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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Die Sternwarte der Kaiser Wilhelms-Universität zu Straßburg

306b

[Zu Artikel und Tafel Sternwarte.]

Die Sternwarte der Kaiser Wilhelms-Universität zu Straßburg.

Die im Sommer 1881 ihrer Bestimmung übergebene Sternwarte der Kaiser Wilhelms-Universität zu Straßburg besteht aus drei Gebäuden, von denen das eine Wohnungen, die andern beiden die zur Aufstellung der Instrumente nötigen Räume enthalten. Der Refraktorbau für das Hauptinstrument der Sternwarte (s. Tafel) ist ein von einer mächtigen Kuppel gekrönter Turm, der sich 24 m über den Boden erhebt. Die Mitte des aus Sandstein aufgeführten Unterbaues, dessen Querschnitt die Form eines gleicharmigen Kreuzes zeigt, nimmt eine Halle ein, um welche sich eine Anzahl verschiedenen Zwecken dienender Räume gruppieren. Die diese Halle einschließenden sehr starken Mauerpfeiler tragen ein mehrfaches Gewölbe, auf welchem die den großen Refraktor tragende Säule ruht. Dieses Gewölbe ist von der obern, die Kuppel tragenden Umfassungswand des Turms und von dem Fußboden des Kuppelraums isoliert, so daß sich Erschütterungen dieser Teile nicht direkt auf das Instrument übertragen können; es umschließt einen Hohlraum, der im Innern des ganzen Mauerwerks zu allen Tages- und Jahreszeiten sehr nahe dieselbe Temperatur behält, und in welchem daher die Normaluhren des Observatoriums ihre Aufstellung gefunden haben. Ein zweiter Raum mit konstanter Temperatur ist noch inmitten des Kellergeschosses gelegen.

Die halbkugelförmige Kuppel des Turms (vgl. den Durchschnitt auf der Tafel) von 11 m Durchmesser ist aus eisernen Bogenträgern konstruiert, die eine außen mit Zink verkleidete Holzverschalung tragen, und an der Innenfläche zum Schutz gegen die sich hier leicht ansetzende Feuchtigkeit mit Tuch ausgeschlagen. Ein Spalt von 2 m Breite, vom Horizont durch den Scheitel bis wieder zum Horizont gehend, ermöglicht den Ausblick auf den Himmel; bei ungünstigem Wetter wird derselbe durch zwei halbcylindrische Stücke geschlossen, die sich beim Öffnen symmetrisch voneinander entfernen. Die Kuppel ist drehbar und läuft auf dem obern Rande der Turmwand vermittelst an ihr befestigter Räder von 1 m Durchmesser. Sie ist mit einem Zahnkranz versehen, in den eine Transmission eingreift, welche durch ca. 1000 kg schwere, in tiefen, zu diesem Zweck im Mauerwerk ausgesparten Schächten niedersteigende Gewichte getrieben wird. Durch Umschaltung einer Welle in dieser Transmission kann man die Drehung rechts- oder linksherum vor sich gehen lassen, und dieses Umschalten ebenso wie das Auslösen der Gewichte erfolgt, indem man durch Schluß eines am Okularende des Fernrohrs angebrachten Kontakts einen Elektromagnet wirken läßt, so daß also der Beobachter, ohne seinen Platz zu verlassen und ohne alle Mühe den Spalt der ca. 34,000 kg schweren Kuppel auf die gerade zu beobachtende Himmelsgegend richten kann. Eine breite Terrasse um die Kuppel ist bestimmt für die mit bloßem Auge oder mit kleinem transportabeln Instrumenten anzustellenden Beobachtungen. Auf ihr befindet sich auch ein großer Kometensucher von 16,2 cm Öffnung und 1,3 m Brennweite, welchen der auf einem Drehstuhl sitzende Beobachter auf jede Gegend des Himmels richten kann, ohne dabei die Lage seines Kopfes verändern zu müssen. Derselbe dient außerdem zur fortlaufenden Beobachtung des Lichtwechsels der in ihrem Glanz veränderlichen Fixsterne.

Unter der Kuppel ruht auf einer 4 m hohen gußeisernen Säule der große parallaktisch montierte Refraktor, dessen Objektiv einen freien Durchmesser von 48,7 cm und 7 m Brennweite hat (vgl. Äquatorial).

