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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reïs-Efendi; Reisen

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Reis-Efendi - Reisen.

und der Gebrüder Zeno genannt zu werden brauchen. Seit Erfindung der Buchdruckerkunst wuchs die Reiselitteratur bald massenhaft an, nach dem die Entdeckung Amerikas und die Expeditionen der Portugiesen nach dem Indischen Ozean, verbunden mit dem Wiederaufleben wissenschaftlichen Strebens überhaupt, der Forschung neue und weite Gebiete eröffnet hatten. So entstanden denn bereits im 16. Jahrh. Sammlungen von Reisewerken, wie die von Huttich und Grynäus (1532), Ramusio (1550 ff.), Hakluyt (1598 ff.). In der Mitte des 17. Jahrh. erhielten die Reisebeschreibungen neue Nahrung durch den großartigen Aufschwung des Handels, namentlich der Engländer. Mit ihnen behaupteten Deutsche, Franzosen, Nordamerikaner, Holländer und Russen in der wissenschaftlichen Reiselitteratur den ersten Platz. Gegenwärtig liegen über fast alle Gegenden der Erde die trefflichsten Reiseberichte wissenschaftlich gebildeter Reisenden in den Sprachen fast aller zivilisierten Völker vor. Die in fremden Sprachen verfaßten Berichte nichtdeutscher Forscher sind dem deutschen Publikum in guten Übersetzungen zugänglich gemacht worden und in einzelnen hervorragenden Fällen sogar gleichzeitig mit dem Originalwerk erschienen. Unter den Deutschen, deren Reiseberichte sich besonders durch innern Gehalt und Vielseitigkeit auszeichneten, nimmt A. v. Humboldt unzweifelhaft den ersten Rang ein; hervorragend sind für die Kenntnis Amerikas die Werke des Prinzen von Neuwied, von Martius, Pöppig, Schomburgk, Tschudi, Burmeister, Philippi, Appun, Reiß, Stübel, Frantzius, Güßfeldt, v. d. Steinen, für die Afrikas die Berichte von Hornemann, Barth, Roscher, Rüppell, Russegger, Heuglin, Rohlfs, Nachtigal, Schweinfurth, v. d. Decken, Junker, Lenz, Hildebrandt, Mohr, Falkenstein, Pechuel-Loesche, Flegel, Pogge, Buchner, Holub, Buchholz, Mechow, Wißmann, Hahn, Mauch, Schnitzer, Zöller, speziell für Ägypten Lepsius und Klunzinger, für China v. Richthofen, Kreitner, für die von Indien und Hochasien die Berichte der Gebrüder Schlagintweit, Leitners und Stoliczkas, für Hinterindien Bastian, für den Indischen Archipel Junghuhn, Semper und Jagor, in russischen Diensten v. Baer, Schrenk, Middendorf u. a. für das nördliche und östliche Asien, Abich und Radde für die Kaukasusländer, für Australien Leichhardt und F. v. Müller, für Neuseeland Dieffenbach, Hochstetter und Haast, für Ozeanien die in russischen Diensten stehenden Deutschen Kotzebue mit Chamisso, Krusenstern, Lütke, ferner A. B. Meyer, Finsch, Seemann, Gräffe, Bastian, für die Nordpolarländer Payer und Weyprecht. Sehr umfangreich ist die wissenschaftliche Reiselitteratur in England vertreten. Auch den Franzosen, wiewohl sie, wie Italiener und Spanier, ihrer Natur nach weniger zum Reisen geneigt sind, verdankt dieselbe nicht nur wertvolle, sondern auch vorzüglich ausgestattete und meist auf Kosten der Regierungen ausgearbeitete Reisewerke. Die russische Thätigkeit in der Erforschung Innerasiens und Sibiriens ist eine sehr große, ganz außerordentlich aber die der Amerikaner der Union in der Erforschung ihres Kontinents; von den Schweden ist Nordenskjöld zu nennen, die Dänen beschäftigen sich mit Grönland. Ihnen allen verdanken wir eine zum Teil vortreffliche Reiselitteratur. Neben der wissenschaftlichen R. hat sich mit der Vervollkommnung der Verkehrsmittel in neuerer Zeit eine andre entwickelt, welche sich nach den mehr bekannten oder selbst nach völlig zivilisierten Ländern der Erde richtet und vorzugsweise Schönheiten der Natur, die sozialen und politischen Verhältnisse behandelt oder die persönlichen Erlebnisse, Betrachtungen und Empfindungen des Reisenden in den Vordergrund stellt und daher mehr oder weniger belletristischer Beschaffenheit ist. Auf diesem Gebiet haben die Reisenden verschiedener Nationen Vorzügliches geleistet; von Deutschen sind namentlich zu nennen: Kohl, M. Wagner, Gerstäcker, Fallmerayer, Ida Pfeiffer, Thümmel, Stahl, v. Hügel, Pückler-Muskau, H. Heine, Venedey, Mügge, Schmarda, v. Scherzer, v. Maltzan, Vambéry, Willkomm, Möllhausen, G. Rasch, Gregorovius, v. Löher, Rodenberg, A. Ziegler, Faucher, v. Hübner, H. Meyer, Passarge u. a. Endlich ist noch auf jene Werke hinzuweisen, welche durchaus Produkte der Phantasie, aber in das Gewand einer R. gekleidet sind: die sogen. Robinsonaden und die fingierten naturwissenschaftlichen Reisebeschreibungen, wie sie neuerdings J. Verne mit Erfolg gepflegt hat. Um die Forschungen und Erfahrungen der Reisenden der großen Allgemeinheit des Volkes mehr zugänglich zu machen, hat man sich in Deutschland schon früh bemüht, die Reiseberichte der Forscher aller Länder in Übersetzungen und Bearbeitungen zu größern Sammelwerken zu vereinigen. Von den neuern sind namentlich zu nennen: "Sammlung der besten und ausführlichsten Reisebeschreibungen" (Berl. 1764-1803, 35 Bde.); G. Forster, "Neue Geschichte der Land- und Seereisen" (Hamb. 1789-1808, 19 Bde.); "Bibliothek der neuesten Reisebeschreibungen" (Berl. 1780-90, 10 Bde.); "Neues Magazin von merkwürdigen Reisebeschreibungen" (das. 1803-39, 15 Bde.); besonders aber Sprengel und Ehrmann, "Bibliothek der neuesten Reisebeschreibungen" (Weim. 1800-1814, 50 Bde.), und daran anschließend Bertuch, "Neue Bibliothek der Reisebeschreibungen" (das. 1814-35, 65 Bde.); ferner Widemann und Hauff, "Reisen und Länderbeschreibungen" (Stuttg. 1835-54, 42 Bde.), und aus neuerer Zeit die "Bibliothek geographischer Reisebeschreibungen und Entdeckungen" (Jena, seit 1868). Sammlungen von Auszügen aus zahlreichen Reisebeschreibungen sind: Thomas, "Bilder aus Länder- und Völkerkunde" (Leipz. 1870); Schöppner, "Hausschatz der Länder- und Völkerkunde" (3. Aufl., das 1876, 2 Bde.); Spamer ("Buch der Reisen", "Neues Buch der Reisen"). In England befaßt sich die Hakluyt Society mit der Herausgabe älterer Reisebeschreibungen.

