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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Scherenberg; Scherer

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Scherenberg - Scherer.

günstige Wirkung auf die gleichmäßige Verteilung des Bluts und die geregelte Funktion der blutbildenden Organe. Hierdurch ist es bedingt, daß manche Pferde, welche schlecht fressen, nach dem Scheren mehr Futter aufnehmen. Zu beachten ist, daß das Scheren bei kalter Witterung die Gesundheit momentan stört. Zittern, Zusammenstellen der Füße, rauhe Haut, Faltenbildung am Hals und Bauch, Traurigkeit, geringer Appetit, Steifheit treten ein, selbst in wärmern Ställen. Erst nach Wochen gleicht sich das aus. Auch Durchfälle, Katarrhe und Brustentzündungen werden zuweilen beobachtet. Das Scheren der Pferde ist im ganzen eine Luxusoperation, aus der man unter Umständen wegen der Steigerung der Leistungsfähigkeit u. der Minderung des Nachschwitzens Nutzen ziehen kann. Bedeutung hat sie nur für Jagd- und Rennpferde und für sonstige Luxuspferde; für gewöhnliche Arbeits- und Militärpferde ist sie überflüssig. - Bei dem Rind nimmt man das Scheren hauptsächlich vor zur Förderung der Mast. In der großen Mehrzahl der Versuche wurden nur Vorteile für die Futterverwertung durch dasselbe gewonnen, jedenfalls wohl, weil das Putzen erleichtert, die Hautthätigkeit angeregt und der Appetit gesteigert wurde. Bei einem in Belgien mit besonderer Sorgfalt durchgeführten Versuch zeigten die geschornen Ochsen unter sonst ganz gleichen Verhältnissen gegenüber den ungeschornen (je 6 Stück) in fünf Monaten 42 kg Mehransatz von Fleisch; das entspricht auch der durch die Erfahrung längst konstatierten Thatsache, daß im April zur Mästung aufgestellte Hämmel geschoren ihr Futter viel besser verwerten, sich leichter, rascher und vollkommener mästen lassen und nach dem Schlachten ein wertvolleres, dichteres und schwereres Fell liefern als ungeschorne. - Schweine werden nur geschoren, um sie leichter vom Ungeziefer befreien zu können.

Zur Ausführung der Schur benutzte man zuerst einen Kamm zum Aufrichten der Haare und eine auf die Fläche gebogene Schere. Die Langwierigkeit und der teure Preis der Arbeit veranlaßten weiterhin dazu, Sengapparate für Weingeist oder Gas einzurichten, mit denen über einem kurz gezahnten Kamm die Haare abgebrannt wurden. Da hierbei aber Brandwunden auf der Haut und Feuersgefahr nicht sicher vermieden werden können, so verwendet man sie höchstens noch zur Entfernung ganz kurzer Haare und benutzt jetzt allgemein Pferde- und Rinderscheren, bei welchen Kamm und Schere zu Einem Instrument vereinigt sind (s. Figur). Auch benutzt man vielfach eine maschinelle Vorrichtung, bei welcher die eigentliche Schere eine runde Form besitzt. Die Verschiebung der beiden Blätter, deren kurze Klingen passend übereinander gelegt sind, wird durch einen Treibriemen bewirkt. Ein Gehilfe setzt den Apparat in Bewegung, und das Instrument selbst wird kunstgerecht gegen die Haare gehalten. So kann ohne besondere Mühwaltung in einer Stunde das Deckhaar eines Pferdes oder eines Rindes abrasiert werden. Vgl. Rueff, Das Scheren unsrer Haustiere (Berl. 1873); Zündel, Das Scheren der Pferde (Straßb. 1874).

^[Abb.: Pferde- und Rinderschere.]

