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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schädel

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Schädel (die Teile des menschlichen Schädels).

Ansichten über diesen Punkt gediehen (s. Schädeltheorien). Innerhalb der einzelnen Wirbeltierklassen ergeben sich für den S. folgende allgemeinere Unterschiede. Der S. der Knochenfische zeichnet sich durch eine große Anzahl zeitlebens getrennt bleibender Knochen aus, die bei den höhern Gruppen meist verwachsen; namentlich ist dies mit dem Kiefer und Kiemendeckelapparat der Fall. Bei den Amphibien bleibt das knorpelige Primordialkranium vielfach unterhalb der Deckknochen erhalten; Reptilien und Vögel zeigen im Bau des Schädels große Ähnlichkeit unter sich und große Verschiedenheit von den Säugetieren; sehr früh verschmelzen die Knochen zu einer festen Kapsel bei den Vögeln; am Primordialkranium fehlt meist die Decke; letzteres Verhalten gilt auch für die Säugetiere, bei denen der Knorpel schon sehr bald in Knochen übergeht.

Die einzelnen Teile des Schädels der Säugetiere mögen im Anschluß an die folgende Beschreibung des menschlichen Schädels besprochen werden (s. Tafel "Skelett des Menschen II"). Von den 22 Knochen desselben bilden 8 den S. im engern Sinn (Schädelknochen), während die übrigen sich an die knöcherne Gehirnkapsel nur anlehnen und die Grundlage für den Gesichtsteil des Kopfes abgeben (Gesichtsknochen). Nimmt man die letztern von dem Skelett des Kopfes weg, so bleibt eine im allgemeinen halbeiförmige Kapsel zurück, welche nach oben zu gewölbt, nach unten zu aber mehr flach gedrückt ist. Ihre Decke wird vom Stirnbein und einem Teil der beiden Schläfenbeine, ihre Grundfläche vom Grundbein und einem Teil der Schläfenbeine gebildet. 1) Das Stirnbein (os frontis) oder Vorderhauptsbein, am vordersten Teil des Schädels, besitzt die Gestalt einer Muschel, von welcher der eine Teil senkrecht als Stirnschuppe in die Höhe steigt, während der andre horizontal liegt und die Decke der Augenhöhle bildet. Da, wo die Stirnschuppe in das Dach der Augenhöhle übergeht, liegen im Innern des Stirnbeins selbst die Stirnhöhlen, welche mit der Nasenhöhle zusammenhängen. Hinten ist das Stirnbein durch die Kranznaht (sutura coronalis) mit den Scheitelbeinen und den großen Flügeln des Keilbeins vereinigt; bei Kindern und bei den meisten Säugetieren besteht es noch aus zwei gleichen seitlichen Hälften, welche alsdann durch die Stirnnaht (sutura frontalis) verbunden sind. Zwischen den beiden Augenhöhlenteilen des Stirnbeins bleibt ein enger Ausschnitt, in welchen sich 2) das Siebbein oder Riechbein (os ethmoideum) mit seiner sogen. Siebplatte, d. h. einer unpaaren, zum Durchtritt des Riechnervs mit vielen Löchern versehenen Platte, einfügt (s. Tafel "Mundhöhle etc.", Fig. 2). Das Siebbein selbst besteht ursprünglich aus diesem mittlern und zwei seitlichen Stücken (den sogen. Labyrinthen), verwächst jedoch rasch zu einem Ganzen. Der hintere Rand der Augenhöhlenteile des Stirnbeins steht mit dem 3) Keilbein (os sphenoideum) in Verbindung. Dieses erinnert einigermaßen an die Gestalt einer fliegenden Wespe, ist zwischen sämtliche Schädelknochen wie ein Keil eingetrieben und tritt mit allen in unmittelbare Berührung. Es besteht aus einem mittlern, annähernd würfelförmigen Teil, an welchen sich drei Paar Fortsätze anschließen. Der mittlere Teil oder Körper birgt in sich die Keilbeinhöhlen, welche gleich den Stirnhöhlen mit der Nasenhöhle in Verbindung stehen. Auf seiner obern Fläche hat er eine sattelförmige Vertiefung (Türkensattel, sella