Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schweden (Staatsverwaltung, Finanzen, Heerwesen).

708

Schweden (Staatsverwaltung, Finanzen, Heerwesen).

jeden Reichstag (von vier Monaten) 1200 Kr. Diäten. Was beide Kammern übereinstimmend beschließen, wird als Reichstagsbeschluß dem König zur Sanktion vorgelegt und erhält Gesetzeskraft, wenn der König es annimmt. Jede Frage, über welche beide Kammern sich nicht einigen, fällt für den bestehenden Reichstag aus, mit Ausnahme solcher, welche Staatsausgaben oder Bewilligungen oder die Verwaltung, die Einnahmen und Ausgaben der Bank und des Reichsschuldenkontors betreffen. In diesen Fällen stimmt jede Kammer über die gefaßten verschiedenen Beschlüsse ab, und die Meinung, welche dann die meisten der in beiden Kammern zusammengezählten Stimmen enthält, gilt als Reichstagsbeschluß. Ohne Bewilligung des Reichstags kann von dem König keine Abgabe erhöht, keine Staatsanleihe gemacht, kein Kronbenefizium veräußert, kein Gebietsteil abgetreten werden. Der Reichstag hat gemeinschaftlich mit dem König die Macht, Gesetze zu geben, zu verändern, aufzuheben und zu interpretieren. Der Reichstag verwaltet allein die Reichsbank und das Reichsschuldenkontor; er ernennt in jedem dritten Jahr einen Ausschuß von 48 Mitgliedern, welcher prüft, ob alle Mitglieder des höchsten Tribunals ihre Pflicht erfüllt haben; auch kann er die Ratgeber des Königs in den Anklagestand vor dem Reichsgericht versetzen. Er ernennt einen Justizsachwalter (justitie-ombudsman), welcher in den Zeiten, wo der Reichstag nicht versammelt ist, die Richter und Beamten überwacht und die Freiheit des Einzelnen schützt, sowie er neben diesem Justizsachwalter ein Komitee von sechs Personen zum Schutz der Preßfreiheit ernennt. Außer dieser Repräsentation wird jede Stadt durch eine Kommunalregierung sowie das Land jedes Läns laut Gesetz vom 21. März 1862 durch ein Landsting repräsentiert, zusammengesetzt aus den Städten von weniger als 25,000 Einw. und den Häradern oder Gerichtssprengeln des Läns. Das Landsting hat zu beraten und zu beschließen über Angelegenheiten des Läns, welche die allgemeine Haushaltung, die Entwickelung des Landbaues und der Gewerbe, die Anstalten zur Beförderung des Kommunikationswesens, Gesundheitspflege, Unterricht, allgemeine Sicherheit etc. betreffen. Das Landsting tritt alljährlich im September in der Hauptstadt des Läns zusammen und kann sechs Wochentage versammelt sein. Den Sprecher ernennt jedesmal der König.

Die Staatsverwaltung hat ihren Mittelpunkt in dem nur aus Schweden lutherischen Glaubens gebildeten Staatsrat, der aus zehn Mitgliedern (sieben mit Portefeuilles für Justiz, Auswärtiges, Inneres, Finanzen, Krieg, Marine, kirchliche Angelegenheiten und drei konsultative Staatsräte) besteht. Die alte Einteilung in Götarike (Gotland), Svearike und Norrland sowie in Landschaften oder Provinzen ist zwar jetzt amtlich nicht mehr im Gebrauch, wird aber in Schriften und im Munde des Volkes beibehalten (s. jene Art.). In administrativer Hinsicht verfällt S. in eine Oberstatthalterschaft (Stockholm) und 24 Läns (Regierungsbezirke), an deren Spitze je ein Landeshauptmann (landshofding) steht. Jedes Län zerfällt wieder in Vogteien (fögderier, im ganzen 117) und Härader, die an der östlichen Küste Skeppslag (Schiffsgenossenschaften) genannt werden, während in den sechs nördlichsten Läns die Tingslag (Gerichtsgenossenschaften) an die Stelle der Härader treten. Die Verwaltung führt in den Städten der Magistrat, an dessen Spitze ein Bürgermeister steht, in den ländlichen Ortschaften der Gemeindevorstand (kommunalnämnd). Oberste Justizbehörde ist das Tribunal des Königs (konungens högsta domstol), welches aus 16 vom König ernannten Gerichtsräten besteht. Appellationsgerichte sind drei Hofgerichte: 1) Svea-Hofgericht in Stockholm für Svearike, Norrland und Gotland, 2) Göta-Hofgericht in Jönköping und 3) das Hofgericht für Schonen und Blekinge in Christianstad. In erster Instanz entscheiden in den Städten (mit Ausnahme von Trelleborg, Borgholm, Skellefteå und Haparanda, die noch unter dem Landgericht stehen) die Rathausgerichte, auf dem Land aber die (116) Häradsgerichte, von denen jeder Gerichtssprengel (domsaga) eins hat, das aus einem von dem König ernannten Richter (häradshöfding) und zwölf von den landbesitzenden Bauern aus ihrer Mitte gewählten Beisitzern (nämndemän) besteht. Geschwornengerichte urteilen nur in Preßangelegenheiten.