Scherenberg, 1) Christian Friedrich, Dichter, geb. 5. Mai 1798 zu Stettin, war erst zum Kaufmann bestimmt, kam dann, 15 Jahre alt, auf das Gymnasium seiner Vaterstadt, verließ aber 1817 heimlich das elterliche Haus und lebte zwei Jahre in Berlin, um sich auf eine künstlerische Laufbahn vorbereiten, über deren Ziel und Richtung er sich selbst noch wenig klar war. Der berühmte Schauspieler Wolff, in dessen Haus er Zutritt hatte, erkannte zuerst seine ungewöhnliche dramatische Begabung und bestimmte ihn, sich zunächst praktisch dem Schauspiel zu widmen. S. schloß sich der Truppe zu Magdeburg an, widmete sich aber, durch den Tod seines Vaters in den Besitz eines kleinen Vermögens gelangt, zugleich kaufmännischen Geschäften. Durch unglückliche Spekulationen verarmt, kehrte er 1837 nach Berlin zurück, erhielt eine Beamtenstellung im preußischen Kriegsministerium, nahm seine dichterischen Arbeiten wieder auf und ward bald eins der gefeiertsten Glieder der Dichtergesellschaft, welche sich selbst den Namen "Tunnel" beigelegt hatte. Neben lyrischen Dichtungen ("Gedichte", Berl. 1845, 4. Aufl. 1869) veröffentlichte er die Schlachtengemälde: "Waterloo" (das. 1849, 6. Aufl. 1869), "Ligny" (das. 1850, 4. Aufl. 1870), "Leuthen" (das. 1852, 3. Aufl. 1867), "Abukir, die Schlacht am Nil" (das. 1854, 2. Aufl. 1855) und "Hohenfriedberg" (das. 1869). Durch patriotische Glut, durch Mark und Kraft in der Schilderung, durch wirkliche Freude am großen und kleinen Leben des Kriegs ausgezeichnet, dabei aber von einem knorrigen Realismus, der im Ringen nach eigentümlichem Ausdruck oft aller Form spottet, gehören Scherenbergs Dichtungen zu jenen Schöpfungen, die von Haus aus ein beschränktes Publikum haben. Eine Reihe andrer epischer und dramatischer Werke des Dichters ist noch nicht veröffentlicht. S. starb 9. Sept. 1881 in Zehlendorf bei Berlin. Vgl. Fontane, Christ. Friedr. S. (Berl. 1885).

2) Ernst, Dichter und Publizist, Neffe des vorigen, geb. 21. Juli 1839 zu Swinemünde, besuchte das Gymnasium in Stettin, sollte sich auf väterlichen Wunsch dann einem technischen Beruf widmen und begann die Berliner Gewerbeakademie zu besuchen, vertauschte dieselbe 1858 mit der Kunstakademie, widmete sich endlich aber ausschließlich der Litteratur. Er redigierte 1864-69 das "Braunschweiger Tageblatt" und ließ sich dann in Elberfeld nieder, wo er bis 1883 die Chefredaktion der "Elberfelder Zeitung" führte und noch jetzt das Sekretariat der Handelskammer versieht. Als sinniger und fein empfindender Lyriker bewährte er sich zuerst in der Gedichtsammlung "Aus tiefstem Herzen" (Berl. 1860, 2. Aufl. 1862), welcher der Cyklus "Verbannt" (das. 1861, 2. Aufl. 1865), "Stürme des Frühlings" (neue Gedichte, das. 1865, 2. Aufl. 1870), "1866, Dichtungen" (das. 1867), "Gedichte" (Leipz. 1874, 2. Aufl. 1879) und "Neue Gedichte" (das. 1882) folgten. Weiter veröffentlichte er die Charakterbilder: "Fürst Bismarck" (Elberf. 1885) und "Kaiser Wilhelm" (Leipz. 1888) sowie die dramatische Dichtung "Germania" (das. 1886). Auch gab er eine Anthologie: "Gegen Rom, Zeitstimmen deutscher Dichter" (1.-10. Aufl., Elberf. 1874), heraus.

Scherer, 1) Georg, Dichter, geb. 16. März 1824 zu Dennenlohe bei Ansbach, studierte in München und