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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tschernyschéwskij; Tscherokesen; Tschers; Tscheschme; Tschesskajabai; Tschetschénzen

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Tschernyschewskij - Tschetschenzen.

traut, wußte er dort durch Bestechung den französischen Operationsplan gegen Rußland in Erfahrung zu bringen. Im Feldzug von 1812 führte er den kühnen Zug im Rücken der französischen Armee aus, durch welchen er den General Wintzingerode aus der Gefangenschaft befreite. 1813 zum Divisionsgeneral avanciert, bedrohte er im März den französischen General Augereau in Berlin, unternahm im September 1813 einen Streifzug ins Königreich Westfalen, zu dessen Sturz er wesentlich beitrug, und erstürmte 1814 Soissons. Zum Generalleutnant befördert, begleitete er den Kaiser Alexander I. auf den Kongreß zu Wien, später nach Aachen und Verona. Bei der Krönung des Kaisers Nikolaus ward er in den Grafenstand erhoben und 1832 zum Kriegsminister und Chef des kaiserlichen Generalstabs ernannt. 1841 wurde er in den Fürstenstand erhoben und 1848 zum Präsidenten des Reichsrats und des Ministerkonseils ernannt. Er starb 20. Juni 1857 in Castellammare.

Tschernyschéwskij, Nikolai Gawrilowitsch, russ. Schriftsteller, geb. 1828 zu Saratow, besuchte zuerst ein geistliches Seminar, studierte dann in Petersburg, wo er den Universitätskursus 1850 absolvierte, redigierte in der Folge eine militärische Zeitschrift und war 1855-64 Mitarbeiter an dem "Zeitgenossen", den er teils mit ästhetischen, teils mit politisch-ökonomischen Artikeln und Abhandlungen versorgte. Nebenbei veröffentlichte er ein Werk über Lessing (1857) und bearbeitete Adam Smiths Werk über den Nationalreichtum unter dem Titel: "Grundlagen der politischen Ökonomie" (1864). Während einer Festungshaft schrieb er den nihilistisch gefärbten, dabei durch die Schilderung neuer gesellschaftlicher und staatlicher Verhältnisse ausgezeichneten Tendenzroman "Was thun?" (2. Aufl. 1877; deutsch, Leipz. 1883), der seine Verbannung nach Sibirien zur Folge hatte. Er lebt, seit 1883 teilweise begnadigt, in Astrachan.

