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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Schwein

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Schwein (englische, amerikanische etc. Rassen).

breit und länger sind als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, durch die hohen Beine, die Flachrippigkeit und den Karpfenrücken. Gute Ernährung und verminderte Bewegung bessern diese fehlerhaften Körpereigenschaften. Zuweilen sind am Hals zwei Hautausstülpungen, "Glocken", vorhanden. Borsten sind schlicht oder schwach gelockt; die Farbe derselben ist vorherrschend gelbweiß, doch kommen auch dunkle und schwarzscheckige Tiere vor. Die Tiere dieser Rassen werden bis 2 m lang und 1 m hoch; sie entwickeln sich langsam, sind spät reif. Das großohrige S. ist durch den mittlern, westlichen und nördlichen Teil von Europa verbreitet, und es gehören zu dieser Rasse die großen polnischen Schweine, die deutschen Marschschweine (holsteinisches, jütländisches und westfälisches, letzteres wegen seiner vorzüglichen Schinken berühmt), die französischen (craonnaisischen, Champagner, normännischen) Schweine und die frühern großen englischen Schweine. 2) Das kurzohrige S. hat Hochbeinigkeit, Flachrippigkeit und Karpfenrücken mit dem großohrigen gemeinsam. Der Rumpf ist aber nie so lang gestreckt wie bei letzterm; die Ohren sind klein, aufrecht stehend oder schwach nach vorn geneigt; die Augenachse ist länger im Verhältnis zu den andern Dimensionen des Kopfes, die Stirn höher und breiter. Es ist mehr Niederungsrasse und vorzugsweise durch das mittlere Deutschland verbreitet. 3) Das kraushaarige S. Gesicht unterhalb der Augen schmal, spitz in den Rüssel übergehend, Ohren wenig länger als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, aufrecht oder schwach nach vorn geneigt, Rumpf kurz, Rippen flach, Rücken konvex, scharfgrätig, Länge der Beine gleich der Tiefe der Brust, Körper stark behaart, Borsten kraus, Farbe asch- bis schwarzgrau; dasselbe ist über den Südosten Europas, namentlich über Ungarn, Slawonien, die Donaufürstentümer, die Türkei, Südrußland, und über die westlichen Teile von Mittelasien verbreitet. 4) Das romanische S. Kopf kurz im Verhältnis zur Breite, Gesicht eingeknickt in der Augenachse, Stirn vorstehend und gerunzelt, Rüssel schlank, Backen dick, Ohren länger als der Raum zwischen Ohröffnung und Auge, nach vorn geneigt, nicht schlaff hängend, lanzettförmig zugespitzt, Falten über dem Auge, keine deutliche Halsfläche, Rippen gewölbt, Rücken breit und geradlinig, Kreuz abschüssig, Beine kürzer als die Brusttiefe. Behaarung schwach, Farbe dunkel, schwarz oder dunkel aschgrau, sehr selten feuerrot. Die Tiere sind klein, aber gute Futterverwerter. Die Anklänge an den Typus des indischen Schweins sind unverkennbar. Es gehören zu dieser Rasse das portugiesische, das französische Périgord- und das italienische S.

