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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schiff

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Schiff (Geschichte des Schiffbaues).

bei Segelschiffen ist dafür die Anbringung der Takelage, bei Dampfschiffen der Propeller, die Form des Steuers, der Winkel des letztern etc. von hervorragendem Einfluß; für solche Schlachtschiffe, die mit der Ramme kämpfen, also im allgemeinen die Panzerschiffe, ist eine gute Steuerfähigkeit von der größten Bedeutung; in der Regel ist der Durchmesser des Kreises, in welchem das S. sich dreht, gleich der vier- bis fünffachen Länge des Schiffs. Wenn das S. bei einer durch äußere Einwirkung (Windstoß) erhaltenen Neigung mit großer Kraft in die frühere Gleichgewichtslage zurückschnellt, so nennt man es steif, im andern Fall rank. Ein steifes S. macht sehr schnelle und heftige Bewegungen, ist unmaklig; ein rankes S. unterliegt eher der Gefahr des Kenterns. Schwingungen, welche ein S. um eine horizontale Längsachse macht, heißen Schlinger- oder Schlänger-, auch Rollbewegungen; schwingt das S. um eine horizontale Querachse, so sagt man: es stampft.

Geschichtliches.

Prähistorische Funde deuten auf ein sehr hohes Alter der Schiffahrt. Das älteste Fahrzeug war offenbar ein mit primitivsten Steinwerkzeugen, auch wohl mit Hilfe des Feuers, ausgehöhlter Baumstamm, wie deren mehrfach gefunden worden sind. Größere Fahrzeuge von künstlicherm Bau zeigen die allerdings viel jüngern Felsskulpturen von Bohus-Län in Schweden, Inglestrup auf Seeland etc. Eine Grabstele von Pesaro, die der Gruppe der mykenischen Altertümer zuzurechnen ist, zeigt ein großes S. mit vorn zugespitztem Kiel, hoch emporragendem Vorsteven, Steuerruder, Mast und großem Segel. In der Geschichte des Schiffs lassen sich im allgemeinen drei Perioden unterscheiden. Die erste, die Zeit, in welcher das Ruder als Motor dominierte, reicht bis zum Ende des 15. Jahrh. und spielt hauptsächlich im Mittelmeer. Die zweite Periode, die des Segelschiffs, dauert bis zum Beginn des 19. Jahrh., und es erstreckt sich ihr Gebiet auf Westeuropa. Die letzte Periode, die des Dampfschiffs, beginnt mit diesem Jahrhundert. Über die Bauart und Ausrüstung phönikischer Schiffe ist nichts Genaueres bekannt; die griechischen Kriegsschiffe hatten ungefähr schon die Form der heutigen Schiffe, nur waren sie kürzer und mit einem Aufbau vorn und hinten versehen. Zum Angriff hatten sie über oder in der Wasserlinie einen Sporn. Sie besaßen Takelage, doch ist nicht wahrscheinlich, daß sie schon kreuzen konnten. Die Römer haben nur unbedeutende Veränderungen eingeführt; dagegen brachten die Genuesen und Venezianer bei ihren Kriegsschiffen, namentlich in Bezug auf das Verhältnis der Länge zur Breite, Verbesserungen an. Ein berühmtes S. dieser Periode war der Bucentaur (s. d.). In den letzten 700 Jahren dieser Periode wurden auch in England und Dänemark Boote gebaut, die in Bezug auf Eleganz der Linien und Festigkeit der Bauart mit den heutigen sehr gut konkurrieren können. Den Übergang vom Ruder- zum ausschließlichen Segelschiff veranlaßte die Erfindung der Geschützpforten, welche dem Schiffbauer Decharge in Brest zugeschrieben wird. Indem man nämlich Geschütze in mehreren Decks übereinander aufstellte, war es nicht mehr möglich, daneben noch eine genügende Anzahl Ruder anzubringen, und man verlegte sich daher auf die Vervollkommnung der Takelage. Im allgemeinen und im Vergleich mit der letzten Periode waren auch hier die Fortschritte sehr langsam; doch dürfte die Kunst, gegen den Wind zu fahren, in derselben allmählich