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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Rumänien

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Rumänien (Industrie u. Handel, Verkehrswesen, Staatsverfassung u. Verwaltung).

(Braila) und in Slanik (Bakau), die reichen Arsenquellen von Caciulata (Rimnik-Valcei).

[Industrie und Handel.] Abgesehen von der Hausindustrie, welche auf dem Land eine große Rolle spielt, befindet sich das Gewerbe noch in den rohesten Anfängen, und nur in wenigen Zweigen ist, zum Teil unter Protektion der Regierung, ein fabrikmäßiger Betrieb eingerichtet. Es gibt über 30 Bierbrauereien, welche jedoch für den Bedarf nicht ausreichen, eine Destillieranstalt (Turnu-Severin), mehrere Tabaks- und Zuckerfabriken, 2 Tuch-, eine Aktienpapierfabrik, je eine Gips-, Fayence-, Porzellan- und Zündholzfabrik. Unter dem 21. April 1887 ist ein Gesetz erlassen, welches Industriellen, die mit einem Kapital von mindestens 50,000 Lei eine Fabrik anlegen und darin wenigstens 25 Arbeiter beschäftigen, große Privilegien einräumt, z. B. Steuerfreiheit auf 15 Jahre, zollfreie Einfuhr von Maschinen und Rohstoffen, Ermäßigung der Eisenbahnfrachten für ihre Erzeugnisse etc. Der Handel mit dem Ausland, welcher meist in den Händen von Fremden liegt, ging früher vornehmlich über Galatz und Braila nach dem Schwarzen Meer und von hier nach England und Frankreich; seit einigen Jahren wandte er sich mit Benutzung der Donauschiffahrt und der Eisenbahnen mehr Österreich-Ungarn und Deutschland zu. Doch hat der Handelsverkehr mit Österreich-Ungarn seit Ablauf des zehnjährigen Handelsvertrags (31. Mai 1886) und des dadurch entstandenen Zollkriegs sich vermindert. Die Einfuhr aus Österreich-Ungarn ist von 120,7 Mill. Lei (1885) auf 53,4 Mill. Lei (1887) gesunken, desgleichen die Ausfuhr dorthin von 83,8 Mill. auf 21,2 Mill. Lei. Im allgemeinen ist jedoch die Einfuhr Rumäniens von 268,5 Mill. Lei (1885) auf 296,5 Mill. Lei (1886) und 314,6 Mill. Lei (1887), die Ausfuhr von 248 Mill. Lei (1885) auf 255,5 Mill. Lei (1886) und 265,7 Mill. Lei (1887) gestiegen. Die Hauptgegenstände der Einfuhr waren 1886: Spinnstoffe und Gewebe 117 Mill. Lei, Metalle und Metallwaren 53,8 Mill., Sattlerwaren 23,2 Mill., Kolonialwaren und Südfrüchte 17,6 Mill., Thon- und Glaswaren 13,4 Mill., Holz und Holzwaren 12 Mill. Lei; zur Ausfuhr kamen vornehmlich Getreide und Mehl 184,2 Mill. Lei, Südfrüchte und Gemüse 20,7 Mill., Getränke 12,8 Mill. Lei. An der Einfuhr waren 1887 Deutschland mit 90 Mill. Lei, Großbritannien mit 86,8 Mill., Österreich-Ungarn mit 53,4 Mill., Frankreich mit 25 Mill. und Belgien mit 16,6 Mill. Lei, an der Ausfuhr Großbritannien mit 154,2 Mill. Lei, Österreich-Ungarn mit 21,2 Mill., Frankreich mit 19,7 Mill., Italien mit 17,2 Mill., Belgien mit 15,7 Mill., Deutschland mit 8,8 Mill. Lei beteiligt. Aus Deutschland werden besonders Wollengewebe, Strumpfwaren, Tuch, Leder, Eisenbahnschienen, Bijouterien und Kurzwaren eingeführt. Die Schiffahrt konzentriert sich vornehmlich auf die Häfen Sulina, Braila, Galatz, Giurgewo und Constanza; 1884 liefen ein: 20,478 Schiffe von 3,711,143 Ton., aus: 20,650 Schiffe von 3,678,849 T.

