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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tertiärformation

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Tertiärformation (die wichtigsten Tertiärablagerungen).

Kalke. Noch jünger sind die Faluns der Touraine und der Bretagne, muschelreiche Sande und Mergel, aus denen Tafel I einen Seestern (Scutella striata) abbildet. In England sind außerdem pliocäne Schichten vertreten, der sogen. Crag, der sich in mehrere Etagen gliedern läßt. Eine rein marine Facies des Untertertiärs ist die Nummulitenformation. Wenn auch für diese die früher vorausgesetzte Gleichartigkeit nicht besteht, die betreffenden Gesteine vielmehr verschiedenen Altersstufen untergeordnet werden müssen, so sind doch die Altersunterschiede dieser aus Kalksteinen, Sandsteinen und Schiefern bestehenden überaus mächtigen Ablagerungen gering: es entsprechen die ältesten etwa dem Pariser Grobkalk, die jüngsten der untern Abteilung des Oligocäns. Kalksteine und Sandsteine sind mitunter überreich an großen Foraminiferen (Nummuliten, s. Tafel I u. beistehende Textfigur); die Schiefer (Flysch, s. übrigens auch Kreideformation) führen Fucus-Arten. Wesentlich unterscheidet sich die Bildung von dem in abgeschlossenen Becken auftretenden Tertiär durch die an ältere Formationen erinnernde Mannhaftigkeit der Entwickelung nach vertikaler Mächtigkeit und horizontaler Erstreckung. In den Ländern am Mittelmeer beginnend, beteiligen sich Nummulitengesteine an der Zusammensetzung der Pyrenäen, Alpen, Apenninen und Karpathen, durchziehen Kleinasien, sind im Himalaja vertreten und von den Sundainseln, China und Japan bekannt. In verschiedenen Niveaus führen sie fischreiche Schichten, so in einem tiefern, am Monte Bolca in Norditalien (s. Rhombus minimus, Tafel I), mit denen auch die Basalttuffe von Ronca fast gleichalterig sind, in einem höhern ein schwarzes, den alten Thonschiefer vollkommen gleichendes Gestein, den Fischschiefer von Glarus (Glarner Schiefer), in noch höherm Niveau (Ungarn) solche mit Meletta crenata. In mehreren der genannten Gebirge, den Pyrenäen, Alpen und dem Himalaja, steigen die Nummulitengesteine bis zu sehr bedeutenden Meereshöhen (im Himalaja bis über 5000 m) hinauf, ein Beweis, daß die Hebung dieser Gebirge erst in einer spätern Periode als in der des Alttertiärs erfolgt sein muß. Daß die mit den Sammelnamen "Wiener Sandstein" (in den Südalpen Macigno) und "Karpathensandstein" bezeichneten Schichten ebenso wie der Flysch nur teilweise hierher gehören, teilweise aber zur Kreideformation, wurde dort erwähnt. An einzelnen Stellen, namentlich in Bayern, werden die Nummulitengesteine glaukonitisch und eisenführend, so daß sie als Eisenerze gefördert werden (Sonthofen, Kressenberg); an andern Orten in den Alpen (Häring, Reit im Winkel) finden sich kohleführende Schichten. Ungefähr gleichalterig, teils oligocän, teils miocän, sind die besonders für Württemberg und die Schweiz wichtigen Bohnerze, welche kleine Becken oder Ausfüllungen von schlotähnlichen Vertiefungen in Jurakalken bilden, denen sie wegen dieser lokalen Verknüpfung lange beigezählt wurden, während ihre Reste (Säugetierknochen und Zähne) sie der T. zuweisen. Molasse ist kein streng geologischer Begriff, sondern eher ein petrographischer und bezeichnet meist feinere, lockere Sandsteine, besonders typisch in der Schweiz, aber auch in Oberschwaben entwickelt. Die Annahme einer Molassenformation hat nach genauern paläontologischen Untersuchungen weichen müssen; es gehören diese Bildungen verschiedenen Stufen des obern Oligocäns und des Miocäns an und bergen teils meerische, teils Süßwasserformen. Aus der Meeresmolasse bildet die Tafel I den Haifischzahn, Notidanus primigenius, ab. Der obern Süßwassermolasse, dem mittlern Miocän, werden auch die Kalke von Öningen in Oberbaden zugerechnet, welche einen ganz außerordentlichen Reichtum an pflanzlichen und tierischen Formen enthalten, unter den letztern jenen Riesensalamander (Andrias Scheuchzeri, s. Tafel II), den Scheuchzer 1732 als Homo diluvii testis beschrieb. Auch Nagelfluh ist ein petrographischer Begriff: die mit diesem Namen belegten polygenen Konglomerate gehören teils zum obern Oligocän, teils zum Miocän. Die Schichten, welche im W. Deutschlands das Mainzer Becken auf beiden Seiten des Rheins, mainaufwärts bis Aschaffenburg, nördlich zwischen Taunus und Vogelsberg bis gegen Gießen, bilden, sind teils Oligocän, teils Miocän. Zu ersterm zählen unter anderm die Meeressande, unter deren Resten namentlich die einer Seekuh (Halianassa) bemerkenswert sind, die Septarien- oder Rupelthone, die Landschneckenkalke, die Cerithienschichten und Cyrenenmergel. Dem Miocän werden Kalke, oft ganz erfüllt mit einer kleinen Schnecke (Litorinella), und Sandsteine mit Pflanzenabdrücken, sogen. Blättersandsteine (z. B. von Münzenberg in Hessen), beigerechnet und als jüngste Etage die Eppelsheimer Sande (Dinotheriensande), welche viele Säugetierreste, unter ihnen Rhinoceros (s. Tafel II) und Dinotherium (s. Tafel II), enthalten. Von dem großen Wiener Becken sind höchstens die ältesten Schichten dem Oligocän beizuzählen; das Gros der Bildung gehört dem Miocän, bis zu der jüngsten Stufe hinauf, an. Lokale Benennungen sind, von unten nach oben geordnet: der Leithakalk (Nulliporenkalk), ein fast nur aus Versteinerungen bestehender Kalk, der Tegel, ein kalkhaltiger Thon, beide wohl parallele Facies einer und derselben Bildungsperiode, Cerithienschichten, Kongerienschichten, oberer Tegel, Belvedereschichten. Gleichalterig sind die wichtigen Steinsalzablagerungen in Galizien (Wieliczka, Bochnia) und in Siebenbürgen (Kalusz), von denen Wieliczka jährlich gegen 1½ Mill. Ztr. Steinsalz liefert. In Norddeutschland sind zahlreiche Tertiärbildungen bekannt, durch Bedeckung seitens jüngerer Schichten in eine große Anzahl kleiner Becken geteilt und meist dem Oligocän angehörig. Als technisch wichtiges Produkt führen diese Schichten Braunkohlen, unter denen die der Rhön, der Wetterau und des Niederrheins jünger als die Ostdeutschlands und als die Bernstein führenden Schichten des Samlandes sind. Zwischen diesen kohleführenden Schichten sind marine Niveaus entwickelt, wie die Sande von Egeln, die Sande der Kasseler Gegend, die Kiese von Meck-^[folgende Seite]

^[Abb.: Nummulitenkalk.]