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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Sizilien, Königreich beider

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Sizilien, Königreich beider (Geschichte bis 1282).

ligen römischen Reichs deutscher Nation anerkannt. Als Kaiser Otto I. 968 auch Unteritalien erobern wollte, scheiterte das Unternehmen. Seinen Sohn, Kaiser Otto II., halfen bei einem neuen Eroberungszug 982 die Araber besiegen, womit der Versuch, Unteritalien der direkten Herrschaft der deutschen Kaiser zu unterwerfen, vereitelt war.

Das Normannenreich.

Die der That nach völlig unabhängigen langobardischen Fürsten lagen in fast fortwährendem Hader und Streit miteinander. In einem solchen unterstützten 1027 die Normannen den Herzog Sergius von Neapel gegen Pandulf von Capua und erhielten zum Lohn dafür einen Strich Landes in Apulien, in welchem sie die Stadt Aversa anlegten und eine unabhängige Herrschaft gründeten. Einen neuen Aufschwung erhielten die normännischen Unternehmungen, als von den zwölf Söhnen des Grafen Tankred von Hauteville zehn nacheinander aus der Normandie nach Italien kamen und sowohl die langobardischen Fürsten unterwarfen als Apulien und Kalabrien den Griechen entrissen. Der vierte Sohn Tankreds, Robert Guiscard, der die letzte griechische Stadt, Bari, eroberte, erhielt 1060 vom Papst Nikolaus II. die Belehnung mit den eroberten Ländern. Der jüngste Bruder, Roger, setzte nach Sizilien über, wo sich die Macht der Sarazenen in eine Menge kleiner Herrschaften, mit Palermo als Mittelpunkt, aufgelöst hatte. Mit ganz geringen Streitkräften wurde 1091 die Eroberung der Insel vollendet und die Normannenherrschaft auf derselben begründet. Robert Guiscard überließ dieselbe seinem Bruder als Lehen, der sich Graf von Sizilien nannte. Nach dem Tod Robert Guiscards (1085) teilten seine Söhne Bohemund und Roger das väterliche Erbe in der Art, daß Roger Apulien und die Herzogswürde, Bohemund Tarent und einen Teil von Kalabrien bekam. Bohemund erwarb im ersten Kreuzzug das Fürstentum Antiochia, starb aber schon 1111 in Syrien, und sein Geschlecht erlosch 1130 im Mannesstamm; auch der jüngere Zweig ging 1127 mit Rogers Sohn Wilhelm zu Ende. Sobald Roger II., der Sohn des gleichnamigen Eroberers von Sizilien, davon Kunde erhalten hatte, setzte er nach dem Festland über, brachte die widerspenstigen Großen zur Unterwerfung und ließ sich vom Papst Anaklet II. zum König von Neapel und Sizilien krönen (25. Dez. 1130), welche Würde Papst Innocenz II. 1139 gegen Anerkennung der päpstlichen Lehnshoheit bestätigte.

