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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tabak

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Tabak (Wirkung des Tabaksgenusses, Produktion und Verbrauch).

werden die Blätter entweder gleich zerschnitten, gestampft, gemahlen, gesiebt, oder vorher in Karotten geformt. Letztere sind 30 cm und darüber lange, nach beiden Enden verjüngte Rollen von gebeizten Blättern in einer festen Umwickelung von Bindfaden; man läßt sie längere Zeit lagern und erzielt dadurch eine eigentümliche Nachgärung, welche wesentlich zur Verbesserung des Schnupftabaks beiträgt. Um die kostspielige Arbeit des Karottierens zu ersparen, preßt man die Blätter auch nur in Kisten zusammen und läßt sie darin gären. Zum Zerreiben der Karotte dient die Rapiermaschine, welche ein gröbliches Pulver, Rapé, liefert. Man benutzt aber auch Stampfen, und die mehlförmigen Sorten werden nach dem Trocknen auf Tabaksmühlen erzeugt. Kautabak wird in der Regel aus schwerstem Virginiatabak dargestellt, den man nach dem Fermentieren und nach dem Behandeln mit verschiedenen Saucen in fingerdicke Rollen spinnt und preßt.

Die Wirkung der unveränderten Tabaksblätter beruht auf dem Gehalt an Nikotin; große Dosen töten unter klonischen Zuckungen, bei enormen Dosen tritt der Tod sehr schnell ohne Konvulsionen unter allgemeiner hochgradigster Muskelschwäche und Bewegungslosigkeit ein. In den zubereiteten Tabaksblättern ist der Nikotingehalt oft auf ein Minimum vermindert, und beim Rauchen kommt das Nikotin nicht oder kaum in Betracht. Die ersten Versuche des Tabaksrauchens haben in der Regel Ekel, Übelkeit, Angst, Beklommenheit, kalten Schweiß, Muskelzittern, Schwindel, Neigung zur Ohnmacht, nicht selten Erbrechen und Diarrhöe zur Folge. Wer sich an das Tabaksrauchen gewöhnt hat, empfindet dabei eine angenehme Erregung, ein Gefühl allgemeiner Behaglichkeit, unter dessen Einfluß die Funktionen des Verdauungsapparats befördert werden. Gleichwohl widerstehen Tabaksraucher dem Hunger besser als Nichtraucher. Auch scheint mäßiges Rauchen ohne jeden schädlichen Einfluß zu sein. Anhaltendes starkes Rauchen stört dagegen die Verdauung, mindert den Appetit, versetzt die Schleimhaut des Rachens, auch wohl die des Kehlkopfs, in den Zustand eines chronischen Katarrhs und erzeugt in geschlossenen Räumen leichte chronische Augenentzündung. Bisweilen treten aber auch schwere Symptome auf, welche indes fast stets bei gänzlicher Enthaltsamkeit wieder verschwinden. Das Schnupfen bringt weniger Allgemeinerscheinungen hervor, nur beeinträchtigt es meist den Geruchs- und Geschmackssinn und erzeugt auch chronischen Rachenkatarrh. Dagegen werden, namentlich aus Nordamerika, heftige Krankheitssymptome als Folge des Tabakskauens geschildert, vor allen hochgradige Verdauungsstörungen und vielfach psychische Alterationen, tiefe geistige Verstimmung und Willensschwäche. In Tabaksfabriken haben sich keine Störungen bei den Arbeitern gezeigt, welche als Folge des Tabaks aufzufassen wären.

Produktion und Verbrauch.

Die außereuropäischen Tabaksexporte betrugen in den Jahren 1883-85 pro Jahr:

Kilogr. Kilogr.