bekannt geworden sein (s. Gallione). Den Anfang in der Verbesserung der Takelage machten die Genuesen unter Andreas Doria im Anfang des 16. Jahrh.; die Karavellen des Kolumbus waren noch sehr schlechte Segler, sie machten nur 3 Seemeilen in der Stunde. Seit dem 17. Jahrh. beteiligten sich Spanien, Frankreich, England und Holland an der Weiterbildung des Schiffbaues, während der Hansabund trotz seiner ausgedehnten Schiffahrt keine besondern Verdienste sich erwarb. Seit dieser Zeit haben England und Frankreich ununterbrochen zu den ersten Seemächten gezählt, aber in der ganzen Zeit bis auf den heutigen Tag zwei ganz verschiedene Methoden bei der Verbesserung ihrer Schiffe angewendet. Kurz gefaßt, kann man sagen: die Franzosen geben der Theorie, die Engländer der Empirie den Vorzug. In der in Rede stehenden Periode wurden dadurch letztere schnell überflügelt; später gestaltete sich dies anders. Im 17. Jahrh. entstand die noch jetzt gebräuchliche Einteilung in Linienschiffe mit zwei oder mehreren Batterien, Fregatten mit einer, Korvetten oder Sloops (spr. slups), Briggs, Schoner und Kutter mit Geschützen nur auf dem Oberdeck. Davon waren nur die Linienschiffe, höchstens noch die Fregatten, Schlachtschiffe, die andern nur zum Rekognoszier-, Depeschen- und Kreuzerdienst bestimmt. Das nächste Jahrhundert brachte die Anwendung der Kupferbeplattung gegen die zerstörende Wirkung des Bohrwurms und in seiner Mitte das berühmte Werk "All about ships", in welchem zum erstenmal unter Zugrundelegung wissenschaftlicher Betrachtung allgemeine Regeln für den Bau von Schiffen gegeben wurden, die epochemachend waren. Unter Anwendung von hölzernen und eisernen Diagonalverbänden wurde man in den Stand gesetzt, Schiffe größer und mithin zur Aufnahme größerer Kanonen geeignet zu machen. Mit dem 19. Jahrh. beginnt die dritte Periode. Das wichtigste Ereignis in derselben war die Einführung des Dampfes (s. Dampfschiff) und für Kriegsschiffe die Panzerung (s. Panzerschiff). Die Einführung des Eisens als Schiffbaumaterial wurde dringend nötig bei Dampfschiffen, welche, wenn aus Holz, zu schnell zerstört wurden und ihre größten Vorzüge erst entwickelten, als sie scharf und lang gebaut wurden; bei einer bestimmten geforderten Festigkeit ist aber die Schärfe eines hölzernen Schiffs ziemlich eng begrenzt. In neuester Zeit wendet man auch Stahl an, um die Schiffe (bei gleicher Festigkeit) noch leichter zu machen. Bei den Segelschiffen schritt man auch energisch zu Verbesserungen, als die Konkurrenz der Dampfer ins Leben trat. Die Takelage wurde vergrößert und verbessert, besonders aber die Schiffsform geändert. Das bisherige Verhältnis der Breite zur Länge war 1:3½, wurde aber bald 1:4 und 1:5 und bei Klippern (s. oben) sogar 1:6. Solche scharfe Formen sind, wie erwähnt, in Holz nur schwer und mit vielem Raumverlust auszuführen, daher zur Zeit auch viele Segelschiffe ganz aus Eisen oder Stahl konstruiert sind.

Vgl. Steinhaus, Die Konstruktion und Bemastung der Segelschiffe (Hamb. 1869); Derselbe, Der Eisenschiffbau (2. Aufl., das. 1870); Brix, Der Bau eiserner Kriegs- und Handelsschiffe (Berl. 1876); Werner, Das Buch von der deutschen Flotte (5. Aufl., Leipz. 1889); Rankine, Shipbuilding (Lond. 1866); Reed, Our ironclad ships (das. 1869); Derselbe, Shipbuilding in iron and steel (das. 1868); "The royal navy in a series of illustrations" (anonym, Portsmouth 1872); Dislère, Les croiseurs et la guerre de course (Par. 1875; deutsch von Dietrich, Pola 1876); Derselbe, La guerre d'escadre et la guerre des côtes (2. Aufl., Par. 1883; deutsch von Pott, Pola 1877); van