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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Straferkenntnis; Strafford; Strafgerichtsbarkeit

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Straferkenntnis - Strafgerichtsbarkeit.

heits- und Vermögensstrafen unterschieden. Die früher üblichen qualifizierten Todesstrafen sind ebenso wie die verstümmelnden und die in körperlicher Züchtigung bestehenden Leibesstrafen, wenigstens in allen zivilisierten Ländern, abgeschafft. Ehrenstrafen kommen nach Abschaffung gewisser beschimpfender Strafarten, wie z. B. der Prangerstrafe, nur noch als Nebenstrafen, d. h. als die Folgen anderweiter, in erster Linie erkannter Strafen, vor. Das Strafensystem des deutschen Reichsstrafgesetzbuchs (§ 13 ff.) insbesondere ist folgendes. A. Hauptstrafen: 1) Die mittels Enthauptung zu vollstreckende Todesstrafe (s. d.). 2) Freiheitsstrafen: a) Zuchthausstrafe, entweder lebenslänglich oder zeitig, im Mindestbetrag von einem und im Höchstbetrag von 15 Jahren. Die dazu Verurteilten sind zu den in der Strafanstalt eingeführten, nach Befinden auch zu öffentlichen Arbeiten außerhalb der Strafanstalt anzuhalten. Die Zuchthausstrafe zieht die dauernde Unfähigkeit zu öffentlichen Ämtern, zum Dienst im Heer und in der Marine nach sich. b) Gefängnisstrafe (Höchstbetrag 5 Jahre, Mindestbetrag ein Tag). Die dazu Verurteilten können in der Gefangenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise, außerhalb der Anstalt jedoch nur mit ihrer Zustimmung beschäftigt werden. Auf ihr Verlangen sind die Gefängnissträflinge in angemessener Weise zu beschäftigen. c) Festungshaft, lebenslänglich oder zeitig und zwar im Mindestbetrag von einem Tag, im Höchstbetrag von 15 Jahren. Dieselbe besteht lediglich in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in andern dazu bestimmten Räumen vollzogen (sogen. Custodia honesta). Dabei wird achtmonatige Zuchthausstrafe einer einjährigen Gefängnisstrafe, achtmonatige Gefängnisstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich geachtet. d) Haft, einfache Freiheitsentziehung im Mindestbetrag von einem Tag, im Höchstbetrag von 6 Wochen. 3) Geldstrafe, deren Mindestbetrag bei Verbrechen und Vergehen auf 3 Mk., bei Übertretungen auf 1 Mk. fixiert ist. 4) Verweis, der ausnahmsweise bei jugendlichen Personen unter 18 Jahren und nur bei besonders leichten Vergehen und Übertretungen zulässig ist. Die Deportation (s. d.) ist dem Strafsystem des deutschen Strafgesetzbuchs unbekannt. B. Nebenstrafen: 1) Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte (s. d.); 2) Polizeiaufsicht (s. d.); 3) Ausweisung (s. d.) von Ausländern; 4) Überweisung (s. d.) an die Landespolizeibehörde; 5) Einziehung oder Konfiskation von Verbrechensgegenständen. Gegen Militärpersonen kommen nach dem deutschen Militärstrafgesetzbuch (§ 14 ff.) folgende Strafen (Militärstrafen) zur Anwendung: Die Todesstrafe, welche im Feld stets, außerdem nur dann, wenn sie wegen eines militärischen Verbrechens erkannt worden, durch Erschießen zu vollstrecken ist; als Freiheitsstrafen Arrest (s. d.), Gefängnis und Festungshaft. Ist Zuchthausstrafe verwirkt, oder wird auf Entfernung aus dem Heer oder der Marine oder auf Dienstentlassung erkannt, oder wird das militärische Dienstverhältnis aus einem andern Grund aufgelöst, so geht die Strafvollstreckung auf die bürgerlichen Behörden über. Wo die allgemeinen Strafgesetze Geld- und Freiheitsstrafe wahlweise androhen, darf, wenn durch die strafbare Handlung zugleich eine militärische Dienstpflicht verletzt worden ist, auf Geldstrafe nicht erkannt werden. Endlich kommen als besondere Ehrenstrafen gegen Militärpersonen vor: Entfernung aus dem Heer oder der Marine, gegen Offiziere Dienstentlassung, gegen Unteroffiziere Degradation und gegen Unteroffiziere und Gemeine Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes.

