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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

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Ruchgras - Rückenmark.

Rüchels Nachlaß. Ein Beitrag zur Geschichte seiner Zeit" (Berl. 1878).

Ruchgras, s. Anthoxanthum.

Ruchonnet (spr. rüschonneh), Louis, schweizer. Staatsmann, geb. 18. April 1834 in England als Sohn eines dort ansässigen Waadtländers, ward, nachdem er 1850-56 an der Akademie zu Lausanne die Rechte studiert hatte, Advokat in St. Saphorin (Waadt). 1863 in den waadtländischen Großen Rat gewählt, von der radikal-demokratischen Partei, die 1866 zum Siege gelangte, als Führer anerkannt und trat 1868 in den Staatsdienst ein, in welchem er bis 1874 blieb und 1873 auch als Präsident fungierte. 1866 zum Mitglied des schweizerischen Nationalrats gewählt, nahm er durch seine Beredsamkeit und Arbeitskraft alsbald eine hervorragende Stellung ein und wurde, obwohl Föderalist und Gegner der zentralistischen Bundesrevision von 1872, zweimal (1869 u. 1875) zum Präsidenten des Rats erhoben, 1881 in den Bundesrat berufen und für 1883 zum Präsidenten der Eidgenossenschaft gewählt. Im Bundesrat verwaltet er das Departement der Justiz und Polizei.

Ruck, Insel der span. Gruppe der Karolinen (s. d.).

Rückanspruchserbe, s. Regredienterbschaft.

Rückbürge, s. Bürgschaft.

Rückdiskontierung (Rediskontierung), Weiterbegebung diskontierter Wechsel an größere Banken (s. Diskont).

Rückeinnahmen, im Kassenwesen die von bereits geleisteten Zahlungen wieder zurückfließenden Summen, ohne daß sie der Rechnungsprüfung zu unterziehen waren.

Rücken (Dorsum), die dem Bauch gegenüberliegende Seite des tierischen Körpers, im engern Sinn bei den Säugetieren die obere (beim Menschen hintere) Wand des Rumpfes, die einerseits am Nacken, anderseits entweder bei den letzten Rippen oder, mit Einschluß der Lenden, erst am Darmbein ihre Grenze findet. Gewöhnlich ist dann am R. eine Mittelfurche, entsprechend der Wirbelsäule, und rechts und links ein aus Muskeln gebildeter Wulst vorhanden. Die Haut ist am R. meist dick und verhältnismäßig wenig empfindlich.

Rückenbau, s. Bewässerung, S. 859.

Rückenblut (Lendenblut), nach ältern Anschauungen eine Form des Milzbrandes bei Rindern mit Karbunkelbildung im Mastdarm. Nach neuern Erfahrungen kommt eine solche Erkrankung beim Rind nicht vor, und auch die Versuche, mittels Reizung der Mastdarmschleimhaut und Entleerung von Blut aus derselben eine Störung der Gesundheit zu beseitigen, sind irrationell.

Rückengefäß, s. Gliederfüßler, S. 429.

