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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Symbolische Bücher

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Symbolik - Symbolische Bücher.

Juden (siebenarmiger Leuchter), und die Christen deuteten sie später auf die sieben letzten Worte am Kreuz, auf die sieben Sakramente, die sieben Werke der Barmherzigkeit etc. Die Drei war das Zeichen der heiligen Dreieinigkeit und der drei christlichen Tugenden (Glaube, Liebe, Hoffnung), die Vier das Symbol der vier weltlichen Tugenden, der vier Elemente etc., die Fünf das Sinnbild der Wundenmale Christi. Die Tiersymbolik wurde im Mittelalter sehr umständlich ausgebildet, indem namentlich die naturwissenschaftlichen Lehrbücher, die sogen. Bestiarien (s. Bestiaire), gewisse Tiere zu Vertretern besonderer Eigenschaften, Tugenden und Lastern machten, für welche sie von der bildenden Kunst als Symbole benutzt wurden. Die vier Evangelisten hatten schon frühzeitig ihre Symbole (Matthäus einen Engel, Markus einen Löwen, Lukas einen Ochsen, Johannes einen Adler). Der Löwe war das Sinnbild der Stärke und des Edelmuts, der Adler das der königlichen Würde, der Pfau das des Hochmuts, das Einhorn das der Unschuld, der Hund das der Treue, das Schwein das der Völlerei etc. Auf mittelalterlichen Grabsteinen ist der Löwe sehr häufig das Attribut der Männer, der Hund das der Frauen. Die geläufigsten Tier- und Pflanzensymbole wurden auch von der Kunst der Renaissance übernommen und haben sich bis auf die Gegenwart in der Kunst und im Gebrauch des gewöhnlichen Lebens erhalten. So sind z. B. Kreuz, Herz und Anker die Symbole von Glaube, Liebe und Hoffnung. Neben der Tier-, Pflanzen- und Zahlensymbolik gibt es noch eine Farbensymbolik, die ebenfalls alten Ursprungs ist. Weiß gilt als Symbol der Unschuld, Grün als das der Hoffnung, Blau als das der Treue, Rot als das der Liebe etc. Vgl. Creuzer, S. und Mythologie der alten Völker (3. Aufl., Leipz. 1836-43, 4 Bde.); Bahr, S. des mosaischen Kultus (Heidelb. 1837-39, 2 Bde.; Bd. 1, 2. Aufl. 1874); Münter, Sinnbilder der alten Christen (Altona 1825); Piper, Mythologie und S. der christlichen Kunst (Weim. 1847-51, 2 Bde.); W. Menzel, Christliche S. (Regensb. 1854, 2 Bde.).

Im engern Sinn versteht man unter S. oder symbolischer Theologie diejenige Disziplin, welche sich mit den kirchlichen Bekenntnisschriften und deren Lehrinhalt unter beständiger Vergleichung der Lehrbegriffe der verschiedenen Kirchen und Konfessionen beschäftigt. Je nachdem bei der Aufstellung und Beleuchtung dieser Gegensätze das rein historische oder das dogmatisch-polemische Interesse vorwaltet, ist die S. ein integrierender Teil der Dogmengeschichte, oder sie fällt mit der Polemik (s. d.) zusammen. Eine S. aller christlichen Kirchenparteien lieferten: Marheineke (Heidelb. 1810-14, 3 Bde.; 1848), Winer (4. Aufl. von P. Ewald, Leipz. 1882), Köllner (Hamb. 1837-44, 2 Bde.), Guericke (3. Aufl., Leipz. 1861), Matthes (das. 1854), Hofmann (das. 1857), Plitt (Erlang. 1875), Reiff (Basel 1875), Öhler (Tübing. 1876), Scheele (Upsala 1877 ff.; deutsch, 2. Aufl., Leipz. 1886, 3 Bde.), Wendt ("S. der römisch-katholischen Kirche", Gotha 1880 ff.), Philippi (Gütersl. 1883), Graul ("Die Unterscheidungslehren der verschiedenen christlichen Bekenntnisse", 11. Aufl., Leipz. 1884) und namentlich der katholische Theolog Möhler (s. d.), dessen Werk eine große Reihe protestantischer Entgegnungen, besonders von Nitzsch und Baur, hervorgerufen und das Interesse an der katholisch-protestantischen Streitsache neu belebt hat, während die hierher gehörigen Untersuchungen von Matth. Schneckenburger (s. d.) neue Bahnen für das Verständnis der innerprotestantischen Lehrgegensätze eröffnet haben.

