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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sankt Petersburg

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Sankt Petersburg (Bevölkerung, Industrie und Handel).

anlagen bedeckter Kai trennt die Admiralität von der Newa. Außer zahlreichen Kanzleien enthält die Admiralität das Marineministerium, eine Bibliothek von 50,000 Bänden und das Marinemuseum. Vom 74,5 m hohen vergoldeten Turm des Gebäudes hat man einen schönen Überblick über die Stadt. Durch den Hof der Admiralität geht der Meridian von S. Rechts von dieser, die Hauptfassaden zum Alexandergarten gewandt, erheben sich zwei große, in gleichem Stil aufgeführte Gebäude, die durch ein hohes Thor verbunden sind, das in die Galeerenstraße führt. Es sind dies die Gebäude des heiligen Synods und des Senats. Mehr durch seine Größe als durch sein stilvolles Äußere fällt das Generalstabsgebäude in die Augen. Ferner verdienen bemerkt zu werden: das Kriegsministerium, das Domänenministerium, der kaiserliche Marstall, das Postgebäude, die Zollgebäude, die Börse, die Akademie der Künste u. a.

[Bevölkerung, Industrie und Handel.] Die Bevölkerung St. Petersburgs zeigte bis in die letzten Jahre ein stetes Wachsen. 1839 zählte man 476,386, 1859: 532,241, 1869: 667,963, 1881 mit Vorstädten: 928,016 Einw., nämlich 511,380 männlichen und 416,636 weiblichen Geschlechts, dagegen 1888 (Zählung 27. Juni): 842,883 Einw. (488,990 männliche, 353,893 weibliche). Sie verteilten sich der Konfession nach 1881 folgendermaßen: 722,420 Rechtgläubige, 85,662 Protestanten, 28,172 Katholiken, 20,826 Juden, 4701 Sektierer, 2927 Mohammedaner, 556 Armeno-Gregorianer; der Rest hat keine Angabe gemacht. Die Zahl der Eheschließungen war 1886: 6128, der Gebornen 27,820, der Gestorbenen 25,358. S. bietet im allgemeinen das Beispiel einer Stadt, deren Bevölkerung nur durch Zuwachs von außen zunimmt. In der Periode 1868-86 gab es nur drei Jahre, in denen die Zahl der Gebornen die Zahl der Gestorbenen übertraf, nämlich 1874, 1877 und 1886. Der Nationalität nach gab es 85,5 Proz. Russen, 5,77 Proz. Deutsche (ca. 50,000); doch waren nur 3,3 Proz. nicht russische Unterthanen. Der Bevölkerung standen 1881: 21,051 Wohngebäude mit 131,095 Wohnungen zur Verfügung, von welchen 13,710 leer standen. 51,7 Proz. aller Wohngebäude sind aus Stein, 44 Proz. aus Holz gebaut, 4,3 Proz. gemischten Charakters. Von 9897 Grundstücken hatten 1881 nur 4299 mit 4395 Häusern, d. h. 44,1 Proz., Wasserleitung, und von diesen bedienten sich nur 1954 Häuser des Gases.