turcica), in welchem der sogen. Hirnanhang (glandula pituitaria) ruht. Nach rechts und links von dem Körper gehen zwei Paar annähernd horizontale Fortsätze ab, nämlich die vordern oder kleinen und die hintern oder großen Keilbeinflügel. Sie sind voneinander durch die obere Augenhöhlenspalte getrennt, durch welche die Schädelhöhle mit der Augenhöhle kommuniziert und mehrere Nerven aus ersterer in die letztere übertreten. Von dem untern Teil des Körpers erstrecken sich die flügelförmigen Fortsätze nach abwärts. Wie aus der Entwickelungsgeschichte hervorgeht, ist der Körper des Keilbeins aus zwei hintereinander gelegenen Stücken verschmolzen, die bei den übrigen Säugetieren stets oder doch sehr lange Zeit getrennt bleiben; auch die Flügel und Fortsätze sind ursprünglich selbständig. Beim erwachsenen Menschen ist übrigens das ganze Keilbein mit dem hinter ihm gelegenen Hinterhauptsbein fest zu dem sogen. Grundbein (os basilare) verbunden; man zählt daher auch wohl nur 7 Schädelknochen. 4) Das Hinterhauptsbein (os occipitis) hat im wesentlichen die Gestalt einer flachen Muschel, von welcher ein Teil senkrecht steht, nämlich die Hinterhauptsschuppe, während der andre horizontal nach vorn und unten abbiegt. Erstere steht mit den Scheitelbeinen und den Schläfenbeinen durch die Lambdanaht (sutura lambdoidea) in Verbindung; der horizontale Teil ist durchbohrt von einem daumenstarken Loch (Hinterhauptsloch oder foramen magnum), durch welches das Rückenmark aus der Schädelhöhle in den Wirbelkanal, die Wirbelarterien aber von außen in die Schädelhöhle eintreten. Zu beiden Seiten dieses Loches liegen die beiden konvexen Gelenkfortsätze, mittels deren sich der ganze Kopf auf dem ersten Halswirbel nach vorn und hinten bewegen, beugen und strecken kann. Das Hinterhauptsbein entsteht durch Verschmelzung von 4 Knochen, nämlich des basalen, der beiden seitlichen und des obern Hinterhauptsbeins, die z. B. bei den Beuteltieren sehr lange als einzelne Knochen bestehen, gewöhnlich jedoch schon früh verwachsen. 5) und 6) Die Scheitelbeine (ossa parietalia) liegen hinten und seitlich am S. und stellen fast quadratische Knochenplatten dar. Untereinander stehen sie durch die Pfeilnaht (sutura sagittalis) in Verbindung, welche gerade von vorn nach hinten über den S. hin verläuft. 7) und 8) Die Schläfenbeine (ossa temporum) liegen an der Seite des Schädels, zwischen dem Keil-, Scheitel- und Hinterhauptsbein. Jedes Schläfenbein besteht aus drei verschiedenen, jedoch fest miteinander verschmolzenen Teilen, nämlich dem Felsenteil oder Felsenbein, dem Warzenteil und dem Schuppenteil. Das Felsenbein (os petrosum) birgt in seinem Innern das ganze Gehörorgan mit der Ausbreitung des Gehörnervs. Es hat die Gestalt einer dreiseitigen Pyramide; an seiner Basis fällt der äußere Gehörgang ins Auge. Außerdem finden sich an ihm noch mehrere Löcher zum Durchgang von Nerven und Gefäßen. Ein besonderer Fortsatz, der Griffelfortsatz (processus stiloideus), ist ein abgetrenntes und mit dem Felsenbein verwachsenes Stück des Zungenbeins; er dient mehreren Muskeln zum Ansatz. Senkrecht über der Basis des Felsenbeins liegt der Schuppenteil (oder Schuppenbein, os squamosum) des Schläfenbeins; er trägt nach vorn den Jochfortsatz, an den sich das Jochbein anschließt, und dicht dabei die Gelenkgrube für den Gelenkkopf des Unterkiefers. Durch die Schuppennaht (sutura squamosa) legt er sich an das Scheitelbein und den großen Keilbeinflügel an. Der Warzenteil des Schläfenbeins liegt hinter dem Schuppenteil und tiefer als derselbe; er ist äußerlich hinter der Ohr-^[folgende Seite]