Tscherokesen (Cherokee, Tschilake), ein großes, zu der sogen. Appalachengruppe gehöriges Indianervolk in Nordamerika, bewohnt gegenwärtig, seit seiner Verpflanzung aus dem ursprünglichen Gebiet auf die Westseite des Mississippi, einen Distrikt im N. und O. des Indianerterritoriums von ca. 9,75 Mill. Acres Areal. Das Land wird vom Arkansas und dessen Nebenflüssen reichlich bewässert und ist zum Ackerbau, der fleißig betrieben wird, wohlgeeignet. Die Zahl der T. betrug 1853: 19,367 und 1883: 22,000 Seelen. Sie sind unter den Indianern Nordamerikas jedenfalls die am weitesten in der Kultur vorgeschrittene Nation, haben große Dörfer mit wohnlich eingerichteten Häusern, über 30 öffentliche Schulen mit zum Teil eingebornen Lehrern und 5000 Schülern, betreiben zahlreiche Sägemühlen sowie ausgedehnte Rindvieh-, Schaf- und Pferdezucht. Was sie an Kleidung, Ackergerätschaften etc. bedürfen, fertigen sie selbst an und produzieren auch Salz aus den zahlreichen Salzquellen ihres Gebiets. In den letzten Jahrzehnten haben sie auch schon einen Teil ihrer landwirtschaftlichen Produkte flußabwärts nach New Orléans ausgeführt. Sie haben ihre besondern Gesetze und eine nach dem Muster der Vereinigten Staaten eingerichtete republikanische Regierung mit geschriebener Verfassung. Ihre Sprache, für welche 1821 ein Halbindianer, Sequoyah (G. Gueß), eine eigne syllabische Schrift erfand, besteht aus 85 Zeichen, die zu Wörtern zusammengefügt werden, und ist sehr wohlklingend; sie steht übrigens in der Reihe der nordamerikanischen Sprachen ganz vereinzelt da. Mittelglieder, welche die Sprache mit den Sprachen der südlichen Nachbarn verbanden, sind verloren. Eine kurze Grammatik lieferte H. C. von der Gabelentz in Höfers Zeitschrift; auch im 2. Bande der "Archaeologia americana" finden sich grammatische Notizen. Daneben haben die T. die englische Sprache in großem Umfang angenommen und schon sämtlich ihre Nationaltracht für die europäische aufgegeben. Von der Union erhalten sie noch bedeutende Jahrgelder für ihre im O. des Mississippi abgetretenen Ländereien; auch Handwerkswerkführer werden ihnen kontraktlich von der Zentralregierung geliefert. Zahlreiche Missionäre arbeiten unter ihnen mit gutem Erfolg, auch ihre periodische Presse nimmt einen achtbaren Platz ein. Über die Bedeutung ihres Namens ist man nicht im klaren. Gott nannten sie Oonawleh Unggi ("den ältesten der Winde"). Nach Whipple ("Report on the Indian tribes") hatten sie einen der christlichen Taufe ähnlichen Ritus, der streng beobachtet wurde, weil sonst der Tod des Kindes die unvermeidliche Folge war. Auch besitzen sie phantastische Sagen von einer Sintflut, einer gehörnten Schlange etc. Die T. bewohnten ursprünglich ein großes Gebiet im Innern von Südcarolina, Georgia und Tennessee, lebten anfangs in gutem Einvernehmen mit den europäischen Kolonisten und erkannten 1730 die britische Oberhoheit an. Später kam es jedoch zu Kämpfen zwischen ihnen und den Briten, die von beiden Seiten mit unmenschlicher Grausamkeit geführt wurden, bis sie sich 1785 der Oberhoheit der Vereinigten Staaten unterwarfen. Im Jahr 1819 siedelte ein Teil des Volkes nach Arkansas über, während die übrigen in Georgia, wozu ihr Gebiet nominell gehörte, zurückblieben. Endlich wurden sie 1838 insgesamt genötigt, nach dem Indianerterritorium auszuwandern, wo sie ihr jetziges Gebiet angewiesen erhielten.

Tschers (pers.), aus dem indischen Hanf in Form einer Pasta bereitetes Narkotikum, das, wie in der Türkei das Esrar (s. d.), in Afghanistan, Persien und Mittelasien (hier auch Anascha oder Chab genannt) unter den Tabak gemischt geraucht wird. Vgl. Haschisch.

Tscheschme (bei den Griechen Krene genannt), Hafenstadt im asiatisch-türk. Wilajet Aïdin, am Ägeischen Meer, Chios gegenüber, mit mittelalterlicher Citadelle, Rosinenhandel und ca. 20,000 fast nur griech. Einwohnern. Bei T. wurde in der Nacht vom 5. zum 6. Juli 1770 eine Seeschlacht geliefert, in welcher die Russen die türkische Flotte verbrannten, die sich unvorsichtigerweise in die enge und seichte Bucht nach T. zurückgezogen hatte. Zum Andenken an den Sieg gründete Katharina II. 15 km südlich von St. Petersburg ein gleichnamiges Militärkrankenhaus. Im April 1881 wurde T. durch Erdbeben arg zerstört.

Tschesskajabai, Teil des Nördlichen Eismeers, zwischen der Halbinsel Kanin, der Insel Kalgujew und dem Festland.

Tschetschénzen, die russ. Bezeichnung für die zum kaukasischen Stamm gehörigen, von den Georgiern Khisten (Kisten), von den Lesghiern Mizdscheghen genannten Völkerschaften, die sich selber Nachtschuoi nennen. Ihr Gebiet wird im W. und NW. von Daghestan, im NO. vom obern Terek, im N. von der Kleinen Kabarda und dem Sundschafluß, im S. vom Kaukasus, im O. vom obern Jakhsai und Enderi begrenzt. Zu ihnen gehören namentlich die Inguschen, Karabulaken, Thusch oder Mosok, Chewsuren, Pshawen und die T. im engern Sinn zwischen den Karabulaken und dem Aksaifluß. Ihre Zahl beträgt etwa 161,500 Seelen. Die Männer zeichnen sich durch schlanken Wuchs und Körpergewandtheit aus; den Frauen ist natürliche Anmut eigen. Die Wohnorte, Aul genannt, sind befestigte Dörfer. Jedes Dorf