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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Roland; Roland de la Platière; Rolandsbresche; Rolandseck; Rolandslied

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Roland - Rolandslied.

Blüte entfaltet wurde (besonders am Rhein, in München, Würzburg, Dresden, Berlin und Potsdam) und bis um 1770 herrschend blieb, nachdem schon seit ca. 1750 die Reaktion des nüchternen und steifen Zopfstils eingetreten war. Der Rokokostil brachte keine neuen konstruktiven Elemente mit, sondern war vorzugsweise Dekoration. Semper bezeichnet es als Eigentümlichkeit des R., daß "das Rahmenwerk in ihm selbständig und zum Organismus wird, alle andern traditionellen Formen der Baukunst zu ersetzen beginnt". Eine willkürliche, aber äußerst anmutige Ornamentik, bei der eine eigentümliche Muschelform die Hauptrolle spielt, macht sich auf Kosten einer strengen Stilistik geltend. Besonders in der Innendekoration übt das R. einen märchenhaft bestrickenden Reiz aus. Die Bemalung hielt sich in hellen, gebrochenen Farben; viel wurde namentlich auch Vergoldung angewandt. Die Hauptschöpfungen des R., welches sich von Frankreich über ganz Europa verbreitete, und das jetzt wieder sehr in Aufnahme gekommen ist, sind die Schlösser in Versailles, in Brühl und Benrath am Rhein, in München (Nymphenburg), Würzburg, der Zwinger und das Japanische Palais in Dresden, Schloß Friedrichskron und Sanssouci bei Potsdam. Das R. erstreckte sich auch auf das gesamte Kunstgewerbe des 18. Jahrh. und hat namentlich der Porzellanfabrikation ihr Gepräge gegeben. Es nahm auch chinesische Elemente in sein dekoratives System auf. Vgl. A. v. Zahn, Barock, R. und Zopf (in der "Zeitschrift für bildende Kunst", Bd. 8, Leipz. 1873); Schumann, Barock und R. (das. 1885); Dohme und Gurlitt, Die Architektur und das Kunstgewerbe des 17. und 18. Jahrhunderts (Berl. 1884 ff.); Gurlitt, Geschichte des Barockstils, des Rokokos u. des Klassizismus (Stuttg. 1886-88). R. nennt man auch die Tracht jener Kunstperiode, und danach war R. früher die Bezeichnung für etwas Veraltetes oder Altmodisches.

Roland (Ruotland, ital. Orlando), der berühmteste Held aus dem Sagenkreis von Karl d. Gr. und seinen Paladinen, auf dessen geschichtliche Existenz jedoch nur eine Stelle in Einhards "Vita Caroli Magni" hindeutet, indem dort berichtet wird, daß bei dem Angriff der Vaskonen auf die Nachhut des 778 aus Spanien zurückkehrenden Kaisers Karl unter andern Edlen auch R., der Markgraf der Bretagne (britannici limitis praefectus), sein Leben verloren habe. Die Sage macht R. zum Neffen Karls, einem Sohn seiner Schwester Bertha und Milons von Anglant, und zum Ideal eines christlichen Ritters. Seine Thaten und Abenteuer bildeten seit frühster Zeit den Inhalt zahlreicher französischer Volkslieder, denen dann die bezügliche Erzählung in Turpins (s. d.) "Chronik" (um 1095) ihre Entstehung verdankte, wie nach denselben Liedern ein Sänger des 11. Jahrh. das französische Volksepos "Chanson de R." dichtete, das seinerseits wieder dem deutschen Rolandslied (s. d.) des Pfaffen Konrad zur Grundlage diente (vgl. Karlssage). Auch die zahlreichen spanischen Romanzen von R. aus dem 13. Jahrh. (abgedruckt bei Wolf u. Hofmann, "Primavera de romances", Berl. 1856) gehen auf französische Quellen zurück, wogegen die italienische Bearbeitung des Stoffes durch den Florentiner Sostegno di Zanobi unter dem Titel: "La Spagna" (14. Jahrh.) auf ältern, in Italien selbst verfaßten Gedichten beruht. Die spätern italienischen Epen, welche die Kampfes- und Liebesabenteuer Rolands zum Gegenstand haben, wie "Morgante maggiore" von L. Pulci, "Orlando innamorato" von Bojardo und namentlich der "Orlando furioso" von Ariosto, entfernen sich weit von der ursprünglichen Sage. Vgl. F. W. Schmidt, Über die ital. Heldengedichte aus dem Sagenkreis Karls d. Gr. (Berl. 1820).

