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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schall (Zungenpfeifen, Schwingungsfiguren).

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Schall (Zungenpfeifen, Schwingungsfiguren).

schenräumen unterbricht. Dieser Luftstrom dringt aus dem Rohr pp der Zungenpfeife (Fig. 16), welche mit ihrem Fuß auf ein Gebläse aufgesetzt ist, in die Messingrinne rr (Kanile), deren Schlitz von der vibrierenden Zunge l abwechselnd geöffnet und geschlossen wird, u. entweicht durch die Öffnung v ins Freie. Durch den Holzpfropfen ss, mit welchem das Zungenwerk auf das Rohr der Pfeife aufgesetzt ist, ist der Stimmdraht d gesteckt, durch dessen Niederdrücken oder Aufziehen man die Zunge höher oder tiefer stimmen kann. Zur Verstärkung und Abänderung des Tons kann auf die Öffnung v ein kegelförmiger Schalltrichter aufgesetzt werden, welcher, wenn er nur kurz ist, auf die Schwingungszahl der Zunge keinen Einfluß übt, bei hinreichender Länge aber dieselbe wesentlich abändert. Die Zunge ist nämlich weder so starr wie eine Stimmgabel, noch so nachgiebig wie der vibrierende Luftstrom, der eine gewöhnliche Pfeife zum Tönen bringt. Daher wird erst, wenn das Ansatzrohr genügend lang ist, die in demselben sich ausbildende stehende Wellenbewegung die Zunge zwingen, sich ihr anzubequemen. Eine andere Art von Zungenwerken sind die membranösen Zungenpfeifen oder Lippenpfeifen; sie werden durch zwei häutige elastische Platten oder Lippen (z. B. von Kautschuk) gebildet, welche einen schmalen, zwischen ihnen befindlichen Spalt durch ihre Schwingungen abwechselnd öffnen und schließen und so den aus dem Spalte dringenden Luftstrom unterbrechen. Durch stärkere Spannung der Lippen wird die Tonhöhe gesteigert. Das menschliche Stimmorgan ist nichts andres als eine Lippenpfeife, in der die Stimmritze die Rolle des Spalts, die Stimmbänder die Rolle der Lippen spielen.

Zusammenwirken der Töne.

Wird von zwei nebeneinander aufgespannten gleich gestimmten Saiten die eine angeschlagen, so gerät auch die andre in Bewegung; sie bleibt dagegen in Ruhe, wenn sie in ihrer Stimmung von jener auch nur wenig abweicht. Man nennt dieses Mittönen eines Körpers beim Erklingen des ihm eigentümlichen Tons Resonanz. Ein Beispiel von Resonanz ist auch das bereits besprochene Mitklingen einer Luftsäule mit einer Stimmgabel, welche denselben Ton gibt, den jene beim Anblasen geben würde. Die Töne der Saiten werden erst dann kräftig hörbar, wenn letztere über einen hölzernen Resonanzboden (Fig. 12) ausgespannt sind, dessen Fasern durch ihr Mitklingen den Ton der Saiten verstärken. Der Wert eines Saiteninstruments ist wesentlich durch die Güte seines Resonanzbodens bedingt.

Ein Stäbchen von rechteckigem Querschnitt, welches am einen Ende A befestigt ist (Fig. 17), kann sowohl in der Richtung ab als in der dazu senkrechten Richtung cd in Schwingungen versetzt werden, deren Schwingungszahlen sich verhalten wie die Dimensionen des Querschnitts in den betreffenden Richtungen. Durch einen schiefen Stoß werden beide Schwingungsarten gleichzeitig wachgerufen, und das freie Stabende beschreibt eine krumme Linie (Lissajous' Schwingungsfiguren, Fig. 18), deren Gestalt von dem Verhältnis der Schwingungszahlen abhängig ist, und welche sehr schön beobachtet werden kann, wenn das Stäbchen oben ein glänzendes Knöpfchen trägt (Wheatstones Kaleidophon). Nach Lissajous' optischer Methode (Fig. 19) können diese Figuren mittels eines Lichtstrahls auf einem Schirm entworfen werden. Zwei Stimmgabeln R und S, von welchen jene vertikal, diese horizontal aufgestellt ist, tragen bei C und B kleine Spiegel. Der von der Lampe A kommende Lichtstrahl AB wird von B nach C, von C auf einen Schirm bei D geworfen und zeichnet hier, wenn beide Gabeln in Ruhe sind, einen Lichtpunkt. Schwingt die Gabel R allein, so erscheint statt des Lichtpunkts ein vertikaler, dagegen, wenn S allein schwingt, ein horizontaler Lichtstreifen; schwingen aber beide Stimmgabeln gleichzeitig, so erblickt man eine Lichtkurve, aus deren Gestalt auf das Schwingungsverhältnis der beiden Stimmgabeln geschlossen werden kann. Auf dasselbe Prinzip gründet sich das Vibrationsmikroskop von Lissajous (Fig. 20). Es besteht aus einer Stimmgabel BG, deren eine Zinke das Objektiv L eines Mikroskops M, die andre ein Gegengewicht trägt. Blickt man durch das am Gestell des Apparats befestigte Mikroskoprohr, so sieht man, wenn die Stimmgabel schwingt, einen hellen

^[Abb.: Fig. 16. Zungenpfeife.]

^[Abb.: Fig. 17. Zusammengesetzte Schwingungen eines Stäbchens.]

^[Abb.: Fig. 18. Lissajous' Schwingungsfiguren.]

^[Abb.: Fig. 19. Lissajous' optische Methode der Vergleichung von Stimmgabeln.]