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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Spinnen

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Spinnen (Baumwollspinnerei).

von dem Band gehalten werden und sofort mit x oder p gegen die Zähne des Rades a fallen, wenn das Band bei b oder h reißt. Durch die Arretierung von a wird dann sofort die Strecke abgestellt. In dem gestreckten und duplierten Band sind die Fasern so verteilt und gelagert, daß dasselbe durch weitere Streckung und Drehung in Garn überführt werden kann. Der großen Lockerheit halber muß diese Operation aber in gewissen Abstufungen so erfolgen, daß die Zusammendrehung zunächst dem Band nur eine Festigkeit erteilt, welche das Weiterstrecken nicht hindert; dadurch entsteht das Vorgarn (Vorgespinst). Zur Erzeugung desselben dient der Flyer oder die Spindelbank, welche die früher üblichen Vorspinnmaschinen (Röhrchen-, Eklipsmaschine, Jackmaschine etc.) fast vollständig verdrängt hat. Der Flyer, welcher in mehreren Größenabstufungen (Grob-, Mittel-, Fein-, Feinfein- und Doppelfeinflyer) nacheinander in Verwendung kommt, erhält zuerst das Band aus den Kannen der Streckmaschinen, wickelt aber das Vorgarn auf Spulen, so daß vom Grobflyer abwärts das Garn auf Spulen gewickelt in die Maschine gelangt. Das Wesen eines Flyers zeigt Fig. 13 der Tafel. Von den Spulen a a läuft das Vorgarn in das Streckwerk b, von hier zu den Spindeln c c, mit den Flügeln d, welche durch die am Fuß angebrachten Kegelräder k in Umdrehung versetzt werden und dadurch dem Garn Draht geben. Indem das Garn zugleich durch den hohlen Flügelarm d und den Finger f auf die Spule e geleitet und letztere um die Spindel vermittelst schiefer Kegelräder i gedreht wird, wickelt es sich auf die Spule, welche aus einem hölzernen Rohr besteht und behufs regelmäßiger Bewickelung mit der sogen. Spulenbank (Wagen) g innerhalb der Flügel auf und ab steigt, bis sie gefüllt ist, um nach Abheben des Flügels von der Spindel abgezogen u. der nächstfolgenden Maschine übergeben zu werden. Ein sehr sinnreicher, aber komplizierter Mechanismus mit Differenzialräderwerk (Differenzialflyer) regelt die Aufwickelbewegung, welche sich nach jeder Garnschicht ändern muß. - Nachdem das Vorgarn den letzten (Fein-) Flyer etwa in der Dicke eines gewöhnlichen Bindfadens verlassen hat, empfängt dasselbe die endgültige Streckung und Drehung zur Verwandlung in Garn auf den Feinspinnmaschinen, die entweder nach dem Prinzip des Spinnrades oder des Handrades (s. S. 148) konstruiert sind und danach Watermaschinen oder Mule heißen. Die Watermaschine (Fig. 14) wird immer doppelt gebaut, d. h. es ist an derselben ein Träger (Aufsteckrahmen) für zwei Reihen mit Vorgarn gefüllter Spulen a a, zwei Reihen Streckwerke b b und Spindeln mit Flügeln und Spulen vorhanden. Das Garn geht von a nach b, sodann gestreckt durch ein Führungsauge n nach dem Flügel c und von diesem gedreht auf die Spule zwischen dem Flügel zum Aufwickeln. Die 120 Spindeln n o werden von den mit den Wellen g g sich drehenden Trommeln x x vermittelst Schnüre s und Wirtel t 3600-4500mal in der Minute gedreht, während die Spulenbank t mit den Stangen f f auf und nieder geht. Zu dem Zweck werden die letztern in den Büchsen z und y geführt und von den Schienen m m getragen, welche an Ketten k k hängen, die über die Rollen r r laufen und an den Winkeln e e befestigt sind, welche sich mit Rollen gegen eine Herzscheibe d legen, die eine solche Form hat, daß sie bei ihrer gleichmäßigen Drehung die Hebel und dadurch die Stangen f f abwechselnd auf und