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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Römisches Reich

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Römisches Reich (Geschichte bis 96 n. Chr.).

Pompejus, den Sohn des großen, im Sizilischen Krieg (38-36) besiegte, was ihm auch Gelegenheit gab, M. Lepidus zu beseitigen, und sein Heer durch Feldzüge gegen die benachbarten Völker im Nordosten von Italien kriegstüchtiger machte. Endlich kam es nach langer Spannung zwischen den beiden Nebenbuhlern zum Krieg. Antonius wurde in der Seeschlacht bei Actium besiegt (31) und gab sich, von allen verlassen, in Ägypten selbst den Tod (30). So fiel Oktavian der letzte entscheidende Sieg und damit die Alleinherrschaft in Rom zu.

Das römische Reich unter dem Julischen Kaiserhaus (31 v. Chr. bis 68 n. Chr.).

Im Innern ließ Oktavian, um die republikanischen Erinnerungen zu schonen, die bisherigen Formen und Ämter fortbestehen, sorgte aber dafür, daß ihm vom Senat die wesentlichen Befugnisse allmählich übertragen wurden (s. oben S. 935). Auch wurde ihm 27 v. Chr. zur Bezeichnung seiner die übrigen Bürger überragenden Stellung der Ehrenname Augustus vom Senat beigelegt, mit dem er seitdem benannt wurde. Sein Hauptaugenmerk war auf die Herstellung von festen Ordnungen in dem durch die langen Bürgerkriege zerrütteten Reich und auf die Gewöhnung der römischen Bürger und der übrigen Angehörigen des Reichs an die neue Staatsform gerichtet. Er war von kriegerischem Ehrgeiz frei und suchte daher Kriege zu vermeiden. Dennoch wurde er genötigt, 27-19 in Spanien einen Krieg zu führen, in welchem die ganze Halbinsel unterworfen wurde, und die Germanen an der Donau und am Rhein zu bekämpfen. Seine Stiefsöhne Tiberius und Drusus eroberten das Gebiet der Alpen bis zur Donau (Rätien, Vindelizien und Noricum), und auch das Land rechts des Rheins wurde durch Feldzüge und geschickte Verhandlungen unterworfen, ging aber durch die Niederlage des Varus im Teutoburger Wald (9 n. Chr.) wieder verloren.

Die im ganzen glückliche und wohlthätige Regierung des Augustus, welche auch für Kunst und Litteratur eine Blütezeit war (Augusteisches Zeitalter), endete 19. Aug. 14 n. Chr., an welchem Tag er zu Nola in Kampanien starb. Es folgte Tiberius, der adoptierte Stiefsohn des Augustus. Im Anfang seiner Regierung unternahm sein Neffe Germanicus (s. d.) mehrere Feldzüge nach Deutschland (14-16). Tiberius selbst enthielt sich aller kriegerischen Unternehmungen; er hielt sich bis 26 in Rom oder der nächsten Umgebung und von da an auf der Insel Capreä (Capri) auf, immer mit Regierungsangelegenheiten beschäftigt. Seine Regierung war für die Provinzen nicht weniger wohlthätig als die seines Vorgängers; desto drückender lasteten seine Verschlossenheit, sein Mißtrauen und seine Menschenverachtung auf Rom. Der Senat wurde von ihm zur knechtischsten Unterwürfigkeit herabgebracht und von ihm dazu benutzt, auf die Anklagen der sogen. Delatoren, d. h. niedriger Denunzianten, die unter ihm zuerst emporkamen, eine große Zahl der angesehensten Männer verurteilen zu lassen. Seine Hauptwerkzeuge dabei waren der Präfekt der Prätorianer, L. Älius Sejanus, der die Prätorianer, um sich ihrer desto sicherer zu seinen Zwecken bedienen zu können, 23 in einem festen Lager in der Stadt vereinigte, und nach dessen Sturz (31) Macro. Nach Tiberius' Tod folgte ihm sein Großneffe Gajus Caligula (37-41), der, vom Cäsarenwahnsinn befangen, seine kurze Regierung unter den unsinnigsten Ausschweifungen und Schwelgereien sowie unter Grausamkeiten verbrachte und von den Prätorianern ermordet wurde. Nun folgte, von den Prätorianern erhoben (das erste Beispiel dieser Art), Tiberius Claudius Nero, der Bruder des Germanicus, der selbst vom besten Willen beseelt, aber von einer an Blödsinn grenzenden Schwäche des Verstandes war und sich deshalb ganz von seinen Frauen, erst der sittenlosen Messalina, dann seit 49 der herrschsüchtigen Agrippina, und von seinen Freigelassenen leiten ließ, wodurch auch unter seiner Regierung Rom zum Schauplatz von Ausschweifungen und Grausamkeiten gemacht wurde. Agrippina ließ Claudius 54 vergiften, nachdem er ihren Sohn Nero adoptiert hatte, und hob diesen auf den Thron. Auch ihn verführte nach wenigen Jahren das Bewußtsein schrankenloser Gewalt zu Grausamkeiten, sinnlosen Ausschweifungen und schamloser Entwürdigung seiner hohen Stellung, bis das Heer in Gallien und Spanien sich gegen ihn erhob und Nero, vom Senat verlassen, sich selbst tötete (68). Mit ihm erlosch das Julische Kaiserhaus nach hundertjähriger Herrschaft, unter der die vorzügliche Organisation des Reichs sich noch immer durch neue Eroberungen (Mauretanien, Britannien, Armenien) bewährte.