Roland de la Platière (spr. -lāng d'la platjähr), Jean Marie, franz. Staatsmann, geb. 18. Febr. 1734 zu Thizy bei Villefranche im Beaujolais, trat in seinem 19. Jahr in Nantes bei einem Schiffsreeder, dann in Rouen bei dem Inspektor der Manufakturen in Dienst und ward dann selbst Inspektor in Amiens. Beim Ausbruch der Revolution war er Generalinspektor der Manufakturen und Fabriken in Lyon, wurde um diese Zeit in die Munizipalität dieser Stadt berufen und gründete 1790 einen Jakobinerklub. Zur Vertretung der gewerblichen Interessen 1791 von Lyon zur Nationalversammlung nach Paris gesandt, trat er hier in Verbindung mit den Girondisten, siedelte im Dezember nach Paris über und erhielt durch Brissot im Girondeministerium vom März 1792 das Portefeuille des Innern, bis ihn Ludwig XVI. eines allzu freimütigen Briefs wegen 13. Juni entließ. Kaum war jedoch der Umsturz des Throns erfolgt (10. Aug.), als R. wieder in das Ministerium eintrat. Er bewies sich als einen ebenso entschiedenen Feind der anarchischen Bestrebungen der Bergpartei, wie er jeden Angriff auf die wahre Volksfreiheit energisch zurückwies. Von den Jakobinern des Bestrebens beschuldigt, die Provinzen politisch selbständig und von der Hauptstadt unabhängig zu machen, gab R. 23. Jan. 1793 seine Entlassung ein. Beim Sturz der Girondisten Anfang Juni 1793 ward auch Rolands Verhaftung dekretiert; doch entkam er nach Rouen und gab sich auf die Nachricht vom Tod seiner Gattin 15. Nov. selbst den Tod. Unter seinen Schriften sind die an seine spätere Gattin gerichteten "Reisebriefe" (Amsterd. 1782, 6 Bde.) und das "Dictionnaire des manufactures et des arts qui en dépendent" (3 Bde.) zu erwähnen, das er für Panckouckes "Encyclopédie méthodique" schrieb. - Seine Gattin Marie Jeanne R., geb. 17. März 1754 zu Paris, Tochter des Goldschmiedes Phlipon, wurde durch das Studium des Altertums für republikanische Ideen gewonnen und unterstützte ihren Gatten, den sie 4. Febr. 1780 heiratete, in seinen Geschäften als Minister; namentlich war sie die Verfasserin mancher Aufsätze und Adressen, welche im Interesse der Politik ihres Gatten zur Öffentlichkeit gelangten. Wegen ihrer Korrespondenz mit den geflüchteten Girondisten 2. Juni 1793 verhaftet, führte sie vor dem Revolutionstribunal ihre Verteidigung selbst, endete aber 9. Nov. 1793 unter der Guillotine, wobei sie eine ungewöhnliche Geistesgröße bewies. Ihre lehrreichen "Mémoires" (Par. 1820; neue Ausg. von Faugère, 1864, 2 Bde.; von Claretie, 1884, 2 Bde.) enthalten auch ihre übrigen Schriften; ihre Briefe wurden herausgegeben von Dauban (das. 1867, 2 Bde., und Auswahl in 1 Bd.). Vgl. Dauban, Étude sur Madame R. (Par. 1864); M. Blind, Madame R. (Lond. 1886).

Rolandsbresche, s. Brèche de Roland.

Rolandseck, Schloß, s. Rolandswerth.

Rolandslied, ein dem karolingischen Sagenkreis angehöriges episches Gedicht in altdeutscher Sprache, verfaßt zwischen 1127 und 1139 von einem "Pfaffen Konrad", der in Diensten Heinrichs des Stolzen stand und von diesem zur Bearbeitung des Stoffes nach der französischen "Chanson de Roland" (hrsg. von Michel, Par. 1869; von Böhmer, Halle 1872; von Gautier, Par. 1875; von Kölbing, Heilbr. 1877; von Th. Müller, Götting. 1878; von Förster, Heilbr. 1886; vgl. Seelmann, Bibliographie des altfranz. Rolandsliedes, Heilbr. 1888) veranlaßt wurde. Der Inhalt des Ge-^[folgende Seite]