Unter Rogers II. Regierung (1130-54) erhob sich das Königreich rasch zu großer Blüte: Palermo und Amalfi wetteiferten in Handelsthätigkeit mit Venedig und Pisa; berühmt waren Neapel und Amalfi durch ihre Lehranstalten für Rechtskunde, Salerno durch seine medizinische Schule. Nicht am wenigsten dankte es dies der Toleranz gegen Griechen und Sarazenen, die ebenso wie die Normannen mit Ämtern betraut wurden. Aber Rogers Sohn Wilhelm I., "der Böse" (1154-66), lebte wie ein orientalischer Fürst in Wollust und Üppigkeit, und mit dessen Sohn Wilhelm II. (1166-89), mit dem Beinamen "der Gute", unter dem eine kurze Periode des Glücks für das Königreich zurückkehrte, erlosch die rechtmäßige männliche Nachkommenschaft Tankreds von Hauteville. Die reichen, schönen Länder fielen an den Hohenstaufen, Kaiser Heinrich VI., den Gemahl Konstanzes, der Tochter Rogers II. Aber der Wechsel des Herrschergeschlechts war der Anfang neuer Drangsale für das Königreich, denn ein natürlicher Enkel Rogers II., Tankred, und dessen Sohn Wilhelm erhoben ebenfalls Ansprüche auf den Thron. Erst 1194 gelang es Heinrich VI., den Widerstand der Großen gegen seine Herrschaft mit grausamer Strenge zu brechen und das ganze Königreich in Besitz zu nehmen. Nach Heinrichs VI. Tod (1197) folgte sein dreijähriger Sohn Friedrich I. (als Kaiser Friedrich II.) unter der Vormundschaft seiner Mutter Konstanze und des Papstes Innocenz III. als Oberlehnsherrn beider Sizilien. Während seiner Selbstregierung (seit 1209) verlegte er die Residenz von Palermo nach Neapel, wo er 1224 eine Universität gründete, und veröffentlichte im August 1231 eine Gesetzgebung unter dem Namen "Konstitutionen des Königreichs Sizilien", welche nicht sowohl eine neue Schöpfung als, gleich den Gesetzen Justinians, nur eine Bestätigung derjenigen Verordnungen war, welche von nun an Gesetzeskraft haben sollten. Durch dieselben ging schon ein moderner Hauch, denn an die Stelle der die Macht des Herrschers einschränkenden Lehnsaristokratie trat ein festgeschlossener Beamtenstand, der vom König eingesetzt wurde und mit ihm über Aufrechthaltung der Gesetze zu wachen hatte. Das Land wurde militärisch eingeteilt und ein aus Deutschen und Sarazenen bestehendes Söldnerheer zum Schutz des Königtums errichtet. Auch für die Hebung des materiellen Wohlstandes sorgten die Konstitutionen. Der Handel wurde erleichtert durch die Ermäßigung der Aus- und Eingangszölle, durch Beseitigung der Zollschranken zwischen den einzelnen Provinzen des Reichs und durch Handelsverträge mit fremden Staaten; das Steuerwesen und die Finanzwirtschaft wurden neu geregelt. Friedrichs Nachfolger Konrad IV. (1250-54) hinterließ den unmündigen Konradin, dessen Oheim Manfred die Reichsverwesung übernahm, sich aber 11. Aug. 1258 auf ein falsches Gerücht von Konradins Tod mit Bewilligung der Reichsstände zum König krönen ließ. Die Päpste verfolgten aber auch Kaiser Friedrichs edle Nachkommen mit unversöhnlichem Haß, und Papst Clemens IV. verlieh Sizilien 1265 dem Grafen Karl von Anjou, Bruder Ludwigs IX. von Frankreich, als päpstliches Lehen, gegen den Manfred 26. Febr. 1266 bei Benevent Thron und Leben verlor. Auch Konradin büßte den Versuch, das Erbe seiner Väter wiederzubringen, nach seiner Niederlage bei Tagliacozzo (23. Aug. 1268) mit dem Tod auf dem Schafott (29. Okt.).

Die Herrschaft der Anjous.

Karl I. (1266-84) erklärte alle Schenkungen und Belehnungen Friedrichs und seiner Nachfolger für ungültig und verlieh die dadurch frei gewordenen Guter an französische Große mit ausgedehnten Feudalrechten über die Landbevölkerung und die Städte. An die Stelle der städtischen Verfassung der Konstitutionen trat wieder eine selbstsüchtige Feudalherrschaft, während alle Lasten, die man Friedrich einst so sehr zum Vorwurf gemacht hatte, bestehen blieben. Dazu kam die Begünstigung der zahlreich einwandernden Franzosen. Am schwersten lastete der Druck der französischen Herrschaft auf der Insel Sizilien, und die Mißstimmung war eine um so größere, je milder das Regiment Manfreds gewesen war. Nachdem Johann von Procida eine Verschwörung gebildet und das Volk zur Rache aufgereizt hatte, brach am zweiten Osterfeiertag (30. März) 1282 um die Vesperzeit, als die Franzosen sich Unziemlichkeiten gegen sizilische Frauen erlaubten, in Palermo der Aufstand (Sizilianische Vesper) aus und endete mit der allgemeinen Ermordung der Franzosen auf der Insel. Die Sizilianer setzten darauf eine provisorische Regierung ein und verteidigten sich gegen Karls An-^[folgende Seite]