Schnellsuche:

Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Stickstoffoxydul; Stickstoffpentoxyd; Stickstoffperoxyd; Stickstofftetroxyd; Stickstofftheorie; Sticta

320

Stickstoffoxydul - Sticta.

bei sehr niedriger Temperatur unter einem Druck von 104 Atmosphären zu einer farblosen Flüssigkeit verdichtet. Das spezifische Gewicht ist 1,039, es verbindet sich mit dem Sauerstoff der Luft direkt unter Bildung roter Dämpfe von Stickstoffperoxyd, löst sich bei mittlerer Temperatur in 20 Volumen Wasser, erträgt hohe Temperatur, ist nicht atembar, unterhält die Verbrennung von erhitztem Eisen und Phosphor, während eine Kerze darin erlischt; eine Mischung von Schwefelkohlenstoffdampf und Stickstoffoxyd verbrennt mit einer blauen, an chemisch wirksamen Strahlen sehr reichen Flamme, welche zum Photographieren bei Ausschluß des Tageslichts dienen kann (Sellsche Lampe). Feuchte Zink- und Eisenfeilspäne, Schwefelleber etc. reduzieren S. zu Oxydul; Kalium und glühendes Kupfer reduzieren es vollständig. Eisenvitriollösung absorbiert es reichlich und färbt sich dabei fast schwarz, auch Salpetersäure nimmt es auf und bildet eine blaue, grüne oder braune Flüssigkeit. Es wurde schon von van Helmont beobachtet, aber erst von Priestley näher untersucht und von ihm Salpetergas genannt.

Stickstoffoxydul (Stickstoffmonoxyd, Stickoxydul, Lustgas, Lachgas) N2O ^[N_{2}O] entsteht bei vorsichtigem Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak, bei Einwirkung sehr verdünnter kalter Salpetersäure auf Zink- oder feuchter Eisen- oder Zinkfeile, Schwefelleber oder schwefliger Säure auf Stickstoffoxyd und bei Einwirkung von schwefliger Säure auf heiße verdünnte Salpetersäure. Dargestellt wird es stets durch Erhitzen von salpetersaurem Ammoniak und Waschen des Gases mit Eisenvitriollösung und Kalilauge; 1 kg des Salzes liefert 182 Lit. Gas. Ein kontinuierlich arbeitender Apparat zur Darstellung des Gases besteht aus einer mit gereinigtem groben Sand gefüllten, entsprechend erhitzten eisernen Röhre, in welcher das geschmolzene salpetersaure Ammoniak, während es durch den Sand sickert, vollständig zersetzt wird. Man versendet das Gas im flüssigen Zustand in starkwandigen eisernen oder kupfernen Flaschen. Es bildet ein farbloses Gas, riecht und schmeckt schwach süßlich, spez. Gew. 1,52; 100 Volum. Wasser lösen bei 0°: 130,5, bei 15°: 77,8 Vol. In Alkohol ist es noch leichter löslich; bei 0° und unter einem Druck von 30 Atmosphären wird es zu einer farblosen Flüssigkeit kondensiert, welche bei -88° siedet, bei -115° erstarrt und, mit Schwefelkohlenstoff gemischt, beim Verdampfen im luftleeren Raum eine Temperatur von -140° erzeugt. Das Gas kann geatmet werden, unterhält den Atmungs- und Verbrennungsprozeß, und ein glimmender Holzspan entzündet sich darin fast wie in Sauerstoff. Ein Gemisch von 4 Vol. S. mit 1 Vol. Sauerstoff erzeugt beim Einatmen nach 1½-2 Minuten Rausch und Heiterkeit (daher Lustgas). Bei längerm Einatmen erzeugt es Ohrensausen, Rausch, Bewußtlosigkeit und tötet endlich durch Erstickung. Unterbricht man aber die Einatmung, sobald die Bewußtlosigkeit eingetreten ist, so verschwinden alle Erscheinungen schnell und ohne bleibenden Nachteil. Deshalb benutzt man das Gas als anästhetisches Mittel bei kleinen Operationen. S. wurde 1772 von Priestley entdeckt, Davy beobachtete 1799 seine eigentümliche Wirkung auf den Organismus, und Wells zu Hartford in Connecticut benutzte es zur Hervorbringung einer schnell vorübergehenden Narkose. Es blieb indes ohne praktischen Wert, bis Colton und Porter 1863 von neuem darauf aufmerksam machten. Letzterer führte es in England ein, und 1867 brachte es Evans in Paris zur eigentlich wissenschaftlichen Verwertung. Das S. erleidet bei der Einatmung durchaus keine Veränderung, und dies Verhalten erschwert eine genügende Erklärung seiner Wirkung. Zur Hervorbringung einer vollständigen Narkose sind im Durchschnitt 22-26 Lit. Gas erforderlich. Gewöhnlich währt dieselbe nur 30-90 Sekunden, reicht also nur für kurze Operationen, wie das Ausziehen von Zähnen; doch hat man durch geschickte Leitung des abwechselnden Einatmens von S. und Luft die Narkose auch schon auf 50-90 Minuten ausgedehnt. Unterbricht man die Zufuhr des Stickstoffoxyduls vollständig, so tritt schon nach 1-2 Minuten der normale Zustand wieder ein, ohne daß sich die mindeste Nachwirkung bemerkbar macht. Lange fortgesetztes Einatmen von S. behufs Herbeiführung einer vollkommen und lange andauernden Empfindungslosigkeit erfordert immerhin große Umsicht des Operateurs, weil in solchem Falle leicht bedenkliche Erstickungszufälle eintreten können. Nun hat aber Bert das gleichzeitige Einatmen von S. und Luft ohne Abschwächung der Wirkung des erstern dadurch ermöglicht, daß er gleiche Volumen dieser Gase mischt und sie unter doppeltem Atmosphärendruck einatmen läßt. In gleicher Zeit wird dann dieselbe Menge S. den Lungen zugeführt wie beim Einatmen des reinen Gases unter gewöhnlichem Druck, nebenbei aber erhält die Lunge die für eine normale Respiration erforderliche Menge Sauerstoff. Auf solche Weise vermochte Bert bei Versuchen an Tieren eine volle Stunde hindurch gänzliche Empfindungslosigkeit zu unterhalten und in dieser Zeit große Operationen schmerzlos vorzunehmen. Nach 2-3 Atemzügen reiner Luft trat der normale Zustand wieder ein, ohne daß sich irgend welche Nachwirkungen gezeigt hätten. Vgl. Goltstein, Die physiologischen Wirkungen des Stickstoffoxydulgases (Bonn 1878); Schrauth, Das Lustgas und seine Verwendbarkeit in der Chirurgie (Bonn 1889).