ab bewegt. Die Aufwickelung des Garns erfolgt durch ein Zurückbleiben der Spulen infolge einer starken Reibung auf der Bank t. Sämtliche Bewegungen gehen von einer der Wellen g aus, die direkt angetrieben wird, durch Zahnräder die Bewegung dem Streckwerk und durch das Zahnrad 2, Schnecke 3, Schneckenrad 4, Welle h und Schneckengetriebe 5 u. 6 der Herzscheibe d mitteilt. Während bei der Watermaschine Streckung, Drehung und Aufwickelung gleichzeitig und ununterbrochen vor sich gehen, sind bei der Mulemaschine diese Operationen getrennt. Sie besteht nämlich (Fig. 15 der Tafel) aus einem festen Gestell A mit Aufsteckrahmen für die mit Vorgarn gefüllten Spulen a a sowie Streckwerk b und einem Wagen B mit den Spindeln c, mit denen das Garn h verbunden ist. In der ersten Periode fährt der Wagen etwa 2 m vom Gestell weg aus, während sich sowohl die Streckwalzen b als die Spindeln c drehen, um das Garn zu spinnen. In der nun folgenden zweiten Periode fährt der Wagen dem Gestell zu ein, während das Streckwerk stillsteht, um das gesponnene Garn aufzuwickeln, zu welchem Zweck ein Draht gesenkt wird, der in Bügeln g über sämtlichen Fäden der Maschine liegt und deshalb auch durch Bewegung der Bügel g sämtliche (600-700) Fäden in die zum Aufwickeln erforderliche Lage zu den Spindeln bringt (Aufwindedraht). Bei den ersten Mulemaschinen führte ein Arbeiter sämtliche beim Einfahren stattfindende Bewegungen aus, weshalb die Zahl der gleichzeitig gesponnenen Fäden 300 nicht überschritt. Die jetzigen Mulemaschinen arbeiten dahingegen mit wenig Ausnahmen selbstthätig (Selbstspinner, Selfactor), indem nicht nur die Bewegungen, sondern namentlich die so wichtige und äußerst schwierige Regulierung von einer Stelle aus erfolgt; daher ist es möglich, sie mit 800-1100 Spindeln auszustatten. Einen Überblick über den höchst komplizierten Mechanismus eines Selfaktors gewährt Fig. 16 der Tafel. Die Transmissionsriemenscheibe I sitzt fest auf der Welle A und dreht einerseits durch Kegelräder die Strecken b, anderseits die große Schnurrolle R. Von b aus setzt sich die Drehung fort durch die Räder 1, 2, 3, 4 auf die Scheibe M, welche vermittelst der am Wagen B befestigten, durch M_{1} gespannten Wagenschnur W den Wagen ausfährt. Gleichzeitig dreht die um R und R_{1} gelegte, um Führungsrollen h und die Trommel f laufende Schnur s s die Trommel f und somit durch Schnüre e e die Spindeln c. Das Einfahren des Wagens erfolgt von der um A drehbaren Riemenscheibe I I aus durch Stirn- und Kegelräder i k, Welle l und Schnecke m vermittelst der zweiten um m1 gespannten Wagenschnur w1, die sich auf die Schnecke aufwickelt, um abwechselnd die Geschwindigkeit zu vergrößern und zu verkleinern, weil der Wagen anfangs beschleunigt und dann verzögert wird. Zur Bildung des Garnkörpers (Kötzer) senkt sich der Aufwinder g, während ein zweiter, unten hinlaufender Draht g_{1} (Gegenwinder) die Fäden gespannt hält, damit sie keine Knoten bekommen. Der Winder g wird dadurch bewegt, daß die Stange o mit einer Nase unter die Zahnstange z schnappt und sich dadurch hebt und senkt, daß ihre Rolle p auf einer an- und absteigenden Schiene q q q (Formplatte) rollt; z überträgt diese Vertikalbewegung durch ein Zahnrad auf eine Welle, an welcher die Arme g befestigt sind. Beim Ausfahren schnappt o wieder aus, wobei ein Gewicht in Wirkung tritt, das mit der Kette r g hebt und z senkt. Zur Bewegung der Spindeln c zum Zweck der Kötzerbildung dient der sogen. Quadrant Q, welcher durch ein mit M1 verbundenes Zahnrad, das in den Zahnquadranten y_{1} eingreift, hin und her bewegt wird