5) Die englischen Schweine. Seit der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts ist es den englischen Landwirten nach dem Vorgang Bakewells in Dishley und dessen Schülers Colling gelungen, durch Einführung indischer und romanischer Schweine und Kreuzung derselben mit dem einheimischen großohrigen S. sowie durch sorgfältige Pflege und Fütterung ein Tier zu erzielen, das sich durch schnelle Entwickelung und große Mastfähigkeit auszeichnet. Bei der Züchtung dieser neuern englischen Kulturrassen ist der Hauptgesichtspunkt auf die größtmögliche Entwickelung aller nutzbaren Teile gerichtet gewesen, während die nicht oder wenig nutzbaren Teile, wie Kopf und Beine, auf das kleinste Maß beschränkt wurden. Der Kopf dieser Rassen ist klein, kurz, in der Profillinie eingesenkt, mit dicken, muskulösen Backen und kurzen, aufrecht stehenden Ohren versehen. Die Kopflänge, vom Auge bis zur Rüsselspitze, erreicht nur den 9., bei den größern Rassen sogar nur den 11. Teil der Körperlänge, während bei dem natürlichen oder Landschwein dieses Verhältnis sich auf 1:6 stellt. Der Hals ist kurz, der Leib gedrungen, breit, tonnenförmig, von Parallelogrammform; der Rücken ist gerade oder etwas eingesenkt, das Kreuz nur wenig abschüssig, der Schwanz leicht geringelt. Die Brust ist tief, die Beine sind kurz, voll und fleischig. Das Knochengerüst ist fein und leicht, ebenso die Haut fein und oft nahezu nackt, bei den neuern Zuchten jedoch spärlich mit feinen Haaren bedeckt. Die Tiere zeichnen sich durch Frühreife, gute Futterverwertung und große Mastfähigkeit aus, Vorzüge, welche durch das denselben eigne phlegmatische Temperament wesentlich gefördert werden. Anderseits zeigen sie sich aber auch sehr empfindlich gegen die Einflüsse der Witterung und stehen in der Fruchtbarkeit weit hinter den Tieren der natürlichen Rassen zurück. Beides gilt besonders von der ursprünglich durch Paarung mit der romanischen Rasse hergestellten kleinern Zucht, bei der man die Frühreife und Mastfähigkeit etwas zu weit getrieben hatte auf Kosten der Widerstandsfähigkeit des Körpers und der Fruchtbarkeit. Fester und fruchtbarer sind die Tiere der großen Zuchten, in denen mehr von dem Blute des alten englischen Landschweins steckt. Freilich ist die Körperentwickelung bei diesen auch eine langsamere und das Verhältnis der nutzbaren und nicht nutzbaren Teile ein ungünstigeres. In neuerer Zeit hat man Mittelrassen produziert, in denen die Vorzüge der kleinen und großen Zuchten gut vereinigt sind. Man unterscheidet sonach englische Rassen der kleinen, der großen und der mittelgroßen Zucht. Die Körperunterschiede sind, abgesehen von Farbe und Größe, gering; Parallelogrammform des Rumpfes, Kleinheit der Beine und des Kopfes sind allen eigen.

a) Rassen der kleinen Zucht (small breed): 1) schwarze Essex (die verbreitetste), Sussex, Suffolk; 2) weiße Yorkshire (s. Tafel), Windsor, Coleshill.

b) Rassen der großen Zucht (large white breed): Leicester, Yorkshire, Suffolk, Lincolnshire, Lancashire.

c) Rassen der mittelgroßen Zucht (middle breed). 1) bunte Berkshire (s. Tafel), Hampshire (s. Tafel); 2) weiße Yorkshire, Suffolk.

Nach dem Kontinent und namentlich nach Deutschland sind seit Jahrzehnten in sehr großer Zahl englische Schweine eingeführt und entweder rein in sich fortgezüchtet oder zur Verbesserung der einheimischen Schweine der natürlichen Rassen verwandt worden. Die letztern werden mehr und mehr verdrängt, die reinen Landschweine werden immer seltener, während die Schweine der englischen Kulturrassen (die edlen) als Vollblut- oder Halbbluttiere von Jahr zu Jahr weiteres Terrain erobern.

Die amerikanischen Hausschweine, welche neuerdings eine große Bedeutung durch den Massenimport von Speck und Schmalz bei uns erlangt haben, sind durch von auswärts eingeführte und miteinander gekreuzte Rassen entstanden; dasselbe gilt von dem Kapschwein in Afrika, während sich außerdem in diesem Erdteil und in Australien einheimische, von den Eingebornen gezähmte Hausschweine finden, dort das Senaar- und das guineische S., hier das Papuaschwein.

Schweinezucht.

Bei dem Betrieb der Schweinezucht hat man nur die Produktion von Fleisch und Fett im Auge. In den kultivierten Wirtschaften unsrer Gegenden