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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Tschudisches Meer; Tschugujew; Tschukiang; Tschuktschen

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Tschudisches Meer - Tschuktschen.

Urkunden, sagenhafter Überlieferung und freier Erfindung des Autors beruht, ist jahrhundertelang die herrschende geblieben und durch Joh. v. Müller und Schiller europäisches Gemeingut geworden. Seit Kopps Forschungen dieselbe als Sage oder Roman haben erkennen lassen, beruht der Wert der Chronik Tschudis, abgesehen von ihrem litterarischen Verdienst, hauptsächlich auf den zahlreichen, jetzt verlornen Urkunden, deren Wortlaut sie uns erhalten hat. Vgl. Fuchs, Ägidius Tschudis Leben und Schriften (St. Gallen 1805, 2 Bde.); Vogel, Egidius T. als Staatsmann und Geschichtschreiber (Zürich 1856); Blumer, Ägidius T. (im "Jahrbuch des Historischen Vereins Glarus" 1871 u. 1874); Herzog, Die Beziehungen des Chronisten Ä. T. zum Aargau (Aarau 1888).

2) Iwan von, geb. 19. Juni 1816 zu Glarus, seit 1846 Mitbesitzer der Verlagsbuchhandlung Scheitlein u. Zollikofer in St. Gallen, gest. 28. April 1887 daselbst, machte sich als Alpenforscher besonders verdient durch die Herausgabe eines trefflichen Reisehandbuchs: "Tourist in der Schweiz und dem angrenzenden Süddeutschland, Oberitalien und Savoyen" (1855, 30. Aufl. 1888).

3) Johann Jakob von, Naturforscher, Bruder des vorigen, geb. 25. Juli 1818 zu Glarus, studierte in Leiden, Neuchâtel, Zürich und Paris, später auch in Berlin und Würzburg Naturwissenschaft, bereiste 1838-43 Peru, lebte seit 1848 auf seiner Besitzung Jakobshof in Niederösterreich, bereiste 1857-59 Brasilien, die La Plata-Staaten, Chile, Bolivia und Peru, ging 1859 als Gesandter der Schweiz nach Brasilien, wo er namentlich auch zum Studium der Einwanderungsverhältnisse die mittlern und südlichen Provinzen bereiste, kehrte 1861 zurück, ging 1866 als schweizerischer Geschäftsträger nach Wien und wurde 1868 zum außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister daselbst ernannt. Seit 1883 lebt er wieder auf seinem Gut. Er schrieb: "System der Batrachier" (Neuchât. 1838); "Untersuchungen über die Fauna peruana" (St. Gallen 1844-47, mit 76 Tafeln); "Die Kechuasprache" (Wien 1853, 3 Tle.); "Ollanta, ein altperuanisches Drama, aus der Kechuasprache übersetzt und kommentiert" (das. 1875); "Organismus der Khetsuasprache" (Leipz. 1884); "Peru, Reiseskizzen" (St. Gallen 1846, 2 Bde.); "Antiguedades peruanas" (mit Don Mariano de Rivero, Wien 1851, mit Atlas); "Reisen durch Südamerika" (Leipz. 1866-69, 5 Bde.). Auch bearbeitete er Winckells "Handbuch für Jäger" (5. Aufl., Leipz. 1878, 2 Bde.).

4) Friedrich von, Bruder der vorigen, geb. 1. Mai 1820 zu Glarus, studierte in Basel, Bonn und Berlin Theologie, wurde 1843 Stadtpfarrer in Lichtensteig (Toggenburg), lebte seit 1847 als Privatmann in St. Gallen, übernahm dort seit 1856 verschiedene Beamtenstellungen, saß seit 1864 im Großen Rat, seit 1874 im Regierungsrat, wurde 1877 Mitglied des schweizerischen Ständerats und starb 24. Jan. 1886. Er erwarb sich besondere Verdienste um das Erziehungswesen und führte den Kampf mit dem Klerus ebenso taktvoll wie entschieden. Sein bekanntes Hauptwerk ist: "Das Tierleben der Alpenwelt" (Leipz. 1853, 10. Aufl. 1875; vielfach übersetzt), ein auf eignen Forschungen und sorgfältigster Beobachtung beruhendes, auch sprachlich ausgezeichnetes Buch; andre Schriften von ihm sind: "Der Sonderbund und seine Auflösung" (unter dem Pseudonym C. Weber, St. Gallen 1848); "Landwirtschaftliches Lesebuch" (8. Aufl., Frauenfeld 1888); "Der Obstbau und seine Pflege" (mit Schultheß, 4. Aufl., das. 1887).