Das Staatseisenbahnnetz hat sich seit der Eröffnung der ersten Linie (Bukarest-Giurgewo, 78 km, 1869) immer mehr entwickelt und umfaßt (1888) 2601 km befahrene und 382 km im Bau begriffene Bahnen (zusammen 2983 km). Die letzte der Privatbahnen (Itzkani-Roman-Jassy) ist letzthin verstaatlicht worden. Die Hauptbahnlinie durchschneidet das Land von Verciorova (an der Donau und der ungarischen Grenze) über Bukarest-Fokschani bis Itzkani-Roman (an der Bukowinaer Grenze). Von der Hauptlinie geht bei Plojesti eine Linie über Predeal nach Siebenbürgen, von Bukarest eine nach Giurgewo (gegenüber Rustschuk, dem Anfangspunkt der bulgarischen Linie Rustschuk-Warna), eine andre nach Fetesci an der Donau, gegenüber Czernavoda (mit noch zu bauenden Donaubrücke) zum Anschluß an die nach dem am Schwarzen Meer gelegenen Hafenplatz Constanza führende Bahn. Nach Rußland führt die Bahn Jassy-Ungheni-Kischinew. Alle Distrikte haben jetzt ihre Bahnverbindungen mit der Hauptbahn, was für Entwickelung des Verkehrs von großer Wichtigkeit ist. Der Frachtverkehr ist auf den rumänischen Eisenbahnen in den Jahren 1880-85 von 783,000 Ton. auf 1,589,000 T. gestiegen; der Personenverkehr beläuft sich auf 1 1/3 Mill. Reisende. Auch gute Landstraßen sind neuerdings in den meisten Landesteilen gebaut und mehr als 40 Postrouten für Personenbeförderung eingerichtet worden; doch ist der Fahrpreis (0,90-1,20 Mk. für die deutsche Meile) teuer. Mit der Post wurden 1886: 18,8 Mill. Briefe und Postkarten und über 1/3 Mill. Pakete befördert; es gab 188 Postbüreaus. Die Länge der Telegraphenlinien betrug 1886: 5319 km. Die Münzeinheit in R. bildet der Leu ("Löwe") à 100 Bani (Para) = 1 Frank. Man prägt Goldmünzen zu 20 Lei und Silbermünzen zu 5, 2, 1 Leu und 50 Bani. Seit 1880 ist das französische Maß- und Gewichtssystem allgemein eingeführt.

[Staatsverfassung und Verwaltung.] R. bildet einen konstitutionellen Staat unter der erblichen Dynastie des Königs Karl I. von Hohenzollern-Sigmaringen (seit 1866). Die Verfassung beruht auf der Konstitution von 1866, welche 1884 revidiert wurde. Hiernach übt das Volk alle Staatsgewalten durch Delegation aus. Die Exekutive gehört dem König (rege), der mittels seiner verantwortlichen Minister regiert. Die gesetzgebende Gewalt wird ausgeübt von dem König, dem Senat (120 Mitglieder) und der Abgeordnetenkammer (183 Mitglieder), welche 27. Nov. jedes Jahrs zu einer dreimonatlichen regelmäßigen Session zusammentreten. Die Zentralverwaltung zerfällt in die acht Departements des Innern, des Kultus und des Unterrichts, der Justiz, der Finanzen, der Domänen (des Ackerbaues, Handels und der Industrie), der öffentlichen Arbeiten, des Kriegs und des Äußern. Hinsichtlich der innern Verwaltung zerfällt R. in 32 Distrikte oder Kreise, 163 Bezirke oder Arrondissements u. 3070 Gemeinden, darunter 72 städtische. Dem Distrikt steht ein Präfekt, dem Bezirk ein Unterpräfekt und den Kommunen je ein Primar (Maire) vor. Dem Präfekten zur Seite stehen ein zwölfgliederiger Distriktsrat und in dessen Abwesenheit ein dreigliederiger ständiger Ausschuß. An die Distriktsverwaltung reiht sich die Verwaltung der Kommunen, die in Stadt- und Landgemeinden zerfallen. Dem Primar steht zur Seite ein Gemeinderat, dessen Mitgliederzahl je nach der Einwohnerzahl zwischen 9 und 17 schwankt. Die Beschlüsse des Gemeinderats können teils selbständig ausgeführt werden, teils bedürfen sie der Zustimmung des ständigen Ausschusses und des Ministers des Innern (Budget etc.), teils auch der königlichen Genehmigung (Steuern etc.). Der Primar wird auf den Antrag des Ministers aus der Mitte der gewählten Gemeinderäte vom König ernannt; er ist zugleich Agent der Zentralverwaltung, leitet die Gemeindepolizei, in sechs Städten auch die Ortspolizei, redigiert die Wahllisten und besorgt die Führung der Standesregister und die Eintreibung der direkten Staatssteuern. - An der Spitze der herrschenden griechischen Kirche steht die heilige Synode, welcher die beiden Erzbischöfe und Metropoliten zu Bukarest und Jassy sowie sechs Bischöfe zu Rimnik,