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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schall (Klangfarbe, Analyse der Klänge).

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Schall (Klangfarbe, Analyse der Klänge).

sendet eine Verdünnungswelle ins Ohr, welche die von der erstern gleichzeitig ausgehende Verdichtungswelle aufhebt. Man hört also in einer Sekunde 4 Schwebungen, nämlich so viele, als der Unterschied der Schwingungszahlen ausmacht. Erfolgen mehr als 30 Stöße in der Sekunde, so kann man sie nicht mehr gut einzeln wahrnehmen; sie bringen aber in ihrer Gesamtheit eine für das Ohr unangenehme Rauhigkeit in den Zusammenklang, welche die Hauptursache der Dissonanz ist. Mit Hilfe der Schwebungen kann man sehr leicht, auch ohne geübtes Gehör, zwei Saiten, Pfeifen etc. gleich stimmen. - Beim Zusammenklingen zweier kräftiger Töne, deren Tonhöhen nicht so nahe beisammenliegen, daß Stöße unterschieden werden könnten, hört man einen dritten tiefern Ton, dessen Schwingungszahl gleich der Differenz der Schwingungszahlen jener beiden Töne ist; derselbe wird Kombinationston, Tartinischer Ton oder nach Helmholtz Differenzton genannt. Man hört z. B. die nächst tiefere Oktave eines Tons, wenn gleichzeitig seine Quinte erklingt.

Die musikalischen Klänge unterscheiden sich außer durch ihre Stärke und Höhe auch noch durch ihre Klangfarbe (timbre); man bezeichnet mit letzterm Ausdruck den eigentümlichen Charakter, den eine und dieselbe Note besitzt, je nachdem sie auf der Violine, der Klarinette, der Trompete, von der menschlichen Stimme etc. angegeben wird. Während die Stärke eines Klanges nur von der Weite seiner Schwingungen abhängig und dem Quadrat derselben proportional ist, die Höhe aber nur von der Schwingungszahl abhängt, ist die Klangfarbe durch die Schwingungsform bedingt. Die Schwingungsform findet ihren Ausdruck in der Gestalt der Wellenlinie, durch welche sich das Gesetz der durch den tönenden Körper erzeugten Verdichtungen und Verdünnungen (z. B. mittels des Phonautographen) graphisch darstellen läßt. In Fig. 24 A und B stellen die stark ausgezogenen Wellenlinien zwei Bewegungen von gleicher Periode, aber verschiedener Schwingungsform dar: die erstere entspricht der einfachen nach dem Pendelgesetz erfolgenden Bewegung einer Stimmgabel; die letztere ist aus zwei durch die schwach ausgezogenen Wellenlinien angedeuteten pendelartigen Bewegungen, dem Grundton und der Oktave, zusammengesetzt. Jede periodische nicht pendelartige Bewegung läßt sich in dieser Weise aus einfachen pendelartigen Bewegungen zusammengesetzt denken, deren Schwingungszahlen sich wie die Zahlen der natürlichen Reihe 1, 2, 3, 4... verhalten. Diese Zusammensetzung ist aber nicht bloß eine gedachte, sondern sie wird von unserm Ohr in der That wahrgenommen. Denn nach einem von G. S. Ohm zuerst aufgestellten Satz empfindet das menschliche Ohr nur eine pendelartige Schwingung der Luft als einfachen Ton und zerlegt jede andre periodische Luftbewegung in pendelartige Schwingungen, welche als eine Reihe einfacher Töne aus dem zusammengesetzten Klang herausgehört werden. Der tiefste in einem Klang enthaltene einfache Ton heißt sein Grundton, die höhern die Obertöne. Die große Mannigfaltigkeit der Klangfarben ist also dadurch bedingt, daß sich zu dem Grundton bald diese, bald jene seiner Obertöne mit größerer oder geringerer Intensität hinzugesellen. Um das Ohr, welches durch Gewohnheit leicht geneigt ist, jeden Klang als ein einheitliches Ganze aufzufassen, in der Wahrnehmung der Partialtöne zu unterstützen, dienen am besten die von Helmholtz angegebenen Resonatoren (Fig. 25), nämlich gläserne oder messingene Hohlkugeln, deren eine Öffnung a der Schallquelle zugekehrt ist, während die andre kegelförmig geformte b in das Ohr eingesetzt wird. Jeder Resonator verstärkt nur denjenigen Ton, auf welchen seine Luftmasse abgestimmt ist, und befähigt so das mit ihm bewaffnete Ohr, diesen Ton aus einem Tongemisch deutlich herauszuhören. Durch eine Reihe auf einen Grundton und die zugehörigen Obertöne gestimmter Resonatoren vermag man daher einen Klang von gleichem Grundton in seine einfachen Partialtöne zu zerlegen. Diese Analyse der Klänge kann sogar für das Auge sichtbar durchgeführt werden mittels Königs Resonatoren-Flammenapparat (Fig. 26); zehn Resonatoren sind übereinander auf einem Gestell befestigt; die hintere Öffnung eines jeden

^[Abb.: Fig. 24. Schwingungsformen. Fig. 25. Resonator. Fig. 26. Resonatoren-Flammenapparat.]