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Meyers Konversationslexikon

Autorenkollektiv, Verlag des Bibliographischen Instituts, Leipzig und Wien, Vierte Auflage, 1885-1892

Schlagworte auf dieser Seite: Ungarn

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Ungarn (Geschichte 1063-1527).

tiger Strenge befestigte. Nach seinem Tod (1063) erhielt mit deutscher Hilfe Andreas' Sohn Salomo die Krone, wurde aber 1074 von Belas Sohn Geisa vertrieben. Derselbe ließ sich 1075 krönen, starb jedoch schon 1077 und hatte seinen Bruder Wladislaw zum Nachfolger, welcher 1088 Nordkroatien unterwarf. Ihm folgte sein Neffe Koloman (1095-1114), welcher 1102-12 Dalmatien eroberte, mit dem Papst 1106 ein Konkordat abschloß und treffliche Gesetze über das Grundeigentum, die Finanzen und das Gerichtswesen erließ. Die Regierungen Stephans II. (1114-31), Belas II., des Blinden (1131-41), und Geisas (1141-61) waren durch äußere Kriege und innere Unruhen bewegt. Nach des letztern Tod folgten durch die Einmischung des griechischen Kaisers Manuel in die stets streitige Thronfolgeordnung längere Wirren, während deren neben Geisas ältestem Sohn, Stephan III. (1161-73), noch zwei Könige existierten, bis endlich Geisas zweiter Sohn, Bela III. (1173 bis 1196), den Thron bestieg, der dem griechischen Kaiserreich den Lehnseid leisten mußte; derselbe unterwarf Kroatien und Dalmatien wieder und eroberte Bulgarien und Galizien, das fortan der Zankapfel zwischen U., Polen und Rußland blieb. Sein Nachfolger war sein Sohn Emmerich (1196-1204), dann dessen unmündiger Sohn Wladislaw (1204-1205), der aber von Belas III. jüngerm Bruder, Andreas II. (1205-35), verdrängt wurde. Unter diesem, der 1217 einen erfolglosen Kreuzzug unternahm, erzwangen sich der Reichsadel 1222 in der Goldenen Bulle und 1231 auch der Klerus ausgedehnte Rechte und Freiheiten. Unter Bela IV. (1235-70) wurde U. 1241 von den Mongolen furchtbar verwüstet und entvölkert. Daher wurden zahlreiche deutsche und italienische Ansiedler in das Land gezogen und der Bürgerstand durch Vermehrung der Freistädte gehoben. 1244 wurde Bosnien der ungarischen Herrschaft gesichert, und nach andern Seiten hin wurden die Grenzen Ungarns erweitert. Nach Stephans V. (1270-72) frühem Tod folgte sein unmündiger Sohn, Wladislaw IV., der Kumane, nach dessen Ermordung (1290) Andreas' II. Enkel Andreas III. auf den Thron erhoben wurde. Mit ihm erlosch 14. Jan. 1301 der Mannsstamm der Arpaden.

Zwar begünstigte ein Teil der ungarischen Stände den Sohn von Andreas' Tochter, Wenzel III. von Böhmen, der als Wladislaw V. gekrönt wurde, aber die unhaltbare Krone dem Herzog Otto von Bayern überließ. Die Mehrheit wurde aber schließlich für den vom Papst und vom deutschen König begünstigten Karl Robert von Neapel aus dem Haus Anjou, der mütterlicherseits mit den Arpaden verwandt war, gewonnen, welcher, wiederholt von seinen Anhängern ausgerufen und gekrönt, 1308 allgemeine Anerkennung fand. Karl I. Robert (1308-42) führte die abendländischen höfischen Sitten, Pflege der Wissenschaften, geregeltes Gerichtsverfahren u. dgl., aber auch Luxus und Prachtliebe beim Adel ein; auch eroberte er 1314 das venezianische Dalmatien. Nach ihm bestieg sein ältester Sohn, Ludwig I., der Große (1342-82), den Thron, der vorübergehend auch über Neapel herrschte und 1370 zum König von Polen gewählt wurde. Derselbe behauptete und erweiterte in glücklichen Kriegen die äußere Macht des Reichs, vollendete die Bekehrung der Kumanen zum Christentum, regelte das Erbrecht der adligen Güter, gab den Städten eigne Gerichtsbarkeit und Handelsfreiheit und gründete 1367 eine Universität in Fünfkirchen sowie zahlreiche Schulen. Er hatte zu seiner Nachfolgerin in U. seine Tochter Maria ernannt, welche sich mit dem Luxemburger Siegmund vermählte. Die Großen riefen jedoch ihren Vetter, Karl den Kleinen von Neapel, als König aus. Erst nach dessen Ermordung (1386) erlangte Siegmund mehr und mehr Anerkennung und behauptete sich auch nach Marias Tod (1392). Als er aber auf dem Kreuzzug gegen die Türken 1396 bei Nikopolis besiegt wurde, empörten sich die Großen gegen ihn und nahmen ihn 1401 sogar in Ofen gefangen. Da sie sich jedoch über die Wahl eines andern Königs nicht verständigen konnten, ward Siegmund 1404 allgemein als König wieder anerkannt, gab dem Land zur Verteidigung gegen die Türken eine bessere Heeresorganisation und berief 1405 einen Nationalkonvent, zu dem er zum erstenmal Abgeordnete der Städte heranzog, die sich mit dem niedern Adel zur Ständetafel (neben der Magnatentafel der Prälaten und des hohen Adels) vereinigten; er erwarb Kroatien und Dalmatien wieder und brachte auch Bosnien unter ungarische Oberhoheit.

