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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Reuter

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Reuter.

und erlebte verschiedene Auflagen (Frankf. u. Leipz. 1750 u. öfter) sowie auch neuere Bearbeitungen. Ein Neudruck der ältesten Ausgabe erschien Halle 1885. Vgl. Zarncke, Christian R., der Verfasser des Schelmuffsky, sein Leben und seine Werke (Leipz. 1884).

2) Fritz, der hervorragendste und erfolgreichste plattdeutsche Dichter neuerer Zeit, geb. 7. Nov. 1810 zu Stavenhagen in Mecklenburg-Schwerin, studierte zu Rostock und Jena die Rechte, beteiligte sich auf letzterer Universität an den burschenschaftlichen Bestrebungen, ward 1833 in Berlin verhaftet, nach einjähriger Untersuchung zum Tod verurteilt, vom König zu 30jähriger Festungshaft begnadigt, nach vierjähriger Haft in preußischen Festungen (s. "Ut mine Festungstid") 1838 nach Mecklenburg ausgeliefert und in Dömitz interniert, bis er 1840 infolge der preußischen Amnestie seine Freiheit wiedererhielt. Er bewirtschaftete nun bis 1850 das väterliche Gut bei Stavenhagen, gab dann die Landwirtschaft auf und ließ sich als Privatlehrer in Treptow, später als Schriftsteller in Neubrandenburg nieder. Seit 1864 lebte der Dichter in Eisenach, wo er 12. Juli 1874 starb. Während seines Aufenthalts in Treptow hatte er, in engern Kreisen längst als vorzüglicher Erzähler bekannt, begonnen, "Läuschen und Rimels" (Anklam 1853; 17. Aufl., Wism. 1886) in die Öffentlichkeit zu senden. Die köstlich anschauliche und naive Weise, in der hier den ältesten und bekanntesten Scherzen und Anekdoten zu wahrhaft neuem Leben verholfen war, ließ in R. alsbald ein seltenes Talent erkennen. Die folgenden poetischen Erzählungen: "De Reis' nah Belligen" (Trept. 1858; 12. Aufl., Wism. 1884); "Läuschen und Rimels", neue Folge (Neubrandenb. 1858, 14. Aufl. 1884); "Kein Hüsung" (Greifsw. 1858; 10. Aufl., Wism. 1885) sowie "Schurr Murr" (das. 1861, 11. Aufl. 1886) verhalfen R. zu einer über die Grenzen des niederdeutschen Sprachgebiets hinausreichenden Popularität, die nicht unerhebliche Förderung durch eine Reihe von Recitatoren (wie Palleske, Kräpelin) fand, welche weite Kreise mit diesen durch den mündlichen Vortrag erst zur Entfaltung ihrer vollen Wirkungskraft gelangenden Dichtungen bekannt machten. In ganz Deutschland ward man durch seine (wie gleichzeitig durch Groths) Dichtungen auf die in der plattdeutschen Sprache liegende Fülle köstlichen Humors, echter Naturlaute für den Ausdruck der Empfindung und wirksamer Mittel für volkstümliche Genredarstellung aufmerksam. Die Verwendung dieser Mittel durch eine kerngesunde, tief innerliche und doch frische Natur, wie R. war, wirkte erquickend. Seine Meisterleistungen gab der Dichter in der poetischen Erzählung "Hanne Nüte" (Wism. 1860, 13. Aufl. 1884) und den unter dem Gesamttitel: "Olle Kamellen" vereinigten Erzählungen und zwar sowohl in den köstlichen kleinern Geschichten: "Woans ick tau 'ne Fru kamm" nebst "Ut de Franzosentid" (das. 1860, 16. Aufl. 1886) und "Ut mine Festungstid" (das. 1863, 14. Aufl. 1885), wie vor allem in dem größern Roman "Ut mine Stromtid" (das. 1862-64, 3 Bde.; 16. Aufl. 1886), welcher den eigentümlichen und poetisch wertvollsten deutschen Schöpfungen der Neuzeit unbedingt hinzugerechnet werden muß. Minder hoch, obschon an komischen Zügen reich, sind die nachfolgenden Erzählungen: "Dörchläuchting" (Wism. 1866, 11. Aufl. 1886) und "De mecklenbörgschen Montecchi un Capuletti oder de Reis' nah Konstantinopel" (das. 1868, 10. Aufl. 1885). Die aus seinem Nachlaß publizierten Lustspiele: "Onkel Jakob und Onkel Jochen", "Fürst Blücher in Teterow" sowie "Die drei Langhänse" (2. Aufl., Leipz. 1875), erwiesen, daß dem vorzüglichen Erzähler dramatisches Talent versagt war. Reuters "Sämtliche Werke" erschienen noch bei Lebzeiten des Dichters in 13 Bänden (Wism. 1863-68); als 14. und 15. Band gab Ad. Wilbrandt die "Nachgelassenen Schriften", mit Biographie (das. 1875), heraus; eine Volksausgabe erschien in 7 Bänden (3. Aufl., das. 1885). Vgl. außerdem Glagau, Fr. R. und seine Dichtungen (2. Aufl., Berl. 1875); Ebert, Fritz R. (Güstrow 1874); Latendorf, Zur Erinnerung an Fritz Reuters verschollene Gedichte etc. (Pößneck 1879); Gaedertz, Fritz R.-Studien (Berl. 1888).