Vereinigte Staaten 109193700 Kolumbien 2250000

Türkei 32000000 Puerto Rico 1757900

Brasilien 23485000 China 1557900

Niederl.-Ostindien 19878900 Japan 1531100

Philippinen 7452800 Paraguay 1413500

Britisch-Ostindien 7259300 Peru 400000

Cuba 5909900 Mexiko 350000

San Domingo 4832600 Venezuela 286000

Algerien 4092700 -

Persien 2600000 Zusammen: 226251300

Berechnet man die Differenz zwischen Produktion und Export für die Vereinigten Staaten mit nur 100 Mill. kg, für Japan mit 40, für Britisch-Ostindien mit 160, für Algerien mit 4 Mill. kg, so ergibt dies, ohne Persien zu berücksichtigen, eine Jahreserzeugung von 530 Mill. kg, welche aber der Wirklichkeit bei weitem nicht entspricht, da sie den Lokalverbrauch aller in dieser Berechnung nicht genannten Länder unberücksichtigt läßt. Die europäische Tabaksproduktion (Rohtabak) betrug:

Kilogr.

Österreich-Ungarn 1885 80752900

Rußland 1885 51024000

Deutsches Reich 1884-85 47193000

Frankreich 1884 16262800

Griechenland 1883 7680000

Italien 1884 6017900

Belgien 1884 4713800

Rumänien Mittelernte 3000000

Niederlande 1884 2976500

Bulgarien Schätzung 2320000

Schweiz 1885 2000000

Serbien Schätzung 1500000

Bosnien-Herzegowina Mittelernte 600000

Finnland Mittelernte 200000

Zusammen: 226240900

Hiernach ergibt sich eine Gesamtproduktion von mindestens 756 Mill. kg ohne Berechnung des eignen Konsums des größten Teils der orientalischen, westindischen, süd- und mittelamerikanischen und afrikanischen Völkerschaften. Der Tabaksverbrauch pro Kopf und Jahr in Kilogrammen beträgt: Vereinigte Staaten 2,3, Niederlande 2,9, Belgien 2,0, Schweiz 2,2, Österreich-Ungarn 2,1, Deutschland 1,5, Schweden 0,8, Großbritannien 0,6, Norwegen 1,15, Rußland 0,6 (?), Frankreich 0,95, Italien 0,6, Dänemark 1,6. In Deutschland wird am meisten T. in der oberrheinischen Ebene und den unmittelbar daran grenzenden Hügelgegenden gebaut. Auf dieses Gebiet, welchem die Tabaksländereien der bayrischen Pfalz, Badens, Hessens und Elsaß-Lothringens angehören, entfallen 70 Proz. des ganzen deutschen Tabakslandes. Als einzelne Teile desselben lassen sich wiederum die badische und bayrische Pfalz mit dem südlichen Teil der hessischen Provinz Starkenburg als die hauptsächlichste Tabaksgegend Deutschlands (40,8 Proz.), ferner der Tabaksbezirk des badischen Oberlandes, (13,3 Proz.) und endlich westlich von diesem jenseit des Rheins das elsässische Tabaksland (14,4 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes) unterscheiden. Von den übrigen 30 Proz. kommen auf das rechtsrheinische Bayern, das noch in der Gegend von Nürnberg und Hof einen Tabaksbezirk von einigem Umfang hat, 3,1 Proz., auf das Königreich Württemberg 0,9 Proz. und auf das ganze nördlich von Mainz gelegene Deutschland wenig mehr als ein Viertel des deutschen Tabakslandes. Hier hat der Tabaksbau nur in der Ukermark und deren nördlicher und östlicher Fortsetzung gegen das Haff und die Oder sowie an der obern Oder in der Gegend von Breslau und in der Weichselniederung einige Bedeutung; in allen übrigen Gegenden tritt diese Kultur nur sporadisch auf. Das ukermärkische Tabaksland, das bedeutendste in Norddeutschland, umfaßt 12,3 Proz. des gesamten deutschen Tabakslandes. 1871 brachten 22,673 Hektar 717,907 Ztr. in trocknen Blättern, 1887 wurden auf 21,465 Hektar 817,386 Ztr. geerntet (1904 kg auf 1 Hektar), davon entfallen auf Baden 305,548, Preußen 221,424, Bayern 133,590, Elsaß-Lothringen 100,912, Hessen 28,436, Württemberg 12,128 Ztr. 1888 waren nur 18,130 Hektar mit T. bepflanzt. Die