Was die Finanzen Schwedens anlangt, so betragen nach dem Budget für 1889 (laut Angabe des Gothaischen "Jahrbuchs") die ordentlichen Einnahmen 18,929,000 Kr. (darunter Eisenbahnen [netto] 6 Mill., Grundsteuern 4,43 Mill., Kopfgeld 2/3 Mill., Staatsländereien 2,7 Mill. Kr.), die außerordentlichen Einnahmen 65,280,000 Kr. (darunter Zölle 36 Mill., Branntweinsteuer 15 Mill., Einkommensteuer 3,6 Mill.), die Stempelsteuer 3,5 Mill. Kr., in Summa, mit Einschluß eines Überschusses aus den Vorjahren im Betrag von 3,5 Mill. Kr.: 87,681,000 Kr. Dem gegenüber betragen die ordentlichen Ausgaben 65,493,411 Kr. (Armee 19,9 Mill., Marine 6 Mill., Kultus und Unterricht 11,5 Mill.), die außerordentlichen Ausgaben 9,368,589 Kr., die Ausgaben des Reichsschuldenkontors 10,955,000 Kr., in Summa: 87,681,000 Kr. Die Staatsschulden, erst in den letzten Jahrzehnten besonders für den Bau der Eisenbahnen kontrahiert, beliefen sich 1. Jan. 1888 auf 21,23 Mill. Kr. inländische und 224,74 Mill. Kr. ausländische Schuld, in Summa: 246 Mill. Kr. Dieser Schuld steht ein bedeutendes Aktivvermögen (Fonds, Domänen, Forsten, Eisenbahnen) des Staats gegenüber, dessen Überschuß Ende 1885: 127 Mill. Kr. betrug. Ungünstiger sind die Finanzverhältnisse der Kommunen, zumal der Städte. 1884 beliefen sich die Einnahmen auf 52,8 Mill. Kr. (in den Städten 29,4 Mill.), die Ausgaben auf 59,7 Mill. Kr. (in den Städten 36 Mill.); den Schulden im Betrag von 119,8 Mill. Kr. (in den Städten 106,7 Mill.) standen an Aktiven 198,8 Mill. Kr. (in den Städten 140,7 Mill.) gegenüber.

Heer und Flotte, Wappen etc.

Das schwedische Militär umfaßt fünf verschiedene Klassen von Wehrleuten, von denen die beiden ersten das stehende Heer bilden: 1) angeworbene Truppen (värfvade), aus Freiwilligen mit zwei- bis sechsjähriger Dienstzeit bestehend; 2) "eingeteilte" Truppen (indelta), welche teils von Grundbesitzern des Landes, teils aus den Krongütern außer ihrem "Torp" (Wohnhaus mit Acker etc.) einen jährlichen Lohn an Geld oder Produkten und, wenn zum Dienst berufen, von der Krone ihren Sold erhalten. Nach ihrer Ausbildung als Rekruten werden diese Truppen jährlich einmal zusammenberufen und 30-36 Tage hindurch geübt; außerdem nehmen abwechselnd alle Truppen an den großen, seit 1873 stattfindenden Herbstmanövern teil. Der Soldat dient so lange, als er tüchtig ist. Neben diesem stehenden Heer gibt es 3) eine Landwehr (beväring), in der jeder Schwede vom 21. Lebensjahr ab auf die Dauer von 12 Jahren (6 in der aktiven Armee, 6 in der Reserve) dienen muß; im Frieden werden die beiden jüngsten Jahrgänge der Infanterie innerhalb zwei Jahren auf zusammen