Bemerkenswert sind noch die an der großen Drehkuppel angebrachten Vorrichtungen, um dieselbe auf ihrer Außenfläche vollständig mit Wasser zu berieseln und so im heißen Sommer vor Beginn der Beobachtungen eine raschere Abkühlung derselben zu bewirken. In den ersten Abendstunden würden sonst die das Instrument zunächst umgebenden Luftschichten eine bedeutend höhere Temperatur als die äußere Luft zeigen, was eine Störung der durchgehenden Lichtstrahlen und ein verwaschenes und zitterndes Ausheben der im Fernrohr beobachteten Gestirne zur Folge haben müßte.

Der Meridianbau (s. Tafel) enthält in seinem Ostflügel den Meridiansaal, dessen Längsachse in der Richtung OW. liegt; er wird in nordsüdlicher Richtung von zwei je 1 m breiten, durch Klappen verschließbaren Spalten durchschnitten, unter denen der Meridiankreis von 16,2 cm Öffnung und 1,9 m Brennweite und das Passageinstrument aufgestellt sind. Diese Instrumente ruhen, um ihnen eine feste und unveränderliche Aufstellung zu geben, auf starken Pfeilern, die frei aus dem Boden aufsteigen und vom ganzen übrigen Gebäude isoliert sind. Die äußern Grundmauern des Gebäudes sind gleichfalls sehr stark und mit zwischenliegenden Luftschichten aufgeführt, um die Instrumentenpfeiler möglichst vor Temperaturschwankungen, welche Verziehungen derselben zur Folge haben könnten, zu sichern; sie tragen ein flaches Bogengewölbe, durch das jene Pfeiler frei hindurchgehen. Der Fußboden ist in der verhältnismäßig beträchtlichen Höhe von fast 5 m über der Erde angelegt, um die Gesichtslinien der Instrumente auch bei nahezu horizontaler Stellung des Fernrohrs aus dem Bereich der an der Erdoberfläche stattfindenden unregelmäßigen Strahlungen zu bringen. Der Oberbau des Meridiansaals ist aus Eisen konstruiert; Wandung und Dach sind aus verzinntem Wellenblech hergestellt und außen mit einer jalousieartigen Holzverkleidung versehen, um die Innentemperatur des Raums möglichst gleich der äußern Schattentemperatur zu machen und auf diese Weise sowohl alle störenden Luftströmungen durch die geöffneten Spalten zu vermeiden als auch namentlich die Bildung von nach oben wärmer werdenden Luftschichten zu verhindern, wodurch auch die obern und untern Teile der Instrumente sich ungleich erwärmen und infolgedessen ihre genaue Gestalt verlieren würden.

Der Westflügel des Meridianbaues wird im N. und S. von zwei mit Drehkuppeln versehenen Türmen begrenzt, die sich bis zur Höhe von 20 m erheben. In dem südlichen Turm ist aufgestellt der Bahnsucher, in dem nördlichen das Altazimut mit einem Fernrohr von 13,6 cm Öffnung und 1,5 m Brennweite, welche Instrumente auf sehr starken, vom übrigen Gebäude völlig getrennten Pfeilern ruhen. Diese verjüngen sich nach oben, sind im Innern bis auf radiale Versteifungen hohl und werden zum Schutz gegen Wärmeänderungen, welche leicht merkliche Schwankungen der 16 m hohen Pfeiler verursachen könnten, von einem Hohlcylinder aus Backsteinen eingeschlossen. Um diesen windet sich dann die Wendeltreppe, die von der äußern Turmwand getragen wird. Die beiden drehbaren Kuppeln haben einen Durchmesser von 5,5 m; die südliche ist ganz ähnlich der des Refraktorbaues, die nördliche dagegen ist, weil das unter ihr befindliche Altazimut eine besonders große Öffnung derselben bei der Beobachtung erforderte, durch einen senkrecht durch ihren Scheitel gelegten Schnitt in zwei gleiche Hälften geteilt, die sich durch einen Bewegungsmechanismus bis zum Abstand von 2,5 m voneinander entfernen lassen. Die Galerien und Terrassen, welche die beiden Kuppeln umgeben, können ebenfalls mit Wasser berieselt werden.

Außer den erwähnten Meßwerkzeugen besitzt die Sternwarte noch eine Anzahl kleinerer Instrumente, ein Heliometer, ein transportables Passageinstrument, welche im Freien unter Bedachung ihre Aufstellung gefunden haben, etc.