3) Hermann Ferdinand, namhafter Kirchenhistoriker, geb. 30. Aug. 1817 zu Hildesheim, studierte in Göttingen und Berlin Theologie, habilitierte sich Ostern 1843 an der Berliner Universität, wurde 1853 außerordentlicher Professor in Breslau, 1855 ordentlicher Professor in Greifswald, 1866 abermals in Breslau, wo er 1869 zum Konsistorialrat ernannt wurde; 1876 folgte er einem Ruf nach Göttingen, woselbst er 1881 Abt von Bursfelde wurde. Seine Werke sind: "Johannes von Salisbury" (Berl. 1842); "Geschichte Alexanders III. und der Kirche seiner Zeit" (2. Aufl., Leipz. 1860-64, 3 Bde.); "Abhandlungen zur systematischen Theologie" (Berl. 1855); "Geschichte der religiösen Aufklärung im Mittelalter" (das. 1875-77, 2 Bde.); "Augustinische Studien" (Gotha 1887). Auch machte er sich durch die Mitbegründung der "Zeitschrift für Kirchengeschichte" (1876) verdient.

4) Paul Julius, Freiherr von, Begründer des nach ihm benannten Telegraphenbüreaus in London, geb. 21. Juli 1821 zu Kassel, trat in ein Bankgeschäft in Göttingen und 1847 in eine Buchhandlung in Berlin. 1849 begründete er in Paris eine lithographierte Korrespondenz; als aber die preußische Regierung die Telegraphenlinie von Aachen nach Berlin für den Privatverkehr freigab, ging R. nach Aachen und trat als Vermittler von Depeschen mit den hervorragendsten Zeitungen und Bankgeschäften in Verbindung. Eine gleichzeitig ins Leben gerufene Brieftaubenpost zwischen Aachen und Brüssel sollte ihm die Nachrichten aus Paris und London rascher als auf dem gewöhnlichen Weg zutragen. Mit der Ausdehnung der Telegraphenlinien verlegte er sein Büreau nach Verviers, dann nach Quiévrain und 1851 nach London, wo sich seine Beziehungen rasch in großartigem Maß erweiterten. Er beschaffte von allen Hauptpunkten des Kontinents kommerzielle und finanzielle Nachrichten und versorgte damit Journalisten und Geschäftsleute. Seit 1858 trat er mit der englischen Presse in Verbindung, und während des italienischen Kriegs brachte auch die "Times" die Depeschen des Reuterschen Büreaus. R. errichtete nun Zweigbüreaus in Amsterdam, Brüssel, im Haag, in Antwerpen, Bombay, Kalkutta, Alexandria, Kairo, Schanghai, Singapur, Hongkong, Peking, in den Seeplätzen Afrikas, in Kanada, Westindien, Nord- und Südamerika, kurz, Reuters Verbindungen umfaßten die ganze Welt. Während des amerikanischen Kriegs unterhielt er eine eigne Telegraphenlinie zwischen Cork und Crookhaven. Auch in China und Indien füllte er Lücken der telegraphischen Verbindung aus und errichtete z. B. einen Kurierdienst zwischen Peking und Kiachta, dem Endpunkt der russischen Telegraphenlinie in Mittelasien. Die ihm 1865 vom König von Hannover erteilte Erlaubnis, ein Kabel zwischen der englischen und hannöverschen Küste zu legen, wurde nachträglich von der preußischen Regierung bestätigt und zugleich von dieser