Rückenmark (Medulla spinalis), bei den Wirbeltieren die im knöchernen Kanal der Wirbelsäule gelegene Fortsetzung des Gehirns, die mit diesem zusammen das Zentralnervensystem bildet. Während es bei den niedern Wirbeltieren das Gehirn an Masse weit übertrifft, bleibt es bei den höhern hinter demselben ebensosehr zurück. Da die von ihm ausgehenden Nerven um so stärker sind, je größer der von ihnen zu versorgende Körperteil wird, so sind bei allen, mit Ausnahme der Fische, die Nerven für die vier Extremitäten besonders umfangreich, und daher schwillt auch das sonst gleichmäßige R. in der Brust- und Lendengegend bedeutend an. Gewöhnlich erstreckt sich das R. durch alle Wirbel hindurch, doch endigt es auch mitunter (Amphibien, manche Säugetiere) schon früher, und dann laufen die für die weiter nach hinten gelegenen Teile bestimmten Nerven eine Zeitlang im Wirbelkanal nebeneinander her (sogen. Pferdeschweif, cauda equina). Die Ganglienzellen liegen im Innern des Rückenmarks und bilden eine rundliche, graue Masse mit zwei nach oben und zwei nach unten gehenden Fortsätzen oder Hörnern, von denen die Nerven (s. unten) entspringen; der Rest wird von weißen Nervenfasern eingenommen. Die Verbindung derselben mit den Ganglienzellen ist noch nicht genau bekannt, indessen weiß man doch so viel, daß die von den Nerven aus in das R. eintretenden Fasern teils auf derselben Seite, teils erst nach Hinübertritt auf die andre Seite in Ganglienzellen enden oder bis zum Gehirn verlaufen. Da das R. gleich dem Gehirn beim Embryo als eine von der Haut aus sich bildende Rinne entsteht, die sich erst allmählich zu einem Rohr schließt, so bleibt im Innern desselben ein Hohlraum, der Zentralkanal, dessen Wandung mit Flimmerzellen ausgekleidet ist. Beim Menschen (s. Tafel "Nerven" I, Fig. 3; II, Fig. 5) bildet das R. einen Strang von der Dicke eines kleinen Fingers, der nach oben zu in das verlängerte Mark (s. Gehirn, S. 2) übergeht u. nach unten schon in der Höhe des ersten Lendenwirbels endet. Die drei das R. umgebenden Häute sind die Fortsetzungen der drei Hirnhäute (s. Gehirn, S. 2) und heißen daher, von außen nach innen gerechnet, die harte Rückenmarkshaut (dura mater spinalis), die Spinnwebenhaut (arachnoidea spinalis) und die weiche Rückenmarkshaut (pia mater spinalis). Der Raum zwischen den beiden letztern ist mit Lymphe erfüllt. Die Gefäße zur Ernährung des Rückenmarks stammen von der vordern Spinalarterie, lösen sich im R. selbst in Geflechte und Kapillarnetze auf und gehen in die zwei Spinalvenen über. Die vom R. entspringenden Nerven (Spinalnerven) haben ganz allgemein je zwei Wurzeln, eine obere (beim Menschen hintere) und eine untere (vordere). Letztere, deren Fasern zu den Muskeln verlaufen und sie zu Bewegungen veranlassen, heißen auch motorische, erstere, weil sie zur Vermittelung der Reize dienen, sensible. Beide Wurzeln jedes Nervs vereinigen sich kurz nach dem Austritt aus dem Wirbelkanal, zuvor jedoch schwillt die sensible zu einem kleinen Ganglion an. Im weitern Verlauf des Nervs gehen beiderlei Fasern bis in das zu versorgende Gebiet hinein zusammen und trennen sich erst nach ihrer Bestimmung. Auch mit dem sympathischen Nervensystem verbinden sie sich in besonderer Weise (s. Sympathikus). Beim Menschen unterscheidet man 31 Paar Nerven; diejenigen für die Arme und Beine verzweigen sich zu starken Geflechten (s. Tafel "Nerven II", Fig. 4). Was die physiologischen Leistungen des Rückenmarks betrifft, so wirkt dasselbe nicht nur als Vermittler zwischen Gehirn und Rückenmarksnerven, sondern ist auch bis zu einem gewissen Grad ein selbständiges Zentralorgan. Wird bei einem geköpften Frosch die Haut z. B. mittels sehr verdünnter Schwefelsäure gereizt, so beginnt das Tier alsbald die betupfte Stelle derartig mit seinen Gliedmaßen zu bestreichen, daß es gar keinem Zweifel Unterliegen kann, daß diese Bewegungen einen bestimmten Zweck, nämlich Entfernung der reizenden Substanz, im Auge haben. Welche Stelle der Haut man auch betupft, stets werden die Bewegungen einen durchaus geordneten Eindruck machen und sich entweder auf Abwehr der Reize oder auf Fluchtversuche erstrecken. Die Bewegungen erfolgen mit einer solchen Gesetzmäßigkeit, daß Pflüger sie auf die Existenz einer besondern "Rückenmarksseele" zurückgeführt hat; hierbei übersah er aber, daß an geköpften Tieren spontane Bewegungen, aus deren Vorkommen wir allein auf das