Als Fabrikstadt nimmt S. die erste Stelle unter den Städten des russischen Reichs ein. Auf kaiserliche Rechnung sind im Betrieb: eine Hautelissetapetenfabrik (von Peter d. Gr. gegründet), eine Spiegelfabrik, eine Papierfabrik und Edelsteinschleiferei in Peterhof, eine Porzellanfabrik, eine Eisengießerei etc. Im J. 1881 zählte man 15,464 kaufmännische Geschäfte, 5508 Handwerksunternehmungen und 1167 gewerbliche Anstalten größern Stils. Unter den letztern sind eigentliche Fabriken, d. h. Etablissements mit mehr als 20 Arbeitern, 386 mit 74,126 Arbeitern. Von diesen gehören 368 mit 64,698 Arbeitern Privatpersonen und 18 mit 9428 Arbeitern der Krone. Die hauptsächlich in S. vertretenen Industriezweige sind: Eisengießerei und Maschinenbau (62 Anstalten mit 16,708 Arbeitern), Baumwollindustrie (30 Fabriken mit 16,418 Arbeitern), Nahrungsmittelindustrie (59 Fabriken mit 11,707 Arbeitern), chemische Industrie (46 Fabriken mit 4543 Arbeitern). Ein hervorragendes Gewerbe ist das Fuhrgewerbe, mit dem sich im Sommer nicht weniger als 13,685 Personen befassen; darunter 8228, die Personenfuhrwerk, 5457, die Lastfuhrwerk betreiben. Bei dem weitläufigen Bau der Stadt spielt dasselbe im Verkehr eine sehr große Rolle. Der Großhandel liegt vorzugsweise in den Händen der Deutschen u. Engländer. Früher mußten alle größern Schiffe in Kronstadt, dem eigentlichen Hafen der Hauptstadt, bleiben, da diese nur einen kleinen Hafen für Kauffahrteischiffe mit nicht über 2,3 m Tiefgang hat. Die sich daraus für den Handel ergebenden Schwierigkeiten sind durch den 1885 eröffneten Seekanal gehoben. Der Seekanal erstreckt sich vom südlichen Kronstädter Fahrwasser in gerader Richtung zum Westende der Stadt; bei einer Länge von etwa 30 km entfallen über 17 km auf den offenen Seeteil desselben. Der Einfluß des Seekanals äußert sich in der enormen Steigerung der unmittelbaren Ausfuhr von S., die sich von 1883 bis 1886 von 17,4 Mill. Pud auf 55 Mill. Pud hob. Ein andrer Zweig dieses Unternehmens ist ein Flußkanal in entgegengesetzter Richtung, von ersterm aus der Newa in den neuen Handelshafen, um den aus den Kanalsystemen und der Wolga kommenden Barken den weiten Umweg im Verfolgen der Krümmung, welche der untere Lauf der Newa macht, zu ersparen. Demgemäß gewinnt der neue Hafen, welchen eine besondere "Gesellschaft für das Entrepot von Waren" mit einem Gründungskapital von 5,760,000 Rubel einzurichten unternommen hat, auch an Bedeutung für den Binnenhandel Rußlands. Die Verbindung der von S. auslaufenden Eisenbahnen, der nach Moskau führenden Nikolaibahn, der Zarskoje Seloer Bahn, der Warschauer Bahn (die nach N. führende Finnische Bahn bleibt ausgenommen), untereinander durch einen Schienenweg und anderseits mit der Newa und dem neuen Hafen bildet den Schlußstein des riesigen Unternehmens, das den Export und Import wie auch den Binnenhandel Rußlands erleichtern soll. Die Zahl der 1887 in S. und Kronstadt eingelaufenen Schiffe betrug 2001 (darunter 1434 Dampfer) mit 1,072,868 Ton., die der ausgelaufenen 1927 (meist nach Großbritannien, Deutschland und Schweden) mit 1,046,074 Ton. Der Gesamtwert der zur See ausgeführten Waren (vorzugsweise Lebensmittel, namentlich Getreide und Rohstoffe) betrug 1887: 55 Mill. Rub., die Einfuhr 58,7 Mill. Rub. Hierzu kommt eine Einfuhr auf dem Landweg im Wert von 7,9 Mill. Rub. Im Verkehr mit Finnland betrug die Ausfuhr zu Wasser und zu Lande von S. 16,1 Mill. Rub., die Einfuhr 1,6 Mill. Rub. Im Kabotageverkehr liefen in S. 837 Fahrzeuge mit 132,098 T. ein und gingen 1267 mit 175,904 T. aus. In der Stadt selbst konzentriert sich der Handel in den Kaufhöfen (Gostinnoi-, Apraxin-, Tschukin-Dwor), im Krugloj-Rynok ("runder Markt") an der Moika, im Pustoj-Rynok ("leerer Markt") am Liteinij, im Nikolskij-Rynok bei der Nikolaikirche und in dem Hauptviktualienmarkt, der Sennaja ("Heumarkt"). Die Große Sadowaja, an der die Kaufhöfe, der letztgenannte und der Nikolskijmarkt liegen, ist nächst dem Newskij-Prospekt die Hauptpulsader des geschäftlichen Verkehrs und des Handels des gemeinen Volkes. Da seit 1875 diese Straße mit allen Enden der Stadt durch ein Pferdeeisenbahnnetz, das sich auch über die Inseln ausdehnt, verbunden ist, hat der Verkehr in derselben noch bedeutend zugenommen. Die Länge dieser Straßenbahnen beträgt 98 km, die Zahl der sich derselben bedienenden Personen über 30 Mill. Dem Binnenhandel dienen 9772 Magazine und Buden. Mit dem Verkauf von Getränken und mit dem Ausschank derselben befassen sich 3057 Etablissements unter den verschiedensten Benennungen. Außerdem gibt es 43 Restaurants und 44 Hotels. Die statistischen Angaben über den gewerblichen Verkehr der Stadt sind mangelhaft.