Siegmund, seit 1410 auch Kaiser, starb 1437 ohne männliche Erben und hinterließ seine Reiche U. und Böhmen seinem Schwiegersohn Albrecht von Österreich (als deutscher König Albrecht II.), der aber schon 1439 starb. Die ungarischen Stände erkannten nun nicht dessen nachgebornen Sohn Wladislaw Posthumus als König an, sondern beriefen wegen der wachsenden Türkengefahr den polnischen König Wladislaw III. (V.) auf den Thron, der aber schon 10. Nov. 1444 in der großen Schlacht bei Warna gegen die Türken Sieg und Leben verlor. Nun wurde Wladislaw (VI.) Posthumus zum König erklärt und der Nationalheld Johann Hunyades, welcher die Türken glänzend besiegt hatte, 1446 zum Gubernator Hungariae oder Reichsverweser ernannt, der zwar 17.-20. Okt. 1448 gegen die Türken die Schlacht auf dem Amselfeld verlor, aber 14. Juli 1456 an der Spitze eines Kreuzheers bei Belgrad glänzend siegte. Nach Wladislaws Tod (November 1457) wählte der Reichstag zu Pest 1458 Hunyades' Sohn Matthias Corvinus zum König; nur ein kleiner Teil der Großen stellte den Kaiser Friedrich III. als Gegenkönig auf. Matthias beförderte im Innern Bildung und Wohlstand und focht nicht nur glücklich gegen die Türken, sondern auch gegen den König Georg Podiebrad, an dessen Stelle er sich 1469 in Olmütz zum König von Böhmen krönen ließ, und entriß Friedrich III. sein Erbland Niederösterreich. Er starb 6. April 1490 in Wien, worauf der Reichstag die Krone Wladislaw V. (VII.) von Böhmen, aus dem Haus der Jagellonen, übertrug, welcher mit Kaiser Maximilian I. 1415 eine Doppelheirat seiner Kinder Ludwig und Anna mit dessen Enkeln Maria und Ferdinand sowie eine Erbverbrüderung abschloß. Auf seinen Befehl ward 1512 das erste umfassende Gesetzbuch Ungarns, das Tripartitum, zusammengestellt, das, 1517 von Verböczy vollendet, bis auf die neueste Zeit als Corpus juris hungaricum in Geltung war. Ein Bauernaufstand (der "Kuruzzenkrieg") wurde 1514 von Johann Zápolya unterdrückt. Wladislaws Sohn Ludwig II. (1516-1526) fiel 29. Aug. 1526 in der unglücklichen Schlacht bei Mohács gegen Sultan Suleiman H., welcher darauf ganz U. mit seinen Heerscharen überschwemmte.

Ungarn unter den Habsburgern.

Da Ludwig II. keine Nachkommen hinterließ, entstand ein verderblicher Zwist über die Thronfolge. Auf Grund der mit dem Haus Habsburg geschlossenen Erbverbrüderung wählte der Reichstag zu Preßburg 16. Dez. 1526 den Erzherzog Ferdinand von Österreich zum König; Ferdinand wurde, nachdem er 1527 die Verfassung beschworen, zu Stuhlweißenburg