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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Übersicht der wichtigern Sprachstämme

180b

Übersicht der wichtigern Sprachstämme.

3) Das Altägyptische der ägyptischen Denkmäler und Papyrusrollen mit seiner ebenfalls schon ausgestorbenen Tochtersprache, dem Koptischen.

B. Die semitische Gruppe teilt sich in:

1) Nördliche Abteilung, bestehend aus dem nahe verwandten Assyrisch und Babylonisch der Keilinschriften, den kanaanitischen Sprachen, nämlich Hebräisch nebst Samaritanisch und Phönikisch nebst Punisch, und aus den aramäischen Sprachen, d. h. Chaldäisch und Syrisch nebst Mandäisch und Palmyrenisch.

2) Südliche Abteilung mit Arabisch, jetzt auch in Nordafrika verbreitet u. mit dem Islam immer weiter nach dem Süden Afrikas vordringend, Himjarisch, Äthiopisch (Geez), Amharisch, Tigré, Harrari.

Die beiden ersten Spezies der semitischen Gruppe sind völlig ausgestorben, wenn man von dem syrischen Dialekt einiger Nestorianer und Jakobitengemeinden am Urmiasee und in Turabdin absieht, und auch von der dritten Spezies sind das Äthiopische und Himjarische jetzt erloschen. Die hamitische und semitische Gruppe stimmen nur betreffs eines Teils ihrer Wurzeln, namentlich bei den Pronomina und Zahlwörtern, und betreffs der Unterscheidung des grammatischen Geschlechts überein. Sonst sind die hamitischen Sprachen grammatisch sehr wenig, die semitischen dagegen im höchsten Grad entwickelt, indem sie, die verschiedenen grammatischen Beziehungen, sowohl am Nomen als am Verbum, teils durch vorn oder hinten antretende Affixe, teils durch Variation des Wurzelvokals ausdrücken. Jede Wurzel enthält drei Konsonanten, welche stets unverändert bleiben, so sehr die Vokale wechseln.

VII. Der indogermanische Sprachstamm

zerfällt in acht Gruppen:

1) Indische Gruppe: Jetzt ausgestorben sind das Sanskrit, Prâkrit und Pâli; lebende Sprachen sind: Hindi und Hindostani (Urdu), fast in ganz Nordindien verbreitet, wo es von nahezu 100 Mill. Menschen gesprochen wird, Pandschabi am obern, Sindi am untern Indus, Marathi und Gudscherati in der Präsidentschaft Bombay, Bengali, Assami, Oriya in Bengalen, Nepali, Kaschmiri im Norden, nach einigen auch das Singhalesische auf der Südhälfte der Insel Ceylon, nördlich von Indien das Kafir und Dardu, in Europa die mit diesen beiden Idiomen nahe verwandte Sprache der Zigeuner, die Auswanderer aus Indien sind.

2) Iranische Gruppe: Zend oder Altbaktrisch, Altpersisch der Keilinschriften, Pehlewi oder Mittelpersisch, Pazend und Parsi, wahrscheinlich auch die Sprache der Skythen nordwärts vom Schwarzen Meer (Müllenhoff) sind die toten, Neupersisch, Kurdisch, Belutschi, Afghanisch oder Puchtu und Ossetisch (im Kaukasus) die lebenden Sprachen dieser Gruppe, die mit der indischen sehr nahe verwandt ist.

3) Armenisch, früher zu der iranischen Gruppe gerechnet.

4) Griechische Gruppe: Dazu gehören die alt- und neugriechischen Dialekte und Schriftsprachen; das Neugriechische herrscht auch auf der Südküste von Kleinasien, in Kreta und Cypern.

5) Illyrische Gruppe: Albanesisch in Epirus.

6) Italische Gruppe: Latein, Umbrisch, Oskisch im Altertum; in der Neuzeit die romanischen Sprachen: Spanisch nebst Katalonisch, Portugiesisch, Italienisch, Französisch nebst Provençalisch, Rumänisch, Ladinisch nebst Rätoromanisch (in Südtirol, Graubünden und Friaul).

7) Keltische Gruppe: Kymrisch in Wales und der Bretagne, dazu das ausgestorbene Cornisch in Cornwallis; Gälisch in Irland, dem schottischen Hochland (Erse) und auf der Insel Man (Manx). Auch die nur aus einigen Inschriften bekannte Sprache der alten Gallier gehört hierher.