Stickstoffpentoxyd, s. Salpetersäure, S. 226.

Stickstoffperoxyd (Stickstofftetroxyd) NO2 ^[NO_{2}] entsteht bei Berührung von Stickstoffoxyd mit Luft, beim Erhitzen verschiedener Salpetersäuresalze (wie Bleinitrat) und, mit Stickstofftrioxyd gemischt, bei Einwirkung von Salpetersäure auf Stärkemehl, Zucker etc.; es bildet bei -9° farblose Kristalle und schmilzt leicht zu einer farblosen Flüssigkeit, die sich bei höherer Temperatur gelb färbt, bei 15° orangerot ist, bei 22° siedet und einen braunroten, erstickend riechenden Dampf bildet, welcher bei stärkerm Erhitzen immer dunkler, fast schwarz wird. In Form dieses Dampfes beobachtet man es am häufigsten. Mit wenig eiskaltem Wasser zersetzt sich das Peroxyd in salpetrige Säure und Salpetersäure, mit Wasser von gewöhnlicher Temperatur (wegen Zersetzung der salpetrigen Säure) in Salpetersäure und Stickstoffoxyd und bei Gegenwart von Sauerstoff zuletzt vollständig in Salpetersäure. Wegen der schnell eintretenden sauren Reaktion des feuchten Peroxyds nannte man dasselbe früher Untersalpetersäure.

Stickstofftetroxyd, s. v. w. Stickstoffperoxyd.

Stickstofftheorie, s. Agrikulturchemie und Landwirtschaft, S. 478.

Sticta Schreb. (Grubenflechte), Laubflechten mit weißen, becherartig vertieften Flecken (Cyphellen) auf der Unterseite des Thallus, meist am Rande des letztern befindlichen Apothecien und mit der Markschicht aufsitzender Apothecienscheibe. S. pulmonacea Ach. (Lungenflechte), mit lederartigem, buchtig gelapptem, netzförmig grubigem, grünem, trocken bräunlichem Thallus mit weißen Flecken und rotbraunen Apothecien, wächst am Fuß alter Buchen und Eichen und war früher als Lungenmoos offizinell.