Reïs-Efendi (Kharidschijjeh-Nasiri), s. Reïs.

Reisen, das, hat sich im Lauf der Zeit und mit dem Fortschreiten der Zivilisation in einer staunenswerten Weise entwickelt, namentlich im Anschluß an die Vervollkommnung der Verkehrsmittel und die durch verbesserte internationale Beziehungen gewährleistete Sicherheit der Reisenden. Die Zwecke der Reisen sind heute sehr verschieden. Anfänglich durch rein merkantile Bedürfnisse angeregt, verfolgen sie jetzt die Entdeckung und Erforschung unbekannter Länder, sie werden unternommen zur Belehrung, zur Herstellung oder Befestigung der Gesundheit, zum Vergnügen, zur Anknüpfung oder Befestigung kaufmännischer Verbindungen oder auch aus religiösen Motiven. Naturgemäß hat das R. gleichen Schritt mit der zunehmenden Leichtigkeit des Verkehrs gehalten. Während auf den ersten Stufen der Kultur eine Überschreitung der engen Heimatsgrenzen bei den meisten Völkern nur in ganz außergewöhnlichen Fällen vorkommt, gehört heute eine Reise um den ganzen Erdball und in die entlegensten Winkel desselben zu den alltäglichen Vorkommnissen, und die Zahl der "globe-trotters" ist Legion. Im Anfang war es besonders der Handelstrieb, welcher bei vielen Völkern