8) Slawisch-lettische Gruppe, dazu:

a) Altslawisch oder Kirchenslawisch, jetzt ausgestorben, Russisch nebst Weiß- und Kleinrussisch (Russinisch, Ruthenisch), Serbo-kroatisch, Slowenisch oder Südslawisch in Steiermark, Kärnten etc., Tschechisch-Slowakisch in Böhmen und Mähren, Polnisch in Preußisch- und Russisch-Polen und Galizien, Wendisch in der Lausitz,

b) Altpreußisch (jetzt ausgestorben), Litauisch, Lettisch.

9) Germanische Gruppe, zerfallend in:

a) Ost- und Nordgermanisch mit Gotisch (ausgestorben), Schwedisch, Norwegisch, Dänisch, Isländisch.

b) Westgermanisch mit Hoch- oder Oberdeutsch, Mitteldeutsch, Niederdeutsch od. Plattdeutsch, Vlämisch, Niederländisch und Englisch.

Der indogermanische Sprachstamm ist, wie der wichtigste u. verbreitetste, so der vollkommenste aller Sprachtypen, dem nur der semitische einigermaßen nahekommt. Wie die übrigen grammatisch entwickelten Sprachstämme, bildet er die Wörter aus Wurzeln und Affixen, welch letztere in der Regel der Wurzel nachfolgen. Die große Anzahl der Affixe, welche überdies in beliebiger Menge aufeinander gehäuft werden können, ihre innige Vereinigung mit der Wurzel zu einem vollkommen selbständigen, neuen Wort ermöglichen den charakteristischen Wort- und Bedeutungsreichtum der indogermanischen Sprachen. Auch die feine und mannigfaltige Gliederung der Sätze ist ihnen eigentümlich.

VIII. Der amerikanische Sprachstamm

umfaßt die Sprachen der Eingebornen von Nord- und Südamerika mit Ausnahme der Eskimo im äußersten Norden. Es gehört dazu der an die Eskimosprachen angrenzende athabaskische Sprachstamm (dazu nach Buschmann auch die Kenaisprachen in Alaska), dessen südwestliche Ausläufer, die Idiome der Apatschen und der Navajo, bis nach Mexiko hinein reichen; die Algonkinsprachen (dazu das Delaware, Mohikan, Odschibwä, Minsi, Kri, Mikmak etc.) südlich davon sind besonders im Osten heimisch und reichten früher von Labrador bis nach Südcarolina; westlich vom Hudson schließt sich daran das Irokesische, weiter nach Westen, jenseit des Mississippi, das Dakota der Sioux-Indianer, das Pani der Pani-Indianer am Arkansas etc. Im Felsengebirge und Quellengebiet des Missouri beginnt mit der Gruppe der Schoschonensprachen der Sonora-Sprachstamm, der im südlichen Arizona und Kalifornien sowie im nördlichen Mexiko herrscht; dazu gehören wohl auch das Nahuatl der Epoche Montezumas und das davon abgeleitete moderne Aztekisch nebst zahlreichen Dialekten, die bis nach San Salvador reichen. Im Süden und Südosten schließen sich daran die Sprachen der Urbewohner Mexikos, der mittelamerikanischen Republiken und der Antillen: Otomi, Mixtekisch, Zapotekisch, Tarasca, Cibuney, Cueva, Maya u. a. Die Hauptsprachen Südamerikas sind: das Galibi oder Karibische nebst dem Arowakischen, vom Isthmus von Panama bis nach Guayana, zur Zeit der Entdeckung Amerikas auch auf den Antillen heimisch, verwandt mit dem weitverbreiteten Tupi (Lingoa geral, d. h. allgemeine Umgangssprache, genannt) im Innern von Brasilien und dem Guarani am La Plata; das Chibcha in Kolumbien; die andoperuanische Gruppe mit Kechua und Aymara als Hauptsprachen; die andisische Gruppe östlich davon, mit den Sprachen der Yuracare u. a.; das Araukanische, Patagonische, Guaicuru, Chiquito, Abiponische und die Sprache der Pescheräh oder Feuerländer. Alle diese Sprachen oder Sprachstämme Amerikas nebst vielen andern hier ungenannten Sprachen (Amerika zählt deren über 400) haben zwar keine Wurzeln, aber den gleichen grammatischen Bau miteinander gemeinsam. Der ganze Satz geht im Verbum auf, mit welchem Subjekt, Objekt und adverbiale Bestimmungen zu Einem Wort verschmolzen werden, wodurch die ungeheuern Wortkonglomerate entstehen, welche die amerikanischen Sprachen charakterisieren.

Über die außerhalb der angeführten acht Sprachstämme stehenden sogen. isolierten Sprachen vgl. den Text, S. 181 f.