerer Meister mit Fingersatz- und Vortragsbezeichnung heraus. Als Klavierspieler zeichnet er sich namentlich im Vortrag klassischer Kammermusikwerke (Mozart) aus. R. ist Mitglied der Akademien der Künste in Berlin und Stockholm; 1885 erhielt er von der Universität Leipzig das Doktordiplom, vom König von Sachsen den Professortitel.

Reineclaude (franz., spr. rähn-klóhd), s. Pflaumenbaum, S. 970.

Reineke Fuchs, hochdeutsche Bezeichnung für die letzte bedeutende dichterische Gestaltung der deutschen Tiersage (s. d.). Das Alter der letztern reicht zurück in das Dunkel vorhistorischer Zeit. Bei den Franken begegnen wir deutlichern Spuren der Tiersage bereits im 7. Jahrh. (Fredegars Chronik), bei den Bayern um die Wende des 10. ins 11. Jahrh. Von den Franken aus hat sie sich über den Rhein nach Lothringen, Flandern und Nordfrankreich fortgepflanzt, und in diesen Gegenden ist ihre vorzüglichste Ausbildung erfolgt, wie denselben auch die ältesten poetischen Gestaltungen der Tiersage angehören. Die drei frühsten dieser Gestaltungen sind in lateinischer Sprache abgefaßt, so zunächst die älteste, zugleich an Wert geringste, mit dem Titel: "Ecbasis captivi", welche ein Stück echter Tiersage in eine andre Fabel eingerahmt enthält und vermutlich von einem Mönch aus Tull (Toul) ungefähr gleichzeitig mit dem "Waltharius" in Hexametern abgefaßt ist (hrsg. in J. Grimms und Schmellers "Gedichten des 10. und 11. Jahrhunderts"; neuerlich von Voigt, Straßb. 1875). Zu Anfang des 12. Jahrh. entstand dann eine weitere der Tiersage angehörige Dichtung: der in Südflandern wahrscheinlich gleichfalls von geistlicher Hand in Distichen niedergeschriebene "Isengrimus", welcher von dem kranken Löwen und der Betfahrt der Gemse berichtet (s. Isegrim). Dieselben Begebenheiten nebst zehn andern Abenteuern aus der Tierwelt hat, etwa um 1150, ein nordflandrischer Magister Nivardus in dem auch in lateinischen Distichen (6596) abgefaßten "Reinardus vulpes" erzählt (hrsg. von Mone, Stuttg. 1832), und nicht viel später gab, französischer Quelle folgend, der Elsässer Heinrich der Glichesäre in "Isengrîmes nôt" die erste bekannte (mittelhoch-) deutsche Bearbeitung der Tiersage. Das von dieser in kurzen Reimpaaren gedichteten Bearbeitung uns erhaltene Bruchstück, etwa ein Drittel des Ganzen, ist von J. Grimm im "Sendschreiben an Lachmann über Reinhart Fuchs" (Leipz. 1840) veröffentlicht worden. Zu Anfang des 13. Jahrh. hat dann ein Ungenannter die Version des Glichesäre ohne Änderung des Inhalts in die seit Heinrich von Veldeke herrschenden reinern Reime umgeschmolzen, welche Überarbeitung unter dem Titel: "Reinhart Vuhs" bis auf 140 Verse erhalten geblieben ist (zuerst hrsg. von Mailáth und Köffinger im "Koloczaer Kodex", Pest 1818; in reinerer Gestalt in J. Grimms "Reinhart Fuchs", Berl. 1834). Während im 13. und 14. Jahrh. das Tierepos in Nordfrankreich mannigfache Bearbeitung fand (am berühmtesten der weitschichtige, zuletzt 62,000 Verse umfassende "Roman de Renart", hrsg. von Méon, Par. 1826, 4 Bde.; von Martin, Straßb. 1881-87, 3 Bde.), trat, wie es scheint, in Deutschland selbst seit jener oben erwähnten geraume Zeit hindurch keine auf. Inzwischen aber erhielt die Tiersage, wahrscheinlich um 1250, in Flandern ihre vollkommenste künstlerische Gestaltung im "Reinaert de Vos" (hrsg. von J. Grimm im "Reinhart Fuchs", S. 115 ff.; von Willems, neue Aufl., Gent 1850; von Jonckbloet, Groning. 1835; von Martin, Paderb.