Die Herrschaft der Flavier und Antonine (68-180).

Die Legionen in Gallien und Spanien hatten Galba zum Kaiser ausgerufen, der in Rom von der Herrschaft Besitz ergriff, aber im Januar 69 von M. Salvius Otho mit Hilfe der Prätorianer gestürzt wurde; Otho unterlag darauf A. Vitellius, welcher von den Legionen des untern Germanien zum Kaiser ernannt worden war, und tötete sich selbst (16. April 69); gegen Vitellius wurde aber von den Legionen im Osten T. Flavius Vespasianus, der eben mit dem Jüdischen Krieg in Palästina beschäftigt war, als Kaiser ausgerufen, der im Dezember 69 durch Besiegung des Vitellius zur Herrschaft gelangte. Durch ihn (69-79) wurde Zucht und Ordnung im Heer und im Reich wiederhergestellt; unter seiner Regierung wurde von Titus 70 der Jüdische Krieg durch die Eroberung und Zerstörung Jerusalems beendet; ferner wurde in demselben Jahr ein Aufstand der Bataver, der von Civilis erregt worden war und sich über einen großen Teil von Gallien verbreitet hatte, durch Petilius Cerealis unterdrückt und die Unterwerfung von Britannien, namentlich (seit 77) durch Gnäus Julius Agricola, über einen größern Teil der Insel erstreckt.

Mit Vespasian aber begann eine längere, bis 180 reichende, nur durch Domitian unterbrochene Reihe trefflicher Fürsten, unter denen sich das römische Reich einer großen materiellen Wohlfahrt erfreute. Sein älterer Sohn, Titus Flavius Vespasianus, erwarb sich während seiner kurzen Regierung (79-81) durch die vielen Beweise von Wohlwollen und Herzensgüte die Liebe des Volkes in hohem Grad, obwohl das Glück der Zeit durch mehrere schwere Unglücksfälle getrübt wurde, namentlich durch die furchtbare Eruption des Vesuvs (24. Aug. 79), durch welche das schöne und fruchtbare Land am Meerbusen von Neapel verwüstet und die Städte Pompeji und Herculaneum verschüttet wurden. Die Regierung des jüngern Sohns des Vespasian, T. Flavius Domitianus (81-96), war wieder, wie die des Caligula und Nero, eine Kette von Ausschweifungen, Schwelgereien und Grausamkeiten, besonders seit 93, nachdem die Verschwörung des Saturninus entdeckt worden war; auch die Kriege gegen die Katten, Sarmaten und Dacier, die er aus Eitelkeit unternahm, um glänzende Triumphe zu feiern, gereichten dem römischen Namen nur zur Schande; dem rühmlichen Krieg des Agricola aber, welcher unter ihm weitere große Fort-^[folgende Seite]