Symbolische Bücher, Schriften, durch welche eine Kirche den Glauben, an dessen Bekenntnis ihre Mitglieder sich teils untereinander erkennen, teils von andern religiösen Genossenschaften unterscheiden, urkundlich bezeugt. Schon die alte katholische Kirche legte ihren Taufbekenntnissen den aus der Mysteriensprache entlehnten Namen Symbol bei, da ja auch die Taufe als ein Mysterium galt. Die theologischen Streitigkeiten des 4. und der folgenden Jahrhunderte mußten die Zahl der Symbole noch erhöhen, und dreien von ihnen, dem sogen. Apostolischen (s. d.), dem Nicäisch-Konstantinopolitanischen (s. d.) und dem sogen. Athanasianischen (s. d.), verschafften als sogen. allgemeinen oder ökumenischen Symbolen die weltliche Macht der Kaiser und das Ansehen der Konzile absolute Geltung in der Kirche. Die Reformatoren des 16. Jahrh. haben diese allgemeinsten Grundlagen der christlich-katholischen Weltanschauung nicht angetastet; zugleich machte sich jedoch das Bedürfnis geltend, ein gemeinsames Bekenntnis des evangelischen Glaubens abzulegen und die Unterscheidungslehren, welche zur Trennung von der römischen Kirche geführt hatten, klar und bestimmt hinzustellen. In den auf Luthers Tod folgenden theologischen Streitigkeiten wurde das Unterschreiben derselben insbesondere für die Geistlichen obligatorisch, namentlich seit 1580 beim Erscheinen des Konkordienbuchs von den sich dazu bekennenden Fürsten und Ständen bestimmt ausgesprochen worden war, daß bei der darin enthaltenen Lehre allenthalben beharrt werden sollte. Gleichwohl tauchte schon im 17. Jahrh. der Gedanke auf, daß die Verpflichtung auf s. B. eine unevangelische Beschränkung der Glaubens- und Gewissensfreiheit sei; das folgende Jahrhundert regte die Frage an, ob man die Geistlichen auf sie verpflichten solle, nicht "weil" (quia), sondern "inwiefern" (quatenus) sie mit der Heiligen Schrift übereinstimmten, und mit der letztern Formel behalf sich namentlich der Rationalismus. In unserm Jahrhundert gewann der Grundsatz, daß sich die Geistlichen streng an die Lehrformen der symbolischen Bücher zu halten hätten (Symbolzwang), besonders in Norddeutschland neue Geltung. Selbst wo, wie in Preußen, die Union herrscht, will man doch bald in der Augsburgischen Konfession, bald in dem sogen. Apostolikum eine unantastbare Autorität erkennen, ohne welche eine die Gemüter der Gemeinden verwirrende Lehrwillkür einreißen müsse. Die Gegner des Symbolzwanges machen geltend, daß derselbe den Protestantismus im Prinzip bedrohe und durch Aufhebung der Lehrfreiheit (s. d.) den Fortschritt in der Wissenschaft beeinträchtige; sie wollen daher den protestantischen Geistlichen nur eine pietätvolle, von pädagogischem Takt geleitete Berücksichtigung der symbolischen Bücher und ihres Lehrgehalts zur Pflicht gemacht wissen. Fast bei allen kirchlichen Streitigkeiten der neuern Zeit stand die Frage des Symbolzwangs im Vordergrund. Über die symbolischen Bücher der verschiedenen christlichen Religionsparteien s. die besondern Artikel: Glaubensbekenntnis, Griechische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Lutherische Kirche, Reformierte Kirche etc. Vgl. Schleiermacher, Über den eigentlichen Wert und das bindende Ansehen symbolischer Bücher (Frankf. 1819); Johannsen, Die Anfänge des Symbolzwanges unter den deutschen Protestanten (Leipz. 1847); Scheurl, Sammlung kirchenrechtlicher Abhandlungen, Abteil. 1 (Erlang. 1872); Winer, Komparative Darstellung des Lehrbegriffs der verschiedenen christlichen Kirchenparteien (4. Aufl. von Ewald, Leipz. 1882).