Tschudisches Meer, See, s. v. w. Peipus.

Tschugujew, Kreisstadt im russ. Gouvernement Charkow, an der Mündung der Tschugewka in den Donez, hat Obstbau, Handel und (1885) 10,147 Einw.

Tschukiang (Perlfluß), Fluß in der chines. Provinz Kuangtung, welcher aus dem Ssi-, Pe- und Tungkiang zusammenfließt und unterhalb Kanton in eine Bucht des Chinesischen Meers mündet.

Tschuktschen (auch Tschautschen), ein zu den Arktikern oder Hyperboreern gehöriges Volk im nordöstlichsten Sibirien (s. Tafel "Asiatische Völker", Fig. 1). Nach ihrer Lebensweise unterscheidet man nomadisierende oder Renntiertschuktschen und seßhafte oder Jagd und Fischerei treibende T. Die erstern ziehen zwischen der Beringsstraße, Indigirka und der Penschinabai herum, ihre Zahl ist unbekannt. Die andern wohnen in festen oder verrückbaren Zelten am Ufer des Eismeers von Kap Schelug bis zum Ostkap und weiter von hier an den Ufern des Beringsmeers bis zum Anadyrbusen. Die sogen. Tschuktschenhalbinsel ist ein ödes Land mit sterilen Bergen und Thälern, auf denen nur Renntiermoos gedeiht. Die Seßhaftigkeit ist nicht wörtlich zu nehmen; wenn an einem Orte die Lebensmittel mangeln, so wird auch im Winter ein andrer Aufenthalt gewählt. Man schätzt die Zahl der seßhaften T. auf 2000-2500 Köpfe, die beider Abteilungen auf 4-5000. Unzweifelhaft sind die T. hervorgegangen aus der Mischung mehrerer früher kriegerischer und wilder, von fremden Eroberern von S. nach N. gejagter Rassen, die daselbst eine gemeinsame Sprache annahmen, und denen die Lebensbedingungen am Polarmeer einen unvertilgbaren Stempel aufdrückten. Der gewöhnliche Typus ist: Mittellänge, steifes, großes, schwarzes Haar, fein gebildete Nase, horizontal liegende, keineswegs kleine Augen, schwarze Augenbrauen, lange Augenwimpern, hervorstehende Backenknochen und helle, wenig braune Haut, die bei jungen Weibern nahezu ebenso weiß und rot ist wie bei den Europäern. Trotz der größten Unsauberkeit am Körper und in ihren Behausungen erfreuen sie sich doch guter Gesundheitsverhältnisse. Ihre Kleidung besteht aus einem Päsk aus Renntier- oder Seehundsfell, der auf dem bloßen Körper getragen wird, und über den man bei Regen oder Schnee noch einen Rock von Gedärmen oder Baumwollenzeug zieht. Unter dem Päsk, der bis an die Kniee reicht, werden zwei Paar Hosen aus demselben Stoff getragen, das innere mit den Haaren nach innen, das äußere mit den Haaren nach außen. Die Füße stecken in Strümpfen aus Seehundshaut oder in Mokassins mit Sohlen aus Walroß- oder Bärenfell; der Kopf ist mit einer Haube geschützt, über welche bei strenger Kälte noch eine andre gezogen wird. Ihre Nahrung bilden Fisch, Fleisch und Gemüse, soweit sie deren habhaft werden können. Außer Fischfang und Renntierzucht treiben sie Jagd auf Walrosse und Robbenarten. Die Walroßzähne sind ein Haupthandelsartikel im Verkehr mit den Amerikanern, von welchen sie Tabak, Branntwein, Pulver, Blei, Flinten etc. erhalten. Zu den Russen haben sie äußerst geringe Beziehungen; einen Jasak (s. d.) entrichten nur die T., welche nach Nishne-Kolymsk zum Jahrmarkt fahren. Von irgend einer gesellschaftlichen Ordnung gibt es keine Spur; anerkannte Häuptlinge oder dem Ähnliches kennen sie nicht. Sie sind Heiden und haben nicht die geringste Vorstellung von einem höhern Wesen. Die religiösen Begriffe, die sich an vorhandene Schnitzereien (Menschenbilder) knüpfen, sind äußerst unbestimmt und scheinen weniger ein im Volk fortlebendes Bewußtsein als eine Erinnerung von