Straferkenntnis, s. Urteil.

Strafford, Thomas Wentworth, Graf von, engl. Staatsmann, geb. 13. April 1593 aus einer alten Familie der Grafschaft York, trat 1621 in das Unterhaus, wo er der Politik Jakobs I. und Karls I. Opposition machte. Bald aber veranlaßte ihn sein Ehrgeiz, seinen Frieden mit dem Hof zu machen; nach Buckinghams Ermordung ernannte ihn der König 1628 zum Peer und 1629 zum Mitglied des Geheimen Rats und Präsidenten der Regierung der Nordprovinzen. Wentworth ward bald neben dem Bischof Laud die festeste Stütze Karls I., dessen Bestrebungen, die Macht der Krone bis zur Unumschränktheit zu steigern, an ihm den kräftigsten Helfer fanden. 1632 als Statthalter nach Irland gesandt, brachte er dort, allerdings nur durch despotische Herrschaft, das Ansehen des Königtums zu unbedingter Anerkennung. Beim Ausbruch des schottischen Aufstandes 1638 drängte er dem irischen Parlament die Bewilligung reichlicher Subsidien für die Unterdrückung der Bewegung ab und ward hierfür von Karl I. zum Grafen von S. und Lord-Lieutenant von Irland erhoben. Nach der Auflösung des Kurzen Parlaments von 1640 kommandierte er während des Kampfes gegen die Schotten die königlichen Truppen in Yorkshire. Als dann aber der König sich genötigt sah, das Parlament wieder zu berufen, erhob 11. Nov. 1640 das Haus der Gemeinen gegen ihn die Anklage auf Hochverrat, weil er dem König zum Kriege gegen das Volk und zur Untergrabung der Grundgesetze des Reichs geraten habe. S. verteidigte sich sehr geschickt, und seine Freisprechung bei den Lords schien gesichert, als das Unterhaus auf Haslerighs Antrag den Weg des gerichtlichen Verfahrens verließ und durch die Bill of attainder den verhaßten Minister wegen Hochverrats zum Tod verdammte. Die Lords, vom Volk terrorisiert, traten mit 7 Stimmen Mehrheit diesem Beschluß bei; als der König schwankte, denselben zu bestätigen, beschwor S. ihn in einem großherzigen Brief, ihn um seines eignen Heils willen zu opfern. Da unterzeichnete der Monarch 10. Mai 1641 das Urteil, und Straffords Haupt fiel 12. Mai 1641 unter dem Schwerte des Henkers. Nach der Restauration Karls II. wurde seine "Ehre wiederhergestellt"; sein ältester Sohn erhielt Titel und Peerswürde des Vaters. Seine Briefe etc. wurden 1740 in 2 Bänden veröffentlicht. Vgl. Lally-Tollendal, Vie du comte de S. (Lond. 1795, 2 Bde.; Par. 1814); Cooper, Life of Thom. Wentworth Earl of S. (Lond. 1874).

Strafgerichtsbarkeit (Kriminalgerichtsbarkeit, peinliche Gerichtsbarkeit, Jurisdictio criminalis), die Befugnis zur Ausübung der Rechtspflege auf dem Gebiet des Strafrechts. Als Ausfluß der Staatsgewalt kann die Ausübung der S. nur dem Staat und seinen Organen zustehen, wie dies im deutschen Gerichtsverfassungsgesetz vom 27. Jan. 1877 (§ 15) ausdrücklich erklärt ist. Diese Ausübung der S. ist aber regelmäßig den ordentlichen Gerichten und nur ausnahmsweise in leichtern Fällen den Polizeibehörden übertragen. Nach der deutschen Strafprozeßordnung (§ 453 ff.) darf sich die Strafgewalt der letztern nur auf Übertretungen erstrecken, auch kann die Polizeibehörde keine andre Strafe als Geldstrafe oder Haft bis zu 14 Tagen aussprechen; indes ist dem Beschuldigten derartigen Strafverfügungen der Polizeibehörde gegenüber nachgelassen, binnen einer Woche nach der Bekanntmachung der Strafe auf gerichtliche Entscheidung anzutragen. Wer die S. aus-^[folgende Seite]