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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Serbische Sprache u. Litteratur

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Serbische Sprache u. Litteratur (altserbische u. dalmatische Litteraturperiode).

Vuk auch eine gründliche Reform der Orthographie ein. Durch die hohe Altertümlichkeit (besonders ihrer Laute), welche die serbische Sprache vor allen lebenden slawischen Sprachen auszeichnet, ist sie von großer Bedeutung für den Sprachforscher und durch ihre poetische Kraft und Frische anziehend für den Litterarhistoriker. Die beiden litterarischen Mittelpunkte der serbo-kroatischen Dialekte sind Belgrad und Agram, und sie werden von etwa 6 Mill. Menschen gesprochen, unter denen die Serben im engern Sinn die Minderheit bilden. Die erste wissenschaftliche Bearbeitung der serbischen Sprache ist die kleine serbische Grammatik von Karadžić, die er seinem Lexikon (s. unten) als Einleitung voranschickte, und welche Jakob Grimm ins Deutsche übersetzte und mit einer interessanten Einleitung versah (Berl. 1824). Andre Sprachlehren des Serbischen lieferten Daničić (Wien 1850 u. öfter), Berlić (das. 1854), Fröhlich (2. Aufl., das. 1870), Bošković (3. Aufl., Pest 1878), Parčić (Prag 1877), Vymazal (Brünn 1883) u. a. Wörterbücher veröffentlichten namentlich Karadžić (Wien 1818; 2. Aufl. u. d. T.: "Lexicon serbico-germanico-latinum", Wien 1852; auch "Deutsch-serbisches Wörterbuch", hrsg. von Miklosich, das. 1877), Fröhlich (das. 1852-53, 2 Bde.), Popović ("Wörterbuch der serbischen und deutschen Sprache", 2. Aufl., Pancsova 1886). Seit 1880 erscheint das groß angelegte serbo-kroatische Wörterbuch der Agramer Akademie ("Rječnik krvatskoga ili srpskoga jezika"). Vgl. Kroatische Sprache und Litteratur.

Die ältesten Überreste der altserbischen Litteratur sind in der slawischen Kirchensprache abgefaßt und reichen bis in das 13. Jahrh. Sie bestehen aus Legenden, Homilien, Kirchenbüchern, dürftigen annalistischen Aufzeichnungen, Abschriften altbulgarischer Originale und einigen Lebensbeschreibungen serbischer Könige und Erzbischöfe, die indessen auch durchaus kirchlich-panegyrischer Natur sind. Zu letztern gehören die Biographien des Königs Stephan Nemanja (Simeon) von dessen Söhnen, dem heil. Sava (gest. 1237) und König Stephan dem Erstgekrönten (hrsg. von Šafařik: "Život sv. Simeuna", Prag 1868); die Biographien des heil. Sava (1241) und des Stephan Nemanja (1264) von dem Mönch Domentijan (hrsg. von Daničić: "Život sv. Simeuna i sv. Save", Belgr. 1865) und das auf dem Berg Athos in Handschrift befindliche Geschlechtsregister "Rodoslov" vom Erzbischof Daniel, der als Zeitgenosse die Lebensgeschichte der serbischen Könige von 1272 bis 1325 erzählt (hrsg. von Daničić: "Životi kraljeva i archiepiskopa srpskih", Agram 1866). Als ein wichtiges Denkmal nicht mönchischen Ursprungs ist das "Gesetzbuch" ("Zakonik") des serbischen Zaren Stephan Duschan (1336-56) zu nennen, das zugleich als Beitrag zur Sittengeschichte große Beachtung verdient (hrsg. von Novaković, Belgr. 1870; von Zigel, Petersb. 1872). Im Volk selbst waren daneben apokryphische und populär-religiöse Schriften, die mit den Irrlehren der Bogomilen (s. d.) in Verbindung standen, weit verbreitet, und auch Werke der byzantinischen Sagenlitteratur, wie der "Alexanderroman", der "Trojanische Krieg", "Stephanit und Ichnilat" etc., waren vorhanden. Dagegen sind Spuren einer nationalen Poesie im Schriftschatz jener frühen Litteraturperiode nicht zu finden. Proben aus den Werken der letztern enthalten: Karadžić, Primjeri srpsko-slavenskoga jezika (Wien 1857); Jagić, Prilozi k historii književnosti (Agram 1868), und Novaković, Primjeri književnosti etc. (Belgr. 1878).

