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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Siebenbürgen

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Siebenbürgen (Bildungsanstalten, politische Einteilung etc., Geschichte).

züglich Hanfleinwand wird in allen Dörfern des Landes, aber meist nur zum eignen Bedarf, erzeugt; Tücher werden besonders in Hermannstadt, Kronstadt und Heltau verfertigt. Zahlreich vertreten sind Gerberei und Branntweinbrennerei. Gewöhnliches Töpfergeschirr wird hinlänglich erzeugt; bemerkenswert sind die Wasserkrüge aus feinem grauen Thon und die blasigen Trinkgefäße aus Alaunthon. Unter mehreren Steingutfabriken ist die zu Batiz die vorzüglichste; unter den Glashütten liefern die bei Arpás und Kertzesora auch feine und geschliffene Artikel. Erwähnung verdienen noch die Produkte der Hermannstädter Seifensieder, Riemer und Hutmacher sowie der Kronstädter Lederarbeiter, Tuchmacher und Holzflaschendrechsler. Der innere Verkehr ist ziemlich lebhaft und wird vornehmlich durch Jahr- und Wochenmärkte unterhalten, worunter die zu Klausenburg, Bistritz, Sächsisch-Regen, Hermannstadt und Kronstadt die wichtigsten sind. Der Verkehr mit Vieh, Butter, Käse etc. ist meist in den Händen rumänischer Gebirgsbewohner. Bauholz, Bretter, Schindeln etc. verführen besonders die Szekler aus den Csiker und Háromszéker Gebirgen. Der Verkehr mit Industrieerzeugnissen hat seinen Hauptsitz in den sächsischen Gegenden, der eigentliche Handel aber ist zumeist in den Händen der Griechen und Armenier. Die Ausfuhr besteht in Vieh, Schafwolle, Fellen, Leder, Wein, Salz, gröbern Wollwaren, Glas- und Töpferwaren, Bergwerksprodukten, Papier, Seife und Kerzen, Flachs, Drechsler- und gröbern Tischlerarbeiten; die Einfuhr in Vieh, Fellen und Häuten, Wein, Wolle, Baumwolle, Wachs, Honig, feinen Tüchern, Woll-, Baumwoll- und Leinenwaren, feinern Töpfer- und Glaswaren, Kolonialwaren, Luxusgegenständen etc. Lebhaft ist endlich der Durchfuhrhandel (meist mit levantischen Erzeugnissen). Die vornehmsten Handelsplätze sind Kronstadt und Hermannstadt. Das Land wird in allen Richtungen von Straßen durchschnitten. Als Wasserstraßen werden bis jetzt nur die Maros (besonders zum Transport des Steinsalzes nach Arad in Ungarn) und die Szamos benutzt. Die jetzt bestehenden Linien der Ungarischen Staatsbahnen berühren die wichtigsten Punkte des Landes, und zwar die Hauptlinie Budapest-Predeal die Städte Klausenburg, Nagy-Enyed, Mediasch, Schäßburg, Reps und Kronstadt, wogegen die in dieselbe einmündende ehemalige Siebenbürger Bahn an Déva, Broos, Mühlenbach und Karlsburg vorüberführt. Seitenlinien zweigen in das kohlen- und eisenreiche Zsilthal, nach Torda, nach Maros-Vásárhely und Sächsisch-Regen sowie nach Hermannstadt und Székely-Udvarhely ab. Die Szamosthalbahn endlich verbindet Deés und Bistritz mit Klausenburg.

