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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwefelsäure

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Schwefelsäure (Darstellung).

langen sie zur Oxydation der schwefligen Säure in die Bleikammern. Diese werden aus Bleiplatten von 2,6-3 mm Stärke, die mit Hilfe des Knallgasgebläses zusammengelötet sind, konstruiert und erhalten einen Rauminhalt von 800-2000 cbm. Sie sind von Holzgerüsten umgeben und ruhen auf eisernen oder hölzernen Gerüsten, unter welchen die Röstöfen und Abdampfpfannen aufgestellt werden. Die Gase, welche aufeinander einwirken sollen, durchströmen die Kammern von der einen Schmalseite zur andern, und gewöhnlich sind 3-4 Kammern zu einem System vereinigt und durch weite Bleiröhren miteinander verbunden. Die zur Oxydation der schwefligen Säure bestimmte Salpetersäure wird aus Chilisalpeter und S. in einer besondern Abteilung der Kilns entwickelt. In Fig. 1 ist h ein Halbcylinder, der in dem Raum g auf der Platte i steht und durch den Trichter k gespeist wird, so daß sich die Salpetersäuredämpfe mit den Röstgasen mischen. Man stellt aber auch in der Bleikammer flache irdene Schalen mit breitem Überlaufschnabel treppenartig zu einem Kaskadenapparat zusammen und läßt Salpetersäure langsam durch alle Schalen strömen, so daß sie der schwefligen Säure eine große Oberfläche darbietet. Den zur Bildung der S. erforderlichen Wasserdampf leitet man aus einem Dampfkessel in der Richtung der Strömung der Gase in die Bleikammern. Die zweckmäßige Zusammensetzung der Gase, d. h. das richtige Verhältnis zwischen Sauerstoff und schwefliger Säure, erreicht man durch den richtigen Gang der Öfen, einen der letzten Kammer angefügten Schornstein oder durch ein vertikales Abzugsrohr. Die Temperatur in den Kammern beträgt etwa 45-50°. Der oben angedeutete Schwefelsäurebildungsprozeß verläuft am energischten in der ersten Kummer und vollendet sich in den folgenden Kammern, so daß in der letzten die schweflige Säure verschwunden ist und rote Dämpfe von Stickstofftetroxyd und salpetriger Säure die Kammer erfüllen. Man erreicht dieses Resultat mit etwa 3-4 Proz. Salpeter vom Gewicht des verbrannten Schwefels, muß dann aber, um Verluste an Salpetergasen zu vermeiden, einen Gay-Lussacschen Turm anfügen. Dieser ist 8-15 m hoch, aus Bleiplatten konstruiert und mit Koks gefüllt. Letztere ruhen auf einer Art Rost aus hart gebrannten Thonsteinen. Die Gase gelangen aus der letzten Bleikammer durch das Rohr A (Fig. 3) in den Turm und passieren dabei den Ventilkasten B, welcher eventuell die direkte Abführung der Gase in die Luft durch das Rohr C gestattet. Die Gase steigen in feiner Verteilung in der Kokssäule auf, während gleichzeitig möglichst kalte konzentrierte S. von etwa 62° B. über die Koks herabrieselt und die Salpetergase absorbiert. Die von letztern befreiten Gase ziehen durch die Rohre D und C ab und passieren dabei den Ventilkasten E, welcher bei direkter Abführung der Gase die Verbindung des Rohrs C mit dem Turm unterbricht. Die Lösung der Salpetergase in der S. (Nitrose) fließt in das Reservoir R. Die konzentrierte Säure zur Speisung des Turms passiert aus dem Behälter J eine Vorrichtung, durch welche sie gleichmäßig über die Koks verteilt wird. Die Nitrose, welche beim Verdünnen mit Wasser lebhaft rote Salpetergase entwickelt, läßt man entweder mit warmem Wasser zusammenfließen und den Kaskadenapparat passieren, oder man läßt sie in stehenden Cylindern (Kochtrommeln) über Quarzstücke herabrinnen, während am Boden der Cylinder Wasserdampf einströmt und die Salpetergase entbindet, die dann in die Bleikammern geleitet werden; vorteilhafter aber benutzt man den dem Gay-Lussacschen Turm ähnlich konstruierten Gloverturm, welcher mit der Nitrose und Kammersäure (der in den Bleikammern sich sammelnden, noch nicht weiter konzentrierten S.) gespeist wird, während die heißen Gase aus den Kilns unten eintreten und der Säure entgegenströmen. Hierbei findet vollständige Austreibung der Salpetergase (Denitrierung) statt, und die gesamte Säure wird ohne weitere Kosten auf eine Konzentration von 62° B. gebracht, während die Gase zweckmäßig abgekühlt aus dem Turm direkt in die Bleikammern gelangen.

Die Kammersäure, welche 50, höchstens 55° B. stark ist, kann für manche Zwecke direkt benutzt werden, der Gloverturm liefert sogar S. von 60-62° B.; wo aber ein solcher Turm nicht vorhanden ist und stärkere Säure dargestellt werden soll, verdampft man die Kammersäure in Bleipfannen bis 60 oder 62° B. (Pfannensäure). Bei weitem der größte Teil der S. wird in dieser Konzentration (zur Soda- und Superphosphatfabrikation) verbraucht. Für den Handel aber stellt man konzentrierte S. (66, oft nur 65° B.) dar und zwar durch Verdampfen in Glas- oder Platingefäßen, da Blei zu stark angegriffen werden würde. Einen Platinapparat zeigt Fig. 4. Der Kessel a besteht aus Platinplatten, welche mit dem Knallgasgebläse zusammengelötet sind, und ruht auf dem eisernen Ring c. Die Kammersäure läuft aus dem Hahn b durch ein Rohr auf den erhitzten dicken Boden des Kessels, wo sie rasch konzentriert wird, während der Wasserdampf durch das Rohr l entweicht. Sowie die Säure das Niveau des Trichters d erreicht hat, fängt sie an abzufließen und gelangt durch e in das Platingefäß f, um welches ein Strom kalten Wassers in g fließt. Wenn das Gefäß gefüllt ist, läuft die Säure durch ein Heberrohr in das ebenfalls durch Wasser gekühlte Steingutgefäß h und von da durch das Heberrohr i welches aus Blei oder Steingut besteht, in den Be-^[folgende Seite]

^[Abb.: Fig. 3. Gay-Lussacscher Turm.]