Durch die Türkenherrschaft in Serbien, die 1389 mit der Schlacht auf dem Amselfeld begann und durch die völlige Eroberung des Landes 1459 endgültig entschieden ward, war auf lange Zeit jede weitere Entwickelung des geistigen Lebens zum Stillstand gebracht, und nur in dem Freistaat Ragusa und dem dalmatischen Küstengebiet blühte das serbo-kroatische Schrifttum fort. Diese dalmatische Litteraturperiode, die sich anfangs der kroatischen Sprache, allmählich aber immer entschiedener der südserbischen Mundart bediente, reicht vom Ende des 15. bis zum Ausgang des 17. Jahrh. und stand ganz unter dem Einfluß der Italiener; ein national-slawischer Charakter geht ihr ab. Sie trägt ein vorwiegend poetisches Gepräge und hat sowohl auf dem Gebiet der lyrischen, namentlich der Liebesdichtung als auf dem der Didaktik, in der poetischen Erzählung wie im größern Kunstepos, im Fach der Tragödie wie der Komödie namhafte Leistungen aufzuweisen, während eine eigentliche Prosalitteratur fehlt. Der erste bedeutende, diese Periode eröffnende Dichter ist Marko Marulić aus Spalato (1450-1524), der eine "Geschichte der heil. Judith" (1521) und andre biblische Poesien verfaßte und auch in Italien in großem Ruf stand. Als Stammvater der eigentlich ragusanischen Dichter gilt S. Menčetić (Sigismundo Menze, 1457-1501), neben welchem Georg Držić (gestorben um 1510) zu nennen ist, beide die Hauptvertreter der Liebespoesie nach dem Muster der italienischen Sonettendichtung. Andre hervorragende Dichter sind: Hannibal Lucić (gest. 1540), ebenfalls Lyriker, aber auch Verfasser eines Dramas: "Robinja" ("Die Sklavin"), dessen Stoff den Türkenkriegen entnommen ist; Nikola Vetranić (auch "Mönch Mavro" genannt, gest. 1576), von dem besonders treffliche Mysterien ("Das Opfer Abrahams") und die Gedichte: "Remeta" ("Der Einsiedler"), "Putnik" ("Der Wanderer") und "Italija" hervorzuheben sind, und Pater Hektorović (gest. 1572), der Verfasser des beschreibend-erzählenden Gedichts "Ribanje" ("Der Fischfang"). Eine neue Reihe dalmatischer Dichter beginnt mit Andrija Čubranović (gest. 1550), der besonders durch sein Gedicht "Jedjupka" ("Die Zigeunerin") berühmt ward. In diese Reihe gehört unter andern der Komödien- und Schäferspieldichter Nik. Nalješković (gest. 1587), der aber auf demselben Gebiet von Marin Držić (gest. 1580) übertroffen ward. Zu den bekanntesten Dichtern des 16. Jahrh. gehörten ferner Dinko Ranjina (gest. 1607), der Liebeslieder, Episteln, didaktische und idyllische Gedichte schrieb, und Dinko Zlatarić (gest. 1610), vorzugsweise Didaktiker. Den Höhepunkt erreichte aber die ragusanische Poesie in Ivan Gundulić (1588-1638), dem Verfasser des berühmten Epos "Osman", neben dem nur noch Junius Palmotić (Giugno Palmotta, 1606-1657), der Verfasser zahlreicher Dramen, einer "Christiade" (nach dem gleichnamigen Gedicht des Hieron. Vida) und lyrischer Gedichte, meist geistlichen Inhalts, Erwähnung erfordert, der jenem, wenn auch nicht an poetischem Gehalt, doch in der meisterhaften Behandlung der Form und in der Gewandtheit des Versbaues gleichkommt. Nach der Zerstörung Ragusas durch das Erdbeben vom 7. April 1667 geriet mit dem Wohlstand der Stadt sehr schnell auch die Litteratur in Verfall, so daß sie während des 18. Jahrh. nur noch ein äußerst kümmerliches Dasein fristet. Aus dieser spätern Zeit verdienen noch Jakob Palmotić (gest. 1680), ein ragusanischer Patrizier, der das Epos "Dubrovnik ponovljen" ("Das erneuerte Ragusa") aus Anlaß jenes Erdbebens dich-^[folgende Seite]