[Bildungsanstalten, Einteilung.] Von höhern Lehranstalten haben die Römisch-Katholischen 5 Ober- und 4 Untergymnasien, die unierten Griechen ein Gymnasium und eine theologische Lehranstalt zu Blasendorf, die orientalischen Griechen Gymnasien zu Kronstadt und Naszód, die Reformierten 6 Ober-, ein Untergymnasium und eine theologische Lehranstalt; die Evangelischen Augsburger Konfession besitzen 5 Obergymnasien mit Lehrerseminaren und 2 Untergymnasien, eine Ober- und eine Unterrealschule sowie 3 landwirtschaftliche Schulen in Mediasch, Kronstadt und Bistritz. Die Unitarier haben ein Ober- und 2 Untergymnasien. 1872 wurde in Klausenburg auch eine Landesuniversität auf Staatskosten errichtet, mit welcher eine Professorenpräparandie verbunden ist. In Klausenburg befinden sich ferner eine Lehrer- und Lehrerinnenpräparandie und eine Ackerbauschule, in Hosszufalu eine Kunstschnitzereischule. Die Katholiken und unierten Armenier haben einen gemeinschaftlichen Bischof in Karlsburg, die unierten Griechen einen Bischof in Szamos-Ujvár und einen Erzbischof (Diözese Karlsburg-Fogaras), der zu Blasendorf residiert; die zahlreichen nichtunierten Griechen einen Erzbischof in Hermannstadt. Die Reformierten und Evangelischen haben ihre Superintendenten und Oberkonsistorien, jene zu Klausenburg, diese in Hermannstadt; die Unitarier erkennen als geistliche Oberbehörde die Generalsynode und das Konsistorium zu Klausenburg an und haben ebenfalls einen Superintendenten in Klausenburg. Die Juden haben 10 Synagogen. Früher zerfiel S. in 1) das Land der Ungarn im W. und in der Mitte (7/11 des Ganzen umfassend) mit 11 Komitaten und 2 Distrikten; 2) das Land der Szekler im gebirgigen Südosten mit einigen kleinern Bezirken in der Mitte (etwa 2/11) mit 5 Stühlen oder Gerichtsbezirken; 3) das Land der Sachsen im Süden und N. (etwa 2/11) mit 9 Stühlen und 2 Distrikten. Seit 1876 ist das ganze Land in 15 Komitate eingeteilt. (S. die Tabelle im Artikel "Ungarn". Das Wappen Siebenbürgens s. auf Tafel "Österreichisch-Ungarische Länderwappen".) Der Obergespan des Hermannstädter Komitats ist gleichzeitig Komes der Sachsen und Präses der sächsischen Nationsuniversität. Vgl. Mildenberg, Statistik und Geographie des Großfürstentums S. (Hermannst. 1837, 3 Bde.); Lenk v. Treuenfeld, Siebenbürgens Lexikon (Wien 1839, 4 Bde.); Bielz, Handbuch der Landeskunde Siebenbürgens (das. 1856); Boner, S., Land und Leute (deutsch, Leipz. 1868), v. Rath, S. (Heidelb. 1880); Michaelis, Geographie und Geschichte von S. (Hermannst. 1873); Reißenberger, Das Großfürstentum S. (Wien 1881); Bielz, Reisehandbuch für S. (2. Aufl., das. 1885); Derselbe, Mineralquellen und Heilbäder Siebenbürgens (das. 1883); Fronius, Bilder aus dem sächsischen Bauernleben in S. (3. Aufl., das. 1885); Bergner, S. Eine Darstellung von Land und Leuten (Leipz. 1884); Haltrich, Zur Volkskunde der siebenbürgischen Sachsen (Wien 1885); Derselbe, Deutsche Volksmärchen aus dem Sachsenland in S. (4. Aufl., das. 1885); F. Müller, Siebenbürgische Sagen (2. Aufl., das. 1885).

[Geschichte.] S. war im Altertum ein Teil Daciens und wurde 107 n. Chr. von Trajan der römischen Herrschaft unterworfen. Seit 274 gaben die Römer das Land auf, und die Stürme der Völkerwanderung brachen über dasselbe herein. Es ward nacheinander von den Ostgoten, Gepiden, dann von den Petschenegen eingenommen. Gegen ihre Einfälle mußte König Stephan I. Ungarn schützen, was nun zu fortschreitender Besitznahme des Landes, namentlich seit dem Schluß des 11. Jahrh., führte. Die Reste der Dakoromanen, die Rumänen oder Walachen, welche insbesondere im Gebirge zurückgeblieben waren, wurden später, seit dem 12. und 13. Jahrh., durch große Zuzüge ihrer Stammgenossen vom Süden der Donau verstärkt. König Geisa II. (1141-61) berief in den öden, unbevölkerten südlichen Teil des Landes Deutsche aus Flandern, dann vom Mittel- und Niederrhein; 1211 verlieh König Andreas II. dem Deutschen Ritterorden das gleichfalls menschenleere Burzenland, der dasselbe auch mit Deutschen besiedelte. Die neuen Kolonisten hatten freies Grundeigentum und ihr eignes deutsches Partikularrecht, das ihnen volle Selbstverwaltung gewährte. Durch sie erhoben sich die Städte Mediasch